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Plenarsitzung

Schülergespräch mit Moshe Zimmermann

Wie war es für ihn, als er zum ersten Mal in seinem Leben Deutschland besuchte? Ist es gefährlich nach Israel zu reisen? Oder: Wie bewerten Sie das Wiederaufkommen von rechtsradikalen Tendenzen in Deutschland? Diese und andere Fragen stellten 40 Gymnasiasten aus dem Dr.-Carl-Hermann-Gymnasium Schönebeck (Elbe) dem israelischen Historiker Prof. Dr. Moshe Zimmermann in einer Gesprächsrunde anlässlich des Holocaustgedenktages 2020 im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Neugierig auf seine deutschen Wurzeln

Moshe Zimmermann wurde 1943 als Kind deutscher Juden in Jerusalem geboren, nachdem seine Eltern in den 1930er Jahren aus Hamburg nach Palästina ausgewandert waren. Zunächst sprachen sie kein Deutsch mit ihm, allerdings weigerte sich seine Großmutter Hebräisch zu lernen. Um mit ihr zu kommunizieren musste er also schon früh ein paar Worte Deutsch lernen. Im Alter von 25 Jahren besuchte Zimmermann dann zum ersten Mal Deutschland, da habe er bereits gewusst, worauf er sich einlasse. Für ihn sei es „nicht komisch“ gewesen Deutsch zu lernen, schließlich gab es jede Menge deutschsprachige Bücher in seinem Elternhaus, sodass er immer um die Wurzeln seiner Familie wusste und dadurch eine gewisse Neugier entstanden sei.

Außerdem hänge es immer vom Zusammenhang und der Assoziation ab, ob eine Sprache ein „negatives Image“ habe. Denn die Deutsche Sprache sei sowohl die Sprache von Goethe und Schiller, ebenso wie die der Nationalsozialisten. Wie auch bei allen seinen folgenden Antworten plädierte Prof. Moshe Zimmermann in diesem Fall für eine differenzierte Sichtweise.

Keine Frage der Schuld, sondern der Verantwortung

Ein Schüler fragte beispielsweise, was Zimmermann darüber denke, dass es ja Menschen in Deutschland gebe, die der Ansicht seien, man solle sich nicht mehr für die NS-Verbrechen entschuldigen, da die heutige Generation gar nichts damit zu tun habe. Zimmermann antwortete: Natürlich trage die Generation nach 1945 keine Mitschuld an den Verbrechen, es sei jedoch eine Frage der Verantwortung, die man als nachfolgende Generation übernehme. Das bedeute kurz gesagt in etwa soviel, dass man als Kollektiv in Deutschland die Beziehungen zu früheren Generationen aufrechthalte und etwas Konstruktives aus der Geschichte mache.

Über das Wiederaufkommen rechter Stimmungen

Das Wiederaufkommen rechter Tendenzen in Deutschland überrascht Moshe Zimmermann nicht, denn dies beobachte er schon seit 20 bis 30 Jahren. Verschiedene Studien gingen davon aus, dass etwa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung für rechtes Gedankengut empfänglich seien. Was sich in den vergangene Jahren allerdings drastisch geändert habe, seien die Möglichkeiten sich über soziale Netzwerke zu artikulieren und damit eine viel größere Reichweite mit seinen Gedanken und Worten zu erlangen. „Man sollte diese Entwicklung nicht überdramatisieren, aber auch nicht auf die leichte Schulter nehmen“, betonte Zimmermann gegenüber den Schülern aus Schönebeck (Elbe).

Auf den Satz des ehemaligen AfD-Chefs Alexander Gauland ( Zitat: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, Juni 2018) angesprochen, erwiderte Zimmermann, dass auch diese revisionistische Denkweise nicht neu sei. Es liege jedoch an der liberalen deutschen Gesellschaft zu entscheiden, ob sie solche Äußerungen akzeptieren wolle oder nicht. Natürlich lasse sich die deutsche Geschichte nicht nur auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 reduzieren, gleichzeitig könne man sie aber auch nicht ausklammern oder verharmlosen, so Zimmermann.