Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch hat am Mittwoch, 29. Januar 2020, den Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) Belgiens, S.E. Oliver Paasch, im Landtag empfangen. Der 48-Jährige Paasch kam mit einer vierköpfigen Delegation, in der unter anderem auch die Leiterin der Außenbeziehungen des Ministeriums von Ostbelgien und der Botschaftsrat waren.
Obwohl die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) Belgiens nur knapp 78.000 Einwohner hat (weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung Belgiens), ist sie politisch ein eigenständiger Gliedstaat des belgischen Föderalstaates. Er liegt ganz im Osten des Landes und grenzt an Deutschland, die Niederlande und Luxemburg. Die meisten regionalen Zuständigkeiten übt die Wallonische Region auf dem Gebiet der DG aus.
Nach dem Ersten Weltkrieg legte der 1919 unterzeichnete Friedensvertrag von Versailles fest, dass das Deutsche Reich dem Königreich Belgien die drei Grenzgebiete Eupen, Malmedy und Sankt Vith überlassen musste. Die Vereinbarung trat am 10. Januar 1920 in Kraft – also genau vor 100 Jahren. Heute gehen einige Experten davon aus, dass die in Ostbelgien lebende Bevölkerung – aufgrund ihrer vielen Rechte und Freiheiten – die bestgeschützte Minderheit Europas sei.
Bürgerrat sorgt europaweit für Ausehen
Die DG ist eine der drei belgischen Gemeinschaften mit eigenen Zuständigkeiten in den sogenannten personenbezogenen Angelegenheiten. Außerdem übt sie einige regionale Befugnisse aus: Denkmal- und Landschaftsschutz, Beschäftigung sowie Aufsicht und Finanzierung der Gemeinden. Diese Bereiche wurden ihr nach und nach von der Wallonischen Region übertragen. Das Parlament der DG zählt 25 Abgeordnete, die alle fünf Jahre direkt gewählt werden. Sie wählen dann die Regierung mit vier Ministern.
Europaweit einen Namen machte sich die DG im September 2019 als das DG-Parlament beschloss einen Bürgerdialog mit anschließendem Bürgerrat zu initiieren. Damals sagte Ministerpräsident Oliver Paasch: „In dieser Form sind wir die ersten in der Welt!“ In den Bürgerrat werden per Losverfahren Bürger entsandt, die sich für eine bestimmte Zeit an der Regionalpolitik des Landes beteiligen. Sie können Vorschläge ins Parlament einbringen und nachfragen, warum etwas nicht umgesetzt werden kann. Regierung und Parlament sollen auf die Vorschläge und Ideen der Bürger reagieren.
Europagedanke prägt Land und Leute in Ostbelgien
Der Europagedanke prägt die Identität und das Bewusstsein der Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft sehr. Die Menschen pflegen zahlreiche grenzüberschreitende soziale, geschäftliche und kulturelle Kontakte zu den europäischen Nachbarregionen. Viele kommunizieren nicht nur in der deutschen Muttersprache, sondern ebenfalls in Französisch und Niederländisch. Ministerpräsident Oliver Paasch lebt den Europagedanken ebenfalls, bereits 1994 war er Gründungsmitglied der Bewegung „Jugend für Europa“.