Der Ältestenrat des Landtags von Sachsen-Anhalt ist am Montag, 23. Dezember 2024, zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Beratungsgegenstand war der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024. Da die Zuständigkeit zahlreicher Ausschüsse durch das Geschehen berührt ist, wollte sich zunächst der Ältestenrat als Führungsgremium des Parlaments ein Bild machen, um auf dieser Grundlage über die weitere parlamentarische Befassung mit dem Anschlag, dessen Ursachen und den Folgen beraten zu können.
An der Sitzung, die – aufgrund der Behandlung eines laufenden Verfahrens – nur zum Teil öffentlich stattfand, nahmen neben den Mitgliedern des Ältestenrats die innenpolitischen Sprecher aller sechs im Landtag vertretenen Fraktionen, die Ministerin für Inneres und Sport, die Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz sowie die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung teil.
„Der Landtag trauert um ein Kind und vier Frauen, die Opfer der Amokfahrt wurden“, sagte Landtagspräsident Dr. Gunnar Schellenberger, er sandte sein Mitgefühl und Genesungswünsche an die zahlreichen Verletzten und dankte allen Helferinnen und Helfern für deren aufopferungsvollen Einsatz. Bewegt zeigt sich der Präsident von den vielen nationalen und internationalen Solidaritätsbekundungen, die zeigten: „Wir stehen zusammen.“ Nach der Eröffnung übergab der Präsident das Wort an die drei Ministerinnen, die unmittelbar mit der Aufarbeitung des Anschlags beschäftigt sind.
Ermittlungen laufen auf Hochtouren
„In drei Minuten wurden Menschen aus dem Leben gerissen oder verletzt, der Anschlag ist eine klaffende Wunde in der Landeshauptstadt und im gesamtem Land“, konstatierte Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (CDU). Man trauere um die Verstorbenen und die Opfer des Anschlags. Seit der Festnahme des Beschuldigten liefen die Ermittlungen auf Hochtouren, noch seien nicht alle Fragen zu beantworten. Wegen der laufenden Ermittlungen könnten viele Fragen der Abgeordneten nur im vertraulichen Teil der Sitzung beantwortet werden.
Generalstaatsanwaltschaft übernimmt Ermittlungen
Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) betonte, die gesamte Justiz des Landes sei äußerst betroffen. Es gelte, die Tat aufzuklären und ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen. Hilfe für Opfer und Betroffene stünde nun an erster Stelle. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg habe die Ermittlungen gegen den Tatverdächtigen übernommen: Mord in fünf Fällen und in 205 Fällen von Körperverletzung. Der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen abgelehnt habe, hätte diese nur übernommen, wenn die Tat beispielsweise geeignet gewesen wäre, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu erschüttern. Ziel des Täters sei es gewesen, möglichst viele Menschen mit dem Pkw zu erfassen und zu töten. Grund der Tat sei nach Auskunft des Beschuldigten unter anderem die angeblich schlechte Behandlung der saudi-arabischen Flüchtlinge im Vergleich zu anderen arabischen Flüchtlingen in Deutschland. Über den Opferhilfefonds (Land und Bund) soll den Opfern und Hinterbliebenen schnellstmöglich Unterstützung zukommen, so Weidinger.
„Einsatzkräfte haben Übermenschliches geleistet“
Für Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) steht die aktuelle Situation der Gesundheitsversorgung der Betroffenen nun an erster Stelle. „Einsatzkräfte und Ersthelfende haben in den letzten Tagen Übermenschliches geleistet“, so die Ministerin. Die Traumaambulanzen böten psychotherapeutische Unterstützung, Angebote habe es auch aus anderen Bundesländern gegeben. Die Patientenversorgung habe nach der Tat in Sachsen-Anhalt sichergestellt werden können. Die Landesunfallkasse übernehme nun in Sachen Beratung und Hilfestellung hinsichtlich psychotherapeutischer Betreuung und Reha.
Der Beschuldigte sei zuletzt Beschäftigter im Maßregelvollzug Bernburg gewesen (seit März 2020), so Grimm-Benne, seine ärztliche Qualifikation sei ein Studium der Humanmedizin in Saudi-Arabien gewesen. 2014 habe er in Deutschland die Anerkennung als Facharzt für Psychotherapie erhalten, 2019 sei er Mitglied der Ärztekammer Sachsen-Anhalt geworden. Es habe laut Arbeitgeber Salus gGmbH keinen Anlass gegeben, an der Qualität der Arbeit des Beschuldigten zu zweifeln, auch sei er niemals gewalttätig geworden.
Aus den Fragen der Abgeordneten
Nach den Redebeiträgen der Ministerinnen hatten die Mitglieder des Ältestenrats die Möglichkeit, Fragen an diese zu stellen. Schwerpunkte waren hier insbesondere die Gefährderansprache gegen den Beschuldigten, das Sicherheitskonzept für den Magdeburger Weihnachtsmarkt und die Beschäftigung des Beschuldigten im Bernburger Maßregelvollzug. Fragen, die den Beschuldigten, das Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt oder die laufenden Ermittlungen betrafen, konnten und durften im öffentlichen Teil der Sitzung nicht beantwortet werden.
Man befinde sich mitten in der Aufarbeitung, ob das vorgelegte Sicherheitskonzept entsprechend umgesetzt worden sei, so die Innenministerin. Dem Verfassungsschutz hätten keine Erkenntnisse über extremistische Bestrebungen des Beschuldigten vorlegen. 27 Polizeivollzugsbeamte seien zur Tatzeit auf dem Weihnachtsmarkt im Dienst gewesen, hinzu kamen 25 weitere im größeren Umfeld des Weihnachtsmarktes.
Die sogenannte Gefährderansprache war eines der zentralen Themen des öffentlichen Teils der Sitzung. Nachdem es im September 2023 zu einem Gespräch im Polizeirevier Schönebeck gekommen war, waren zwei weitere Gesprächsversuche (am 2. und 4. Dezember 2023) erfolglos geblieben. Erst am 4. Oktober 2024 war der Beschuldigte noch einmal am Arbeitsplatz aufgesucht und belehrt worden. Seit Ende Oktober 2024 war er dann krankgemeldet.
Hinsichtlich seiner Verknüpfungen ins Ausland und insbesondere nach Saudi-Arabien konnte Innenministerin Zieschang klarstellen, dass weder ein Auslieferungsantrag seitens Saudi-Arabien vorgelegen, noch dass es Erkenntnisse von jedweder Kooperation mit einem fremden Auslandsgeheimdienst gegeben habe. Nach Auskunft des Verfassungsschutzes sei der Beschuldigte als Systemkritiker Saudi-Arabiens aktiv und so in die Flüchtlingshilfe integriert gewesen.
Nach dem öffentlichen Teil der Sitzung traten die Abgeordneten in den vertraulichen Teil ein. Pressevertreter und auch die Landtagsverwaltung waren bei dieser Unterredung nicht mehr zugelassen.