Mit dem Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutsche Reich endeten am 8. Mai 1945 der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg und die Herrschaft der Nationalsozialisten. Der 8. Mai soll daher auf Anregung der Fraktion DIE LINKE in der Öffentlichkeit als „Tag der Befreiung“ vom Nationalsozialismus mit einem Gedenk- bzw. Feiertag verankert werden. Die Landesregierung soll gebeten werden, am 8. Mai 2020 – im Jahr also des 75. Jahrestags – gemeinsam mit dem Landtag einen öffentlichen Gedenkakt auszurichten. Zudem soll sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einzusetzen, den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zum bundesweiten Feiertag zu erklären.
Kontinuitäten erkennen, Folgen analysieren
Spreche man über das Ende des Zweiten Weltkriegs, müsse man auch über dessen Beginn und dessen Verlauf sprechen – über die zahllosen Kriegsverbrechen der Deutschen. Die Verbrechen von SS und Wehrmacht seien keine spontanen Aktionen gewesen, sondern geplante Brutalität und Vernichtung, rekapitulierte Henriette Quade (DIE LINKE). Nicht die Deutschen, sondern die Truppen der Alliierten hätten die Shoa gestoppt, „sie zwangen die Wehrmacht zur bedingungslosen Kapitulationen und befreiten die Gefangenen aus den Konzentrationslagern“.
Anders als in der Bundesrepublik sei der 8. Mai in der DDR bereits als „Tag der Befreiung“ begangen worden – allerdings eingebunden in das propagandistische System des angeblich antifaschistischen DDR-Staates. In Deutschland habe es zig Millionen Menschen gegeben, die den Verbrechen zugestimmt oder sie zumindest schweigend hingenommen hätten, erinnerte Quade. Der industrielle Massenmord sei nicht von ein paar wenigen Wahnsinnigen durchgeführt worden, sondern er sei bürokratisch geordnet und industriell von Tausenden von Tätern vollzogen worden.
Jüdisches Leben sei auch heute in Deutschland gefährdet – die Überfälle in Halle hätten dies belegt. „Dass wieder Faschisten, Rassisten und Neonazis in deutschen Parlamenten sitzen, ist ein gesellschaftliches und politisches Versagen“, konstatierte Quade. Es gelte, Kontinuitäten des Nationalsozialismus zu erkennen, Folgen zu analysieren und dagegen vorzugehen. Der 8. Mai soll als Feiertag begangen werden, der daran erinnert, dass die Alliierten die Nationalsozialisten niedergeschlagen hätten, so Quade.
Bundeseinheitliche Regelung
Am Ende des Zweiten Weltkriegs habe eine weltweite Koalition das verbrecherische Regime der Nationalsozialisten niedergerungen, erinnerte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Der 8. Mai 1945 stelle eine historische Zäsur dar und habe folgerichtig eine besondere Stellung in Deutschland inne. Die Erinnerung an die Folgen totalitärer Regime müsse auch in der heutigen Generation verwurzelt sein – dies liege vornehmlich auch in der deutschen Verantwortung. Eine dauerhafte Einrichtung eines solchen Feiertags sollte allerdings – wenn – bundeseinheitlich geregelt sein.
Ende des NS-Terrors
Zum 75. Mal jähre sich in diesem Jahr die Befreiung vom nationalsozialistischen Regime, sagte Rüdiger Erben (SPD); der Antrag der Linken stoße auf Zustimmung. Für die Opfer bedeutete der 8. Mai 1945 das Ende des unmenschlichen NS-Terrors in all seinen Facetten. Der Tag habe das Ende von Besatzung, Unterdrückung und Massenmord bedeutet. Es sei die richtige Konsequenz, den 8. Mai zum bundeseinheitlichen Feiertag zu machen. Da dies für dieses Jahr deutschlandweit nicht mehr umsetzbar scheine, könne dies zumindest in Sachsen-Anhalt erreicht werden.
Negative Folgen der Niederlage
Der 8. Mai 1945 sei kein Grund zum Feiern, sagte Oliver Kirchner (AfD). Es sei der Anfang vom Ende des Deutschen Reichs gewesen, der millionenfache Vertreibung, den Verlust der Ostgebiete und die Teilung Deutschlands nach sich gezogen habe. Unsere Mütter und Väter seien nicht frei gewesen, so Kirchner. Ein Feiertag sollte einen positiv-sinnstiftenden Charakter haben, auf den 8. Mai treffe dies nicht zu. Mit dem „Showantrag“ der Linken würden die auf den 8. Mai 1945 folgenden Greuel und Unrechte ausgeblendet, sagte Kirchner.
„Nie wieder!“ aufs Neue bekräftigen
Am 8. Mai 1945 seien alle Menschen, auch die Deutschen, von dem nationalsozialistischen Regime befreit worden, zitierte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Der völlige Zusammenbruch Deutschlands sei durch die Alliierten herbeigeführt worden, denn die Deutschen hätten sich nicht selbst von ihrem Übermenschentumdenken befreien können, erinnerte Striegel an eine Radioansprache des deutschen Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann. „Wir in Deutschland dürfen nicht vergessen, welche Verbrechen durch unsere Vorfahren begangen worden sind“, betonte Striegel. Die Überzeugung des „Nie wieder!“ müsse immer wieder aufs Neue bekräftigt werden. Die Grünen befürworten, den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag zu begehen.
Keine Freiheit im Osten Deutschlands
Für viele Länder Europas ist der 8. Mai zu Recht ein Tag, an dem der Befreiung von der deutschen Gewaltherrschaft gedacht werde, erklärte Chris Schulenburg (CDU). Er sei zudem ein Tag der Mahnung, dass Antisemitismus und Rassismus keinen Platz in der Gesellschaft haben dürften. Für viele Menschen in Ost- und Mitteldeutschland hätten am 8. Mai aber nicht Frieden, Freiheit, Zuversicht und Freude Einzug gehalten. Schulenburg erinnerte an die millionenfache Vertreibung von Menschen aus den früheren deutschen Ostgebieten, die Hab und Gut und Heimat und Leben verloren hätten, aber auch an die systematische Vergewaltigung von Frauen und Mädchen. Im Ostteil Deutschlands sei eine neue Diktatur mit Hinrichtungen, Deportationen, Zwangsarbeit und willkürlichen Verhaftungen installiert worden. Um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern, werde am 27. Januar der Holocaustgedenktag begangen, eines zusätzlichen „Tags der Befreiung“ am 8. Mai bedürfe es nicht, sagte Schulenburg.
Es spreche nichts dagegen, am 8. Mai 2020 einen gemeinsamen Gedenktag auszurichten, sagte André Poggenburg (fraktionslos). Aber der 8. Mai 1945 sei für viele Deutsche auch ein Tag der persönlichen Schande (Vergewaltigung, Mord und Totschlag, Zwangsumsiedlung) gewesen. Poggenburg störe sich zudem an dem Begriff Feiertag, denn die Deutschen müssten/würden die eigene Niederlage feiern.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde im Anschluss an die Debatte in den Ausschuss für Inneres und Sport (federführend) sowie in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung und in den Ältestenrat (mitberatend) überwiesen.