Anfang Januar haben rund 20 Klimaaktivisten den größten Hörsaal (Audimax) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) besetzt. Die Gruppe nennt sich „End Fossil: Occupy!“ und hatte mehrere Forderungen an die Universitätsleitung. So sollte sich die Hochschule beispielsweise verpflichten, bis spätestens 2030 klimaneutral zu sein und das Thema Klima in jedem Studiengang als Modul zu unterrichten. Im Laufe der Besetzung verhandelten die Klimaaktivisten mit der Universitätsleitung, die am Ende auf einige der Forderungen einging. Nach einer Woche endete die Besetzung des Hörsaals. Die Verhandungsergebnisse wurden von der MLU veröffentlicht und können hier nachgelesen werden.
Eine Abordnung von Mandatsträgern der AfD-Fraktion wollte sich während der Besetzung vor Ort ein Bild von der Lage machen, sei jedoch von den vermummten Besetzern körperlich angegriffen und am Betreten des Hörsaals gehindert worden, erklärte die AfD-Fraktion. Sie zeigte sich überzeugt, dass sich dieser Vorgang damit einfüge „in die von Eskalation, Gewalt und Rechtsbruch geprägten sogenannten Klimaproteste, wie es sich auch an den Ausschreitungen der Besetzer in Lützerath zeigt, für die Akteure in Halle offen geworben haben.“ Um darüber zu diskutieren, welche Auswirkungen solche Aktionen für die Gesellschaft haben, beantragte die AfD-Fraktion eine Aktuelle Debatte.
„Hätschelkinder des Establishments“
Zu Beginn seiner Rede kritisierte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) die Worte, Taten und Einstellungen der Klimaaktivsten aufs Schärfste. Er erklärte unter anderem, dass die Klimaaktivisten von „veganer Chemiepampe leben“ und nannte sie zudem „ein Haufen Lumpenproletariat“. Die eigentlichen Verursacher der Klimakrise seien Euro und EZB, dagegen würde sich die Kritik der Studenten jedoch nicht richten. Stattdessen würden sie ihre Wut gegen den Menschen als„CO2-ausstoßendes Monstrum“ richten.
Tillschneider meinte weiter: „Die Klimafanatiker sind die Hätschelkinder des Establishments, die genau das tun, was sie tun sollen.“ Er kritisierte, dass die Universitätsleitung Hand in Hand mit den Klimaaktivsten und der Linken-Antifa agiere und den gewählten Abgeordneten den Zugang zum Hörsaal verweigert hätten. Abschließend mutmaßte der AfD-Abgeordnete, eine Hörsaalbesetzung von Studierenden gegen Corona-Maßnahmen wäre sicher anders ausgegangen.
„Besonnene Reaktion der Hochschulleitung“
Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD), sagte: „Fanatismus scheint offenbar auch an anderer Stelle und heute in diesem Hause sichtbar geworden zu sein.“ Er hätte nicht gedacht, dass man unter Akademikern auf solche Art über ein Thema diskutieren könnte, über das man sich durchaus sinnvoll unterhalten könnte. Auch er selbst halte grundsätzlich nichts davon, dass Hörsäle besetzt würden. Die Universität hätte jedoch schnell von Präsenz- auf Onlinelehre umgeschaltet und insoweit hätten es für die Studierenden keine Einschränkungen gegeben.
Der Fokus der Hochschulleitung hätte von Anfang an auf Deeskalation und Vermeidung von Gewalt gelegen. Was den Besuch der AfD-Abgeordneten angehe, sei einiges nicht gut gelaufen, räumte der Minister ein. Nach Auskunft des Innenministeriums gebe es in dem Zusammenhang mittlerweile zwei Ermittlungsverfahren wegen Nötigung. Das Rektorat habe „sehr besonnen reagiert und sich auch nicht unterwerfen lassen“, dies habe uns ein „Lützerath 2“ erspart, so Willingmann abschließend.
„Solche Aktionen nicht akzeptieren“
Kerstin Godenrath (CDU), kritisierte, dass die Hallenser Klimaaktivisten die Besetzer in Lützerath unterstützten und man so wisse, welches Denken bei ihnen vorherrsche. Der Studenenrat der Uni und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft hätte die Aktion unverständlicherweise unterstützt, so die CDU-Abgeordnete. Anders als vom Wissenschaftsminister erklärt, hätte es durchaus Einbußen bei der Lehre gegeben, die sich nämlich der Besetzung hätte unterordnen müssen.
Godenrath meinte, die eigentliche Frage hinter der Aktion sei, wie man zukünftig gesellschaftliche Themen diskutieren wolle und welche Signale an Menschen gesendet würden, die sich bisher friedlich engagiert hätten. „Wir dürfen solche Aktionen nicht normal finden und wir dürfen sie auch nicht akzeptieren!“ Godenrath mahnt, es gebe unzählige andere Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Wenn es für eine Position keine Mehrheit gebe, müsse man das akzeptieren.
„Aktionen des zivilen Ungehorsams“
Der Beitrag der AfD hätte nichts mit einer Debatte zu tun, sondern vielmehr mit Hetze. Sie versuche zu skandalisieren, obwohl eigentlich nichts Schlimmes passiert sei, sagte Hendrik Lange (DIE LINKE). Eigentlich sei die AfD-Fraktion der Skandal, denn ihr Ruf nach Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sei nur ein Ablenkungsmanöver. Dass die Konservativen in diesem Bereich wenig anders seien als die AfD-Fraktion wundere nicht. Mit Blick zur CDU sagte Lange weiter, Steuerhinterziehung sei ok, aber „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ würden kritisiert.
„Ziviler Ungehorsam“ sei für Lange ein legitimer Bestandteil der Demokratie. Es würden zwar Gesetze übertreten, allerdings nur, um auf einen problematischen gesellschaftlichen Zustand aufmerksam zu machen. Von Menschen, die sich auf die Straßen klebten oder Hörsäle besetzten, ginge kaum Gefahr aus, anders als bei „feigen Nazischlägern“.
„Keine legitime Protestaktion“
Seine Fraktion halte weder die Besetzung eines Hörsaals noch das Festkleben auf der Straße für legitime Protestaktionen, stellte Konstatin Pott (FDP) fest. Das Thema Nachhaltigkeit sei den Klimaaktivisten besonders wichtig, wie die Bilanz aber in der Praxis aussehe, sei nicht immer klar. Um beim Klimaschutz wirklich voranzukommen, plädierte der FDP-Abgeordnete für eine ergebnisoffene Forschung. Politische Forderungen durch Erpressungen durchzusetzen, sei gefährlich und nicht der richtige Weg. Der Diskurs hätte problemlos auf andere Weise geführt werden können, beispielsweise indem die Klimaaktivisten einfach einen Hörsaal bei der Uni gemietet hätten.
Ungeduld der Jugend
„Die Debatte kostet den Rahmen der Absurdität schon ziemlich aus“, urteilte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eingangs seiner Rede. Die AfD-Fraktion wolle die Situation ausnutzen und sich als Opfer inszenieren. Die Lösungen für den Klimawandel lägen dagegen auf der Hand, es sei nicht leicht, aber man könne es schaffen. Die Klimaaktivsten hätten – anders als die AfD-Fraktion – begriffen, dass sie nicht einfach so weitermachen könnten, sondern mit den Folgen leben müssten.
Dr. Katja Pähle (SPD) unterstrich, was die AfD-Fraktion den Zuhörern zumute, sei Punkt für Punkt blanker Unsinn. Denn die Forderungen der Gruppe seinen keinesfalls extrem, da der Ausstieg aus fossiler Energie mittlerweile beschlossene Sache sei. Für sie sei es verständlich, dass die jungen Menschen ungeduldig seien. Es handle sich zudem nicht um eine Gruppe von außen, die in die Universität eingedrungen sei, sondern die Erkenntnisse um den Klimawandel kämen aus der jahrelangen Forschungsarbeit an Hochschulen. Nach Meinung von Pähle gebe es einen deutlichen Unterschied zwischen dem Bewerfen von Kunstwerken oder dem Festkleben auf der Straße als Protestform und dem Besetzen eines Hörsaals.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden naturgemäß keine Beschlüsse zur Sache gefasst.