Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verfassungsschutzes und der Sicherheitsüberprüfung im Land Sachsen-Anhalt soll der im Jahr 2012 begonnene Reformprozess im Verfassungsschutz fortgeführt werden. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Reform des Verfassungsschutzes beim Bund und in den Ländern seien unverzichtbar, so die Landesregierung. In Sachsen-Anhalt wird diesem Novellierungserfordernis mit dem vorliegenden Gesetzentwurf entsprochen. Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt soll so auf eine moderne und tragfähige gesetzliche Grundlage gestellt werden. Parallel dazu wurde ein Antrag der AfD-Fraktion beraten.
Neue Regelungen für Einsatz von V-Leuten
Insbesondere die Empfehlungen unter Nr. III. des Abschlussberichtes des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode im Deutschen Bundestag (NSU) sowie das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. April 2013 (informationelle Trennungsprinzip zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei) würden sich im Gesetzentwurf widerspiegeln, erklärte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) bei der Einbringung des Gesetzes.
Der Gesetzentwurf sorge für eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes und einer besseren Transparenz. So solle es zukünftig zwei öffentliche Ausschusssitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission geben, die dann Parlamentarisches Kontrollgremium heißen werde, so der Minister. Außerdem beinhalte der Gesetzentwurf geränderte gesetzliche Rahmenregelungen für den Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckten Mitarbeitern. Des Weiteren enthält das Gesetz Präzisierungen der Regelungen zur Informationsübermittlung von der Verfassungsschutzbehörde an die Polizei und an andere Behörden unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung sowie der Speicherung von Daten.
Stahlknecht sagte weiter, das Thema des AfD-Antrags, der parallel zum Gesetzentwurf behandelt wurde, sei bereits Thema einer Kleinen Anfrage gewesen und daher völlig obsolet. Die geäußerten Datenschutzbedenken seien unberechtigt. Eine grundsätzliche Abschaffung des Verfassungsschutzes, wie immer mal wieder aus einer bestimmten politischen Richtung gefordert, lehnte Stahlknecht ab.
AfD-Antrag gegen Weitergabe von Daten
Daniel Roi (AfD) ist überzeugt, „dass der Verfassungsschutz in politisch aufgeladenen Zeiten immer offensichtlicher politisch beeinflusst ist. Er wird zum Instrument, um die Opposition zu diskreditieren und kleinzuhalten“, diese belege nicht zuletzt das Beispiel Hans-Georg Maaßen (ehemaliger Verfassungsschutzpräsident), der wohl nicht stark genug gegen die möglichen rechtsextremen Tendenzen in der AfD vorgegangen sei und deshalb entlassen worden sei. Ein weiteres Beispiel sei die Entlassung des Ostbeauftragten nach der Wahl in Thüringen.
Roi ging außerdem auf den Antrag seiner Fraktion ein, darin soll die Landesregierung aufgefordert werden, sich von der Sicherheit personenbezogener Daten im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu überzeugen und so lange keine personenbezogenen Daten mehr an dieses zu übersenden, bis gewährleistet sei, dass Datensicherheit beim BfV hergestellt sei.
Die Sensibilität der Daten sei insbesondere im Zusammenhang mit politischen Überzeugungen offensichtlich, zumal diese Daten auch Informationen zu Bürgern enthielten, die weder einer Beobachtung noch irgendeinem Verdacht unterlägen. Der Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt würde derzeit einfach Daten an den BfV weitergeben, obwohl sie wüssten, dass es dort ein „Datenleck“ gebe. Mit dem Antrag würden demnach lediglich die Rechte der Bürger geschützt werden, so Roi.
Linke begrüßen mehr Transparenz
Es sei bekannt, dass ihre Fraktion eine sehr kritische Meinung gegenüber dem Verfassungsschutz habe und langfristig für eine Abschaffung eintrete, erklärte Eva von Angern (DIE LINKE). Gleichzeitig sei ihr bewusst, dass durch die Arbeit der Behörde in der Vergangenheit auch rechtsextreme Straftaten haben verhindert werden können. Aufgrund der immer noch großen Intransparenz im BfV müsse man dennoch fragen dürfen: „Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz?“ Zudem sei sie noch immer überzeugt: „Der beste Verfassungsschutz bleiben mündige Bürger.“
Mit Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung sagte von Angern, die Fraktion DIE LINKE lehne die Weiterleitung von Daten von 14- bis 16-Jährigen ab, ebenso die Einführung eines Staatstrojaners. Die im Entwurf angelegte Entwicklung zu mehr Transparenz werde dagegen begrüßt. Der AfD-Antrag zeige in allererster Linie, worauf die AfD hinauswolle. Ihr gehe es darum, dass sie selbst vom BfV nicht mehr als Verdachtsfall eingestuft werde.
SPD begrüßt Gesetzentwurf
Rüdiger Erben (SPD) unterstrich: „Wir ziehen mit dem Gesetzentwurf die Konsequenzen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss.“ Mittlerweile habe sich die Welt jedoch weitergedreht und man müsse darauf achten, dass sich Verfassungsfeinde nicht über den Verfassungsschutz kaputtlachten (Stichwort: Messenger). Den Antrag der AfD-Fraktion lehnte er ab, nach dem Vortrag des Abgeordneten Roi bedürfe es dazu keiner erklärenden Worte mehr, so Erben.
AfD: Keine Nachteile wegen anderer Meinung
Der Verfassungsschutz dürfe nicht dazu genutzt werden, Menschen zu diffamieren oder einzuschüchtern, die andere politische Meinungen verträten, kritisierte Mario Lehmann (AfD). Eine Beobachtung von Bürgern, nur weil sie unliebsame politische Ansichten hätten, dürfe es nicht geben. Er habe den Eindruck, dass die konservative Opposition in ihren Rechten eingeschränkt werden soll, dazu gehöre auch die personelle Entfernung von AfD-Mitgliedern aus dem öffentlichen Dienst. Ein Verfassungsschutz, der sich für die Meinungsfreiheit einsetze, werde von seiner Fraktion selbstverständlich unterstützt. Allerdings dürfe dies nicht dazu führen, dass Menschen Nachteile hätten, die sich gegen den vorgegebenen „politischen Meinungseinheitsbrei“ äußerten.
Grüne: Analysekompetenz stärken
Der vorliegende Gesetzentwurf sei ein wichtiger Schritt zur Modernisierung des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt, schätzte Sebastian Striegel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein. Der Entwurf enthalte beispielsweise neue Regeln für den Einsatz von V-Leuten, Maßnahmen für mehr Transparenz und eine stärkere Vernetzung und den Austausch einzelner Kontrollgremien über die Landesebene hinaus. Seiner Ansicht nach brauche es im Verfassungsschutz zukünftig nicht mehr „technisches Equipment“ und Überwachung, sondern man müsse die „Analysekompetenz“ stärken. Dazu gehöre, zu akzeptieren, dass die größte Gefahr für die deutsche Gesellschaft derzeit vom Rechtsextremismus ausgehe. Mit dem Gesetzentwurf sei zudem die schwierige Aufgabe gelungen, zwischen Freiheit und Sicherheit abzuwägen.
CDU: Alle technischen Mittel ausschöpfen
Chris Schulenburg (CDU) erklärte: „Freiheit braucht Sicherheit!“ Es sei nicht nur Aufgabe des Staates, das Sicherheitsgefühl der Menschen nach Anschlägen von Halle und Hanau durch verstärkte Polizeipräsenz zu stärken und Straftaten konsequent zu verfolgen, sondern ein Land brauche auch einen funktionierenden modernen Verfassungsschutz. Dieser müsste ausreichend Befugnisse erhalten, dazu gehörten auch alle technischen Mittel (Stichwort: Skype-Chat, Whats-App-Nachrichten lesen dürfen, Quellen-TKÜ). Wenn man den Kampf gegen den Rechtsextremismus ernst meine, dann müsste man auch solchen Maßnahmen zustimmen, forderte Schulenburg mit Blick auf die Grünen, denn „analoge Politik“ sei eine Gefahr in der heutigen digitalen Welt.
Am Ende der Debatte wurde der Antrag der AfD-Fraktion abgelehnt, der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.