Die CDU-Fraktion hatte eine Aktuelle Debatte beantragt, um sich mit den anderen Fraktionen über die aktuellen Herausforderungen der Migration (Geflüchtete aus der Ukraine, Asylsuchende generell) in Deutschland und Sachsen-Anhalt auszutauschen.
Integrationsobergrenze in Deutschland
Seit dem 24. Februar 2022 und dem Krieg in der Ukraine sehe sich Europa mit einer erneuten größeren Welle von Flüchtlingsströmen konfrontiert. Es sei eine Selbstverständlichkeit, die vor Krieg und Terror Geflüchteten aufzunehmen, sagte Chris Schulenburg (CDU). Die CDU habe aber immer auf eine Integrationsobergrenze in Deutschland hingewiesen, dies gelte beispielsweise auch bei der Integration der ukrainischen Kinder in den regulären Schulunterricht. Hilfsbedürftigen müsse geholfen werden, aber das Sozialsystem der Bundesrepublik sehe keine dauerhafte, lebenslange staatliche Alimentierung ohne Mithilfe bei der Integration vor, konstatierte Schulenburg. Der Bund habe eine Rückführungsoffensive angekündigt, doch wo bleibe die Unterstützung für die Bundesländer, fragte der CDU-Abgeordnete. Die Abschiebepraxis des Bundes sei zu hinterfragen, denn auch sogenannte Gefährder würden nicht ausgewiesen. Das neue Chancenaufenthaltsgesetz belohne die Falschen, nämlich die, die ausreisepflichtig seien, es sei ein Amnestiegesetz für alle, die ihre Identität nicht preisgäben, so Schulenburg.
Mehr Mitbestimmung durch die Länder
Das Jahr 2022 sei hinsichtlich der Migration nach Deutschland ein Jahr mit großen Herausforderungen gewesen, die Sachsen-Anhalt bisher gut gemeistert habe, erklärte Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (CDU). Derzeit seien etwa 29 000 aus der Ukraine geflüchtete Menschen in Sachsen-Anhalt untergebracht. Die Aufnahmesituation von Asylsuchenden sei dagegen angespannt. Der Bund sei in der Pflicht, die illegale Migration beispielsweise über die Balkanroute durch vorausschauende politische Maßnahmen zu unterbinden, betonte Zieschang. Es gelte, bessere Aufnahme- und Versorgungsbedingungen in den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu schaffen, damit diese auch ihrer Verantwortung nachkommen könnten. Sachsen-Anhalts Innenministerin kündigte eine Bundesratsinitiative an, durch die für neue Aufnahmeprogramme des Bundes die Zustimmung des Bundesrats nötig würde. So würde den Bundesländern mehr Mitbestimmungsrecht zugebilligt, so Zieschang.
Abschiebeoffensive statt Integration
Dass die CDU dieses Thema anschneide, sei ein Witz, meinte Oliver Kirchner (AfD). Die CDU habe doch sechzehn Jahre in der Verantwortung gestanden und sei also Teil des Problems. Deutschland versinke im Asylchaos, es bedürfe Pushbacks an den Grenzen und Ausreisezentren für Abschiebungen, Geldleistungen dürfe es für illegale Migranten nicht geben, sagte Kirchner. In Italien und Ungarn laufe es richtig, Asylsuchende müssten zudem bei jedwedem Vergehen aus dem Prozess herausgenommen werden. Es sei auch nicht notwendig, sich beispielsweise um die Menschen aus Afghanistan oder Afrika zu kümmern, diese seien Tausende Kilometer entfernt. Zwischen ihnen und Deutschland gebe es ausreichend andere schutzgebende Länder. Die Aufnahme von über 900 000 ukrainischen Flüchtlingen koste Deutschland Unsummen. Parallel müssten viel mehr Ausländer aus Deutschland abgeschoben werden. „Wir brauchen eine Abschiebeoffensive statt Integration“, forderte Kirchner.
„Endlich ZASt in Stendal öffnen“
„Thema Ausländer läuft immer, hat man sich offenbar bei der CDU gedacht“, monierte Rüdiger Erben (SPD). Die Kommunen hätten im Frühjahr und Sommer bei der Aufnahme der aus der Ukraine Geflüchteten viel geleistet, lobte Erben. Durch das Engagement in den Schulen und Kitas funktioniere auch die Aufnahme der ukrainischen Kinder recht gut. Im Antragstext der CDU stehe sehr richtig, dass sich das Land auch beim Thema Asyl auf eine Verkomplizierung der Situation eingestellt habe. Die Situation wäre allerdings deutlich entspannter, wenn es die zweite Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) in Stendal endlich geben würde. Die CDU kritisiere, dass der Bund zu wenig gegen die illegale Migration über die Balkanroute tue; das Problem habe es allerdings schon viele Jahre zu CDU-Regierungszeiten im Bund gegeben, erinnerte Erben.
Immer so agieren wie bei Ukraine-Flüchtlingen
Henriette Quade (DIE LINKE) meinte, es gehe der CDU-Fraktion nicht um einen ernsthaften Vorschlag, sondern eher darum, dass die Innenministerin auf Bundesebene jetzt der SPD angehöre. Ihrer Ansicht nach sei es wichtig, für Verstärkung in den Ausländerbehörden zu sorgen, um die Kommunen und Landkreise auf diese Weise zu unterstützen. Stattdessen plane die CDU im kommenden Haushalt, Gelder für die Integration zu streichen. In der Ukraine-Krise habe der Staat gezeigt, wie gut und problemlos die Aufnahme von Flüchtlingen funktionieren könne. Dies müsste als positive Schablone für die gesamte Migrationspolitik gelten. Wer illegale Flucht bekämpfen wolle, der müsste ein solidarisches und menschenwürdiges legales Asylsystem schaffen. Die CDU-Fraktion sollte sich entscheiden, auf welcher Seite der Gesellschaft sie stehen wolle.
Zuwanderung nach klaren Regeln
Guido Kosmehl (FDP) erklärte eingangs, dass er gehofft hätte, dass auch die CDU-Fraktion mittlerweile anerkannt hätte, dass „Deutschland ein Einwanderungsland ist“, dies scheine jedoch nicht der Fall. Die FDP plädiere in dieser Frage für ein „Vier-Türen-Modell“ mit diesen Eckpunkten: Erstens: Grundrecht auf Asyl, zweitens: subsidiärer Schutz bei Kriegen und Krisen, drittens: Zuwanderung von Fachkräften, viertens: Rückführung derjenigen, die kein Bleiberecht hätten, so der FDP-Abgeordnete. Zudem verwies er darauf, dass es zu Beginn des nächsten Jahres eine neue Regelung auf Bundesebene geben werde. Wichtig sei ihm „eine gemeinsame Politik zwischen Ländern und Bund, um bei der Zuwanderung voranzukommen“.
Neues Gesetz auf Bundesebene geplant
Es werde nicht ausreichen, mit dem Finger nur auf den Bund zu zeigen. Denn noch stelle die CDU in Sachsen-Anhalt die Innenministerin. Wenn die CDU hier Handlungsbedarf sähe, hätte sie eine direkte Ansprechpartnerin, kritisierte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Er pflichtete seinem Vorredner bei, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. Das auf Bundesebene geplante neue Gesetz hätte zudem viele Vorteile. So müssten Asylsuchende nicht ständig Angst haben, dass Sie abgeschoben würden und mehr Menschen könnten auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Außerdem würde die Arbeitsbelastung der Behörden reduziert werden, da behördenunabhängige Verbände beispielsweise die Verfahrensberatungen übernehmen könnten.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden naturgemäß keine Beschlüsse gefasst.