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Plenarsitzung

Antidemokratisches Verhalten verhindern

„Rassistische, antisemitische, frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Überzeugungen und Äußerungen sind zu verurteilen und haben keinen Platz in einer demokratischen Polizei“, betont die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag „Moderne Fehlerkultur in der Polizei Sachsen-Anhalts ermöglichen“. Hintergrund sind die kürzlich öffentlich gewordenen Vorwürfe gegen Polizeianwärter, die sich in Chats verfassungswidrig geäußert haben sollen. Es brauche eine umfassende Strategie mit konkreten Maßnahmen, um „die Polizei wehrhafter gegen Verfassungsfeinde und als Verteidigerin demokratischer Werte aufzustellen“, so die Grünen. Die AfD-Fraktion brachte einen Alternativantrag ein.

Polizisten im Einsatz bei einer Demonstration.

Polizisten im Einsatz bei einer Demonstration.

Versagen im Bildungsbereich

„Die Polizistinnen und Polizisten des Landes müssen die Werte unserer Verfassung hochhalten“, sagte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), nicht alle seien diesem Ansinnen gefolgt. 26 Personen hätten über einen Zeitraum von vier Jahren (2017–2021) – ohne irgendeine Meldung – im Klassenchat verfassungsfeindliche, widerwärtige Inhalte geteilt. Es handele sich um ein klares Versagen bei der Bildung in der Landespolizei. Beschämen und Entsetzen seien auch bei der Polizeiführung zu erkennen. „Wir müssen über die strukturellen Ursachen für solches Fehlverhalten sprechen“, forderte Striegel. Es brauche einen Untersuchungsausschuss, denn der Landtag müsse Antworten liefern, wie das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei sichergestellt werden könne.

Keine Trennung von Dienst und Freizeit

Der Chat der ehemaligen Ausbildungsklasse der Polizei sei eine Schande, räumte Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (CDU). „Solches Verhalten wird nicht toleriert – weder jetzt noch in Zukunft.“ Es sei die Pflicht der Beamtinnen und Beamten, sich für die Erhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzusetzen – hier gebe es keine Trennung zwischen Dienst und Freizeit. Alle Bevölkerungsgruppen müssten sich desselben Schutzes durch die Polizei sicher sein. Sie sei entsetzt, dass die Inhalte des Chats von niemandem gemeldet worden seien, so Zieschang: „Ein Meldeverhalten stellt kein unkollegiales Verhalten dar, sondern ist die Pflicht jedes Polizeibeamten.“ In den vergangenen Jahren seien verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz in der Polizei angeschoben worden, dennoch würden sich „alle Bereiche und alle Hierarchieebenen weiter verbessern“, sicherte die Innenministerin zu.

Sorge um „Kette von Vorkommnissen“

Nach Aufdeckung des Chats seien strafrechtliche Ermittlungen und dienstrechtliche Maßnahmen in Angriff genommen worden, sagte Rüdiger Erben (SPD). Er sehe diese „Kette von Vorkommnissen“ bei der Polizei mit großer Sorge. Eine ganze Klasse habe sich am Chat beteiligt, kein Einziger habe sich dagegen engagiert. Die Anwärter/innen an der Fachhochschule seien vor einigen Jahren noch älter als heute und als Persönlichkeit deutlich gereifter gewesen. Den heute oft jugendlichen Polizeischüler/innen müsse klar sein, dass die Fachhochschule der Polizei keine herkömmliche Berufsschule sei, hier müsse ein viel strafferes Ethos vermittelt werden.

AfD setzt auf „Selbstreinigungskräfte“

Mit ihrem Alternativantrag wolle die AfD-Fraktion einen Gegenentwurf zum Antrag der Grünen einbringen, so Hagen Kohl (AfD). Die Polizei des Landes verdiene besonderes Vertrauen, ihr müsse auch politisch der Rücken gestärkt werden. Die AfD setze auf die „Selbstreinigungskräfte bei der Polizei“. Nach Ansicht der AfD-Fraktion seien die vorhandenen rechtlichen Instrumente für die Aufklärung und Sanktionierung von Fehlverhalten oder von mangelnder Verfassungstreue von Beamten ausreichend.

Junge Anwärter besser betreuen

Während laufender Ermittlungsverfahren hätte ein von den Grünen vorgeschlagener Untersuchungsausschuss gar keine Möglichkeiten zu agieren, monierte Guido Kosmehl (FDP). „Diese Chatgruppe gehört aufgelöst und aus dem Dienst entfernt, aber dafür haben wir die Verfahren, wir brauchen dafür keine weiteren Institutionen.“ In Zukunft müsse noch stärker darauf geachtet werden, wer in den Polizeidienst des Landes aufgenommen werde. Es gelte, junge Anwärter besser zu betreuen.

Vorgesetzte versagen bei Obhutspflicht

Die Aufdeckung der Chatgruppe sei ein weiterer Beleg dafür, „dass wir es mit einem strukturellen Problem zu tun haben und nicht mit Einzelfällen“, der Korpsgeist sei hier stärker gewesen als die Verpflichtung auf die Verfassung, konstatierte Henriette Quade (DIE LINKE). Solche Inhalte zeigten sich nicht allein in einem Chat, diese Einstellung müsse auch im Dienst erkennbar gewesen sein. Hier habe die Obhutspflicht der Vorgesetzten versagt. Wie kann der Zugang zum Staatsdienst für solche Leute verhindert werden?, fragte Quade. Für solche Fragen brauche es einen Polizeibeauftragten des Landes. Auch einem Untersuchungsausschuss steht DIE LINKE offen gegenüber.

Keine „Keule der Generalverdächtigung“

In jedem Unternehmen und jeder öffentlichen Behörden gebe es schwarze Schafe, das könne man auch in Zukunft nicht ausschließen, auch nicht bei der Polizei, betonte Chris Schulenburg (CDU). Deswegen dürfe man allerdings trotzdem nicht die „Keule der Generalverdächtigung“ schwingen. Fehler würden nicht unter den Teppich gekehrt, von strukturellen Problemen könne nicht gesprochen werden. Eines Polizeibeauftragten mit eigenen Ermittlungskompetenzen bedürfe das Land nicht, legte sich Schulenburg fest. Man müsse nun das Ende der strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen abwarten, um abschließende Antworten finden zu können. In Zukunft müssten ähnliche Vorkommnisse verhindert werden.

Im Anschluss an die Debatte wurden der Antrag der Grünen und der Alternativantrag der AfD in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.