Mit großen Erwartungen und Optimismus hätten Ostdeutsche auf die Wiedervereinigung geblickt und Selbstverständliches in diesem gemeinsamen Land erwartet: gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Ausbildungs- und Karrierechancen, Mitsprache und Repräsentanz, Gleichberechtigung der Geschlechter sowie Renten, die im Alter ein würdevolles Leben sichern, konstatierte die Fraktion DIE LINKE. Für zu viele Ostdeutsche seien diese Erwartungen bis heute nicht erfüllt worden. Unter dem Titel „33 Jahre Deutsche Einheit – Sonntagsreden ersetzen keine Anerkennung“ hatte die Fraktion DIE LINKE eine Aktuelle Debatte zum Thema beantragt.
Geringschätzung von Menschen ist ein Problem
In der Debatte gehe es um ungleiche Chancen, denn die Menschen im Osten Deutschlands könnten noch immer weniger erreichen als ihre Mitmenschen in Westdeutschland, konstatierte Eva von Angern (DIE LINKE). „Wir leisten uns seit über 30 Jahren eine strukturelle Abwertung“, denn die Altenpflegerin mache beispielsweise in jeder Region die gleiche Arbeit. „Diese Geringschätzung von Menschen ist demokratisch ein Problem.“ Die Niedriglohnstrategie sei eng verbunden mit der Politik der CDU-Landesregierung, die sich lange gegen die Einführung des Mindestlohns ausgesprochen habe. Die Lohnlücke Ost mache sich natürlich auch negativ bei den Renten bemerkbar, monierte die Linken-Abgeordnete.
Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) erklärte in Vertretung von Sozialministerin Petra Grimm-Benne: „Nicht Polarisierung, sondern Gemeinsinn und Kooperation sind das Gebot der Stunde!“ Enttäuschungen über die Härten der Marktwirtschaft wirkten bei vielen Menschen bis heute nach, dies gelte es immer zu berücksichtigen. Das zentrale Rententhema hätte das Gefühl verstärkt, dass die Menschen im Osten zweitklassig seien.
Zur Wahrheit gehöre leider, dass der durchschnittliche Bruttolohn im Osten noch immer deutlich unter dem im Westen liege. Zwar hätten die östlichen Bundesländer beachtliche Fortschritte gemacht, gutbezahlte Jobs gebe es jedoch vor allem in den Ballungsgebieten, die im Osten rar seien. Grundsätzlich halte die Sozialministerin das von der Fraktion DIE LINKE gezeichnete Bild der Gesellschaft für ein „Zerrbild“, zitierte Willingmann. Denn bei Arbeitsmarkt und Rente sei man seit einigen Jahren auf einem guten Weg.
„Ossi“ und „Wessi“ gibt es für Jugend nicht mehr
„Alles Mist und die DDR ist nicht schuld!“, so könnte man die Aktuelle Debatte der Fraktion DIE LINKE zusammenfassen und dies hielt Dr. Katja Pähle (SPD) für „schwach“. Anstatt zurück wollte sie nach vorn blicken und schauen, welche Chancen sich für den Osten in Zukunft böten. Dazu sei es nötig, neue Wertschöpfungsketten und gutbezahlte Jobs zu schaffen. Außerdem verwies sie darauf, dass der Mindestlohn weiter steigen müsse. Dass es weiterhin Defizite im Rentenrecht gebe, räumte Pähle jedoch ein. Wichtig sei zudem die Frage, wie attraktiv Sachsen-Anhalt zukünftig für Zuwanderung sei. Sich immer nur auf die Frage der Herkunft zu fixieren, sei nicht der richtige Weg, meinte Pähle. Die jetzige Generation könne mit den Begriffen „Ossi“ und „Wessi“ einfach nichts mehr anfangen.
Ulrich Siegmund (AfD) unterstrich, dass er ostdeutsch sozialisiert worden und darauf stolz sei, aber natürlich sei er deswegen nichts Besseres. „Was man mit Ostdeutschland gemacht hat, war falsch“ und viele Menschen litten noch heute darunter. Allerdings würden viele Straßen in Dortmund heute so aussehen wie kurz nach der Wenige hierzulande. Die Menschen in Ostdeutschland wollten keine Zustände wie in vielen westdeutschen Großstädten. Im Osten sei es nicht nötig, dass man ein Freibad mit Hundertschaften schützen müsse. Zudem hätte man Mann und Frau einfach auf der Straße erkannt, so Siegmund. Dies seien nur zwei Gründe warum die Menschen in Ost- und immer mehr auch in Westdeutschland die AfD wählen würden.
Optimismus statt Weltuntergangsstimmung
Der AfD-Abgeordnete hätte das Thema nur für seine Plattitüden missbraucht, kritisierte Andreas Silbersack (FDP). Es sei richtig, dass das Vermögen nicht so verteilt worden sei, wie man es sich gewünscht hätte. Allerdings stünde der Osten ohne viele Investitionen aus Westdeutschland nicht da, wo er heute sei. Der Antrag der Linken sei respektlos gegenüber dem Erreichten und überhaupt nicht positiv. Silbersack verwies auf die Entwicklungen in Rumänien oder Bulgarien, die Menschen dort würden diese Diskussion überhaupt nicht verstehen. Man müsse die Zukunft mit breiter Brust angehen und gemeinsam versuchen, das Land voranzubringen. „Wir brauchen Zuversicht und Optimismus und nicht den Weltuntergang von links und rechts!“
Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fragte, wie viele begeisterte Feiern es zum Einheitstag gegeben hätte. Viele Menschen hätten ein Gefühl der Fremdbestimmung. Vielleicht wäre es schon anders gewesen, wenn der 9. Oktober zum Feiertag erklärt worden wäre. Es sei in den letzten 30 Jahren nicht genug hingehört worden, was die Menschen im Osten zu sagen gehabt hätten, viele Biographien seien nicht beachtet worden. „Eine echte Wiedervereinigung auf Augenhöhe hat nicht stattgefunden.“ Obwohl es weiterhin Trennendes zwischen Ost und West gebe, sei die Wiedervereinigung grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte. Mit Blick auf die Zukunftsinvestitionen und Innovationen stehe Ostdeutschland sogar richtig gut da.
Linke zeichnet Zerrbild der Realität
Die Schwarzmalerei der Fraktion DIE LINKE sei traurig und zeichne ein stark verzerrtes Bild der Realität. Es überrasche ihn nicht, dass die Menschen in Sachsen-Anhalt den Linken nach der Wende nie einen Regierungsauftrag übertragen hätten, meinte Guido Heuer (CDU). Die Wirtschaft der DDR hätte nach der Wende am Boden gelegen, die DDR sei bankrott gewesen und mit der Wiedervereinigung hätten die Menschen schlagartig einen großen Wandel vollziehen müssen. Der Wandel hätte jedoch auch enorme Chancen ermöglicht. Natürlich habe der Transformationsprozess auch negative Folgen für viele Menschen gehabt. Die CDU-Landtagsfraktion werde sich weiterhin für die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West einsetzen, versicherte der CDU-Abgeordnete.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden naturgemäß keine Beschlüsse gefasst.