Wie nah historische Ereignisse sich selbst nach neunzig Jahren anfühlen, wird auf eine ganz besonders emotionale Weise im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus offenbar. Denn neunzig Jahre ist es her, dass die Weimarer Republik der Geschichte angehörte und durch die Diktatur der Nationalsozialisten ersetzt wurde. Einen historischen Abriss zum Jahresbeginn 1933 können Sie etwas weiter unten lesen.
Bevor Landtag und Landesregierung der Opfer des Nationalsozialismus durch eine Schweigeminute im Plenarsaal des Landtags gedachten, hatten sich die politischen Spitzen aus Land und Kommune sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Religion und Gesellschaft am Mahnmal MAGDA in Magdeburg-Rothensee versammelt, um mit Kränzen, Gedanken und Gebeten der Opfer der Schreckensdiktatur von 1933 bis 1945 und deren willigen Helfern und Helfershelfern zu gedenken.
Mantel des Schweigens gelüftet
Ein KZ-Außenlager inmitten einer Wohnsiedlung, das war „MAGDA“ in Magdeburg-Rothensee. Die Inhaftierten hätten Schutzbunker für jene Menschen bauen müssen, die später vom Lager nichts gewusst haben wollten, erinnerte Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris. So wie es der Schriftsteller Jürgen Rennert einst formuliert habe: „Was wir sahen, haben wir nicht gesehen. Was wir hörten, haben wir nicht gehört.“ Im Februar 1945 sei das Lager aufgelöst und dann ein Mantel des Schweigens darüber gebreitet worden. Im Jahr 2000 hätten die jüdische, katholische und evangelische Gemeinde den Anstoß zur Errichtung eines Mahnmals gegeben, das 2001 enthüllt worden sei. „Die Stadt Magdeburg hat aus ihrer Vergangenheit gelernt“, betonte die Oberbürgermeisterin. „Wir dürfen nicht wegsehen und weghören, wenn Unrecht geschieht. Magdeburg ist eine Stadt für alle.“
Vergangenheit vergegenwärtigen, Zukunft gestalten
Mit dem Holocaustgedenktag werde ein Schritt getan, die Zukunft der Erinnerung zu sichern, erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Man müsse sich die Vergangenheit vergegenwärtigen, um die Zukunft gestalten zu können. Dafür bedürfe es auch Orte der Erinnerung in der nächsten Umgebung, um das Geschehene besser begreiflich zu machen. Der Holocaust sei auch Teil der Geschichte unseres Landes, so Haseloff. Nur aus dem Wissen darüber könne und müsse das Gewissen erwachsen.
90 Jahre „Machtergreifung“
Am 30. Januar 1933 gipfelte die oft zitierte „Machtergreifung“ der Nazis in derErnennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Da jedoch keine mehrheitsfähige Regierung zustande kommen könne, ordnete Reichspräsident Paul von Hindenburg schon zwei Tage später, am 1. Februar 1933, die Auflösung des Reichstags und Neuwahlen an, die am 5. März 1933 stattfinden sollten. Durch Notverordnungen wurde allerdings das demokratische Prinzip so weit ausgehebelt, dass der direkte Weg in die nationalsozialistische Diktatur geebnet war.
Schon am 4. Februar 1933 wurden durch die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ die Versammlungs- und Pressefreiheit weitgehend eingeschränkt und dem damaligen Reichsinnenminister Wilhelm Frick (NSDAP) weitreichende Vollmachten verliehen. Auf Basis der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, verkündet am 28. Februar 1933 (am Tag nach dem Reichstagsbrand), wurden so gut wie alle Bürgerrechte außer Kraft gesetzt und Tausende politische Gegner der völkischen Regierung verhaftet.
Die für den 5. März 1933 angesetzten Reichstagswahlen fanden tatsächlich noch statt. Die NSDAP errang zusammen mit der DNVP eine knappe Mehrheit. Drei Tage später wurden der KPD die errungenen Reichstagsmandate aberkannt. Durch das Erlöschen der Mandate wurde die nötige Zweidrittelmehrheit sichergestellt, um anschließend das folgenschwereErmächtigungsgesetz zu verabschieden. Durch dieses ging die Gesetzgebung vom Parlament auf die Reichsregierung über – in der Retrospektive ein weiterer, ein bedeutender Schritt in der Abschaffung der Demokratie und der Installierung einer nationalsozialistischen Diktatur – mit all ihren katastrophalen Folgen.
Historischer Ort der Nazi-Verbrechen
Die Kranzniederlegung fand am Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des KZ-Außenlagers „Magda“ in der Havelstraße/Ecke Heinrichsberger Straße statt. Das von dem Metallplastiker Peter Hinz und dem Schriftsteller Jürgen Rennert geschaffene Mahnmal war am 26. Januar 2001 enthüllt worden. Es erinnert an das KZ-Außenlager „MAGDA“, das sich 1944/45 in unmittelbarer Nachbarschaft befand.
Ab Juni 1944 waren 2 170 zumeist ungarische Juden des Konzentrationslagers Buchenwald in das KZ-Außenlager „Magda“ in Magdeburg-Rothensee überführt und zur Schwerstarbeit für die Braunkohle-Benzin AG (BRABAG) gezwungen worden. Bis zur Auflösung des Lagers im Februar 1945 kamen 550 Häftlinge ums Leben.