„Mit einem Klick durchs Leben?“
Thesenpapier als Diskussionsgrundlage für das Forum der Generationen im Landtag von Sachsen-Anhalt
Der Autor Jan Knipperts befasst sich als Demographie-Experte der Bertelsmann Stiftung intensiv mit den Herausforderungen des demographischen Wandels und der Digitalisierung für Städte und Gemeinden. Er ist Mitherausgeber der in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut entstandenen Studie der Bertelsmann Stiftung „Mobilität und Digitalisierung: Vier Zukunftsszenarien“. Er hat folgende Arbeitsthesen als Grundlage für die Diskussion in der Arbeitsgruppe „Mobilität und Digitalisierung“ aufgestellt.
These 1:
Die Digitalisierung ermöglicht Mobilitätsangebote, die deutlich besser mit verschiedenen Lebensstilen und Anforderungen in Einklang zu bringen sind.
Unsere Anforderungen und Bedarfe, um von einem Ort zum anderen zu kommen, sind sehr unterschiedlich. Im hohen Alter noch mobil sein zu können, stellt gänzlich andere Anforderungen an die Wahl des Mobilitätsmittels als die Organisation eines sicheren Schulweges für die Kinder oder der schnellstmöglichen Strecke zur Arbeit. Durch die zunehmende Verfügbarkeit und Vernetzung von Informationen zu verfügbaren Verkehrsmitteln, Fahrtzeiten oder Mitfahrgelegenheiten wird es möglich, an jedem Ort und ganz spontan das passende Verkehrsmittel zu wählen. Online buchbare Carsharing- und Mitfahrangebote gewinnen daher zunehmend an Bedeutung.
These 2:
Ältere Menschen können von den digitalen Unterstützungsmöglichkeiten besonders profitieren.
Immer leistungsfähigere Assistenzsysteme unterstützen uns beim Fahren und moderne Fahrzeuge können bereits in immer mehr Situationen selbstständig agieren (zum Beispiel automatisches Einparken oder im Stau fahren) und werden in Zukunft komplett selbstständig fahren können. Diese Entwicklung macht es zunehmend einfacher, auch mit körperlichen Beeinträchtigungen und bis in das hohe Alter hinein selbstständig mobil zu sein.
These 3:
Die bei einer digital unterstützten Mobilität anfallenden Daten sind ein enormes Risiko.
Bereits heute sammelt ein modernes Auto pro Stunde etwa 25 Gigabyte an Daten und in Zukunft werden es noch deutlich mehr sein. Diese Daten ermöglichen lückenlose Bewegungsprofile und auch genaue Profile des Fahrers, seines Gesundheitszustands und seines Fahrverhaltens. Bei einer intelligenten und umfassenden Vernetzung der Verkehrsteilnehmer und ihrer Umwelt ist es nahezu unmöglich, einen Datenschutz aufrecht zu erhalten. Zudem werden Daten ein immer wichtigeres Wirtschafsgut, sodass hier starke Interessen von Versicherern, Herstellern und Dienstleistern der Privatsphäre dem Datenschutz gegenüberstehen.
These 4:
In Zukunft wird es seltener notwendig sein, überhaupt an einen anderen Ort zu fahren.
Ob Einkäufe, Bankgeschäfte oder Behördengänge, immer mehr lässt sich komfortabel online erledigen, bestellen oder beauftragen. Hinzu kommen Entwicklungen, wie Telemedizin und Onlinekurse und die Möglichkeiten, auch von zu Hause zu arbeiten. Das führt dazu, dass viele bisher zwingend notwendige Wege eingespart werden können.
These 5:
Die durch die digitale Unterstützung gewonnene Zeit ist keine Freizeit.
Dank digitaler Technik gibt es in Zukunft weniger Staus, wir kommen einfacher und schneller von einem Ort zum anderen und im Idealfall können wir dabei im selbstfahrenden Auto entspannen, schlafen oder mit dem Partner/der Partnerin gemütlich einen Film sehen? Die Vorstellungen von Arbeitgebern dürften hier aber ganz andere sein! Nicht nur das Fahrzeug lässt sich dann effizienter einsetzen, sondern auch der Fahrer.
These 6:
Digitalisierung trägt dazu bei, die Kosten für Mobilität zu senken, mehr Menschen Teilhabe zu ermöglichen und die Umwelt zu schützen.
Durch digitale Technik und die Verfügbarkeit von Informationen können Leerfahrten vermieden und Angebote realisiert werden, die sich stets am tatsächlichen Bedarf orientieren. Die Kosten zur Bereitstellung von Mobilitätsangeboten werden daher in Zukunft sinken. Die Reduzierung von Mobilität, ein effektiv gelenkter Straßenverkehr mit durchgehend verfügbaren Informationen um Staus auszuweichen und Parksuchverkehr zu vermeiden, sowie die Vermeidung von Leerfahrten im ÖPNV tragen zudem wesentlich dazu bei, die Folgen des Autoverkehrs für die Umwelt zu reduzieren.