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Plenarsitzung

Erstes DDR-Playmate

In den Wendemonaten nach dem Mauerfall 1989 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 gab es für viele Dinge ein erstes Mal. Das erste Mal im Supermarkt westlichen Typs einkaufen, die erste D-Mark in Händen halten oder zum ersten Mal wirklich frei entscheiden, wer in den Kommunal- und Landesparlamenten regiert. Es waren spannende und aufregende Monate, in denen sich tagtäglich die Veränderungen des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchs zeigten.

Zahnarzthelferin lässt Hüllen fallen

Gleich zu Beginn des Jahres 1990 sorgte die damals 21-jährige Zahnarzthelferin Anja Kossak aus Magdeburg bundesweit für Schlagzeilen. Als erstes DDR-Playmate wurde sie die „Miss Januar“ im Playboy – dem berühmtesten Männermagazin der Welt, und das obwohl ihre Körpermaße mit „82-58-89“ nicht ganz dem Ideal entsprachen. Auf acht Seiten wurde Kossak abgebildet, inklusive Poster zum Ausklappen. Damit trat die Hobbytänzerin in die Fußstapfen von Marilyn Monroe, die 1953 als junges Playmate das überhaupt erste Cover des Playboys zierte.

„Nicht verklemmt und keine grauen Mäuse“

Die Nacktfotos von Anja Kossak lösten im Januar 1990 ein riesiges Medienecho aus, mit dem die Blondine selbst nie gerechnet hätte. Zur Pressekonferenz bei der Veröffentlichung der Fotos kamen Journalisten aus ganz Deutschland ins Grand Hotel nach Berlin. Selbst die SED-Zeitung „Neues Deutschland“ druckte ein Aktfoto der hübschen Magdeburgerin ab. Kossak sagte damals, sie wolle zeigen, dass die Mädchen in der DDR nicht verklemmt und keine grauen Mäuse seien.

Der ostdeutsche Fotograf Günter Gueffroy hatte über einen Musiker von der langhaarigen Blondine erfahren und sie für seine Aufnahmen ausgewählt, obwohl sie mit den Maßen 82-58-89 und 1,63 Meter Körpergröße nicht die klassischen Kriterien eines Models erfüllte. 20 Jahre später sagte Anja Kossak in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“: „Ich hatte zwar keinen Riesenbusen, aber ich war ein ganz normales typisches DDR-Mädchen … das Gesamtpaket hat einfach gestimmt.“

Fotoshooting noch vor dem Mauerfall

Spannend an der Geschichte ist vor allem auch der Zeitpunkt des Fotoshootings, das bereits im Oktober 1989 stattgefunden hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grenzen zwischen Ost und West noch geschlossen und es gab keine offizielle Erlaubnis für das Fotoshooting seitens der Staatsorgane der DDR. Anja Kossak war also schon ein gewisses Risiko eingegangen: Was wäre gewesen, wenn die Mauer nicht gefallen wäre?

Rückblickend bereut die heute 46-Jährige nichts; Playmate zu sein, sei eine tolle Erfahrung gewesen. Allerdings würde sie im Nachhinein die Aktfotos unter diesen politischen Umständen nicht mehr machen. Auch vom Trubel um die Bilder war sie überrascht. Denn im Oktober 1989, als die Fotos gemacht wurden, konnte sie ja noch nicht damit rechnen, dass auch ihre Freunde und Arbeitskollegen im Osten die Fotos zu Gesicht bekommen würden. Die Meinungen waren damals ziemlich geteilt: Die einen sahen es als Zeichen für eine offenere Gesellschaft, die anderen befürchteten einen Werteverfall durch „westliche“ Einflüsse.

Einige Monate nach der Veröffentlichung der Fotos im Playboy zog Anja Kossak mit ihrem damaligen Freund von Magdeburg nach Oberbayern in die Nähe des Chiemsees, wo sie bis heute lebt.  

Der Text stammt aus unserem Archiv vom Oktober 2015.