Wer länger denkt, bleibt lange jung!
Thesenpapier als Diskussionsgrundlage für das Forum der Generationen im Landtag von Sachsen-Anhalt
Die Autorin Ulrike Frosch M. A. ist Magdeburgerin sowie Berufs- und Betriebspädagogin und Soziologin. Gegenwärtig ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebspädagogik der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg tätig. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der arbeitsorientierten Kompetenzentwicklung und -messung, der Organisationstheorie und Organisationsentwicklung sowie der Lebenslauf- und Biographieforschung. Aktuell arbeitet sie im Projekt „Weiterbildungscampus“, in dem sie innerhalb des Teams der Organisationsentwicklung die organisationalen Rahmenbedingungen für die Initialisierung und Institutionalisierung wissenschaftlicher Weiterbildung für den Standort Magdeburg analysiert. Sie hat folgende Arbeitsthesen als Grundlage für die Diskussion in der Arbeitsgruppe „Lebenslanges Lernen“ aufgestellt.
These 1:
Lebenslanges Lernen ist eine Haltung, nicht nur Prozess.
Lebenslanges Lernen (LLL) ist auf das Nebeneinander von Arbeiten, Weiterbildung, Freizeit und sozialem Engagement ausgerichtet und soll den stetigen Kompetenzzuwachs des Einzelnen fördern. LLL setzt dabei auf die Freiheit, Inhalte und Formen des Lernens, die gut für die eigene (berufliche) Entwicklung sind, selbst auszuwählen. Aber bereitet die schulische Bildung und berufliche Ausbildung genügend auf die damit einhergehenden Anforderungen vor?
These 2:
Es braucht ausreichend Gelegenheiten und leichte Zugangsmöglichkeiten für lebenslanges Lernen.
Bildung war noch nie so vielen Menschen zugänglich, wie heute. Bildungseinrichtungen boomen, es gibt zahlreiche Angebote in unterschiedlichen Formaten (Präsenzveranstaltungen, Online-Kurse, gemischte Varianten). Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass obwohl in Deutschland ein Zuwachs an Weiterbildungsaktivitäten zu verzeichnen ist, beispielsweise Arbeitslose, Teilzeiterwerbstätige, Arbeiterinnen und Arbeiter, Un-/Angelernte und Geringverdienende nicht in dem Maße von Weiterbildungsangeboten profitieren können, wie andere Teilgruppen. Das bezieht sich sowohl auf die Teilhabe (den Zugang) an zielgruppenspezifischen Angeboten als auch auf die persönlich motivierte, aktive Teilnahme. Was macht die Teilhabe und Teilnahme für unterschiedliche Zielgruppen aus? Wie können sie ggf. gefördert werden?
These 3:
Lebenslanges Lernen ist mehr als eine individuelle Aufgabe, es ist ein gesellschaftlicher Auftrag.
Lebenslanges Lernen setzt auf die individuelle Freiheit, im Lebensverlauf geeignet erscheinende Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Im Kontext der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik entsteht jedoch ein Spannungsfeld zwischen persönlichen Interessen und den gesellschaftlichen Anforderungen. Die demografische Entwicklung wird in den nächsten Jahren spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Land Sachsen-Anhalt haben. So wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um ca. 26 % abnehmen. Hauptengpässe wird es vor allem im Bereich der Gesundheits- und Sozialberufe geben. Wie ist das in Einklang zu bringen?
These 4:
Nicht das tatsächliche Alter, sondern das vorherrschende Altersbild dominiert die Teilnahme und Teilhabe an lebenslangem Lernen.
Bildung ist eine der wichtigsten Ressourcen der Zukunft. Wissenschaftliche Studien (zum Beispiel OECD-Studie von 2010) belegen, Investitionen in Bildung haben für ein Land eine hohe Rendite. Investitionen in Bildung werden jedoch z. T. sehr unterschiedlich getätigt. Schaut man sich beispielsweise den Adult Education Survey an, eine Datenerhebung über die Beteiligung und Nichtbeteiligung Erwachsener am lebenslangen Lernen, lässt sich für die vergangenen Jahre (2010–2016) festhalten, dass die Altersklasse der 55- bis 64-Jährigen insgesamt am wenigsten – sowohl an betrieblicher Weiterbildung als auch an Weiterbildung insgesamt – partizipieren. Die 18- bis 24-Jährigen weisen ebenfalls eine geringe Beteiligung und ein geringeres Volumen an Weiterbildung gegenüber den 25- bis 54-Jährigen auf. Woran könnte das liegen? Welche Altersgruppen sollten von (Weiter-)Bildungsangeboten profitieren und warum? Intergenerative Bildungsangebote...?
These 5:
Bildungsangebote müssen sich an den Lebensphasen orientieren und Entwicklungsperspektiven aufzeigen. Lebenslanges Lernen muss für den Lernenden einen Sinn ergeben.
Der Lebenslauf verliert durch diverse gesellschaftliche Wandlungsprozesse seine frühere starre Strukturierungskraft in Schule, Ausbildung, Beruf und Ruhestand und ermöglicht bzw. erfordert größere individuelle Gestaltungsspielräume. Damit einher geht die Zunahme von individuellen Entscheidungen, sowohl die berufliche Entwicklung betreffend als auch bezogen auf das Abwägen von Möglichkeiten und Grenzen einzelner Bildungsangebote. Entscheidend für die aktive Teilnahme an Bildungsangeboten ist somit, dass sich für den Einzelnen in seiner spezifischen Lebenslage Entwicklungsmöglichkeiten auftun. Doch wie kann eine solche Orientierung an den Lebensphasen erreicht werden? Welche Erwartungen richten sich damit an beteiligte Akteure (Bildungsanbieter, Politik, Arbeitgeber)?