Die Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE legten den gemeinsamen Entwurf eines Gesetzes zur Parlamentsreform 2020 vor. Darin soll unter anderem das Quorum zur Einleitung eines Volksbegehrens soll gesenkt und die Wahl des Landesbeauftragten für den Datenschutz erleichtert werden. Außerdem ist geplant, eine Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern und neue Staatsziele wie Tierschutz, Klimaschutz und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in die Verfassung aufzunehmen.
Wahlkreise werden noch einmal reduziert
Der vorgelegte Gesetzentwurf beinhalte die gesetzgeberische Umsetzung unter anderem von verfassungspolitischen Veränderungen, erklärte Markus Kurze (CDU). Es sei ein umfangreiches und zugleich bedeutsames Paket geworden. Ein Konsens mit der AfD-Fraktion sei in wesentlichen Fragen nicht möglich gewesen, daher werde der Gesetzentwurf nur von vier der fünf Landtagsfraktionen eingebracht. Die in der sechsten Wahlperiode begonnene Parlamentsreform werde nun fortgesetzt. Mit der neuerlichen Parlamentsreform soll die Zahl der Wahlkreise noch einmal reduziert werden, von 87 auf 83. Auf die nächsten Jahre gesehen, würden so acht Millionen Euro Kosten eingespart werden, sagte Kurze. Gleichwertige Lebensverhältnisse sowie der Tier- und Klimaschutz sollen gleich in der Präambel verzeichnet werden. Auch die sexuelle Identität einer jeden/eines jeden soll unter den besonderen Schutz der Verfassung gestellt werden.
Die festgesetzte Anzahl der Vizepräsidenten soll gestrichen werden, um flexibler auf komplexe politische Bedingungen reagieren zu können. Die Verfahren zu Volksbegehren und Volksinitiative sollen erleichtert werden. Änderungen betreffen auch das Quorum zur Wahl der Landesbeauftragten (Datenschutz bzw. Aufarbeitung). Letztere sollen fortan durch die Mehrheit der Mitglieder gewählt und deren Amtszeit auf fünf Jahre (statt sechs) plus Wiederwahl festgelegt werden. Die Stellen sollen künftig öffentlich ausgeschrieben werden. An den Abwahlquoren werde allerdings nicht gedreht. Kurze wies darauf hin, dass auf die Erhöhung der Fraktionskostenzuschüsse im Jahr 2020 verzichtet werde, die Erhöhung für das Jahr 2021 würde reduziert.
„Etwas Gutes für Sachsen-Anhalt hinbekommen“
Die unterschiedlichen Perspektiven und Interessenlagen zwischen Koalition und Opposition seien bei der Kommissionsarbeit erfolgreich unter einen Hut gebracht worden, versicherte auch Stefan Gebhardt (DIE LINKE). Wichtig seien die Stärkung der Bürgerinnen- und Bürger-Rechte und der Verfassungsrang der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in ganz Sachsen-Anhalt. Eine der Streitfragen seien die Minderheitenrechte im Parlament gewesen, diese habe man nicht beschnitten. Es soll aber unter anderem möglich sein, einen von einer Minderheit eingeforderten Untersuchungsausschuss bei Bedarf für eine verfassungsrechtliche Prüfung in den Ausschuss zu überweisen.
Gebhardt lobte den neuen Verfassungspassus, dass die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes Einzelnen sein soll. „Wir haben hier was echt Gutes für Sachsen-Anhalt hinbekommen“, resümierte Gebhardt, auch wenn es zwar die (von den Linken nicht gemochte) Schuldenbremse gebe, aber keine angestrebte Parité-Regelung.
„Das geht vor das Verfassungsgericht“
„Dieser Gesetzentwurf ist eine der finstersten Stunden des Parlamentarismus, die man sich nur vorstellen kann“, zeigte sich Robert Farle (AfD) überzeugt. Das wichtigste Recht der Minderheit, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, werde in verfassungswidriger Weise abgeschafft. Das Minderheitenrecht sei de facto abgeschafft, so Farle, wenn der beantragte Untersuchungsausschuss aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt werde. Enquete-Kommissionen sollen zukünftig nur noch von der Mehrheit im Plenum eingesetzt werden können. „Das geht vor das Verfassungsgericht“, betonte Farle. Für die Aufnahme des Klimaschutzes in die Landesverfassung sollten sich die Gesetzeseinbringer alle schämen, sagte Farle. Er forderte, alle Formen von Kampf gegen den Extremismus in die Verfassung aufzunehmen.
Lebhaftere Parlamentsarbeit ermöglichen
Umfassende Änderungen wie eine Parlamentsreform seien keine alltäglichen Arbeiten in einem Parlament, erklärte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der Gesetzentwurf sei ein Erfolg für das gesamte demokratische Spektrum des Parlaments. Angestrebt würden eine lebhaftere Parlamentsarbeit, mehr Transparenz und die Vereinfachung der demokratischen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. „Wir müssen als Gesellschaft jede Anstrengung unternehmen, um den folgenden Generationen eine lebenswerte Grundlage zu hinterlassen“, sagte Striegel. Der Klimaschutz werde nun Verfassungsziel – „Nun müssen wir den Worten entschlossene Taten folgen lassen.“
Striegel lobte in besonderem Maße den Verfassungsrang des Schutzes vor Diskriminierung wegen der sexuellen Identität hervor. „Denn wahrhaft demokratisch kann eine Gesellschaft nur sein, wenn sie sich schützend vor ihre Minderheiten stellt.“ Endlich aus der Landesverfassung gestrichen sei der anachronistische und selbst rassistische Begriff der „Rasse“. Nationalsozialistischem Gedankengut, Antisemitismus sowie Hass und Gewalt entgegenzutreten, erhalte nun Verfassungsrang. Die Ausschüsse sollen künftig öffentlich tagen, dies solle zu mehr Transparenz in der Parlamentsarbeit führen, so Striegel.
Landesverfassung bekommt ein Update
Die Landesverfassung sei das grundlegende Regelwerk für das Miteinander in Sachsen-Anhalt, erinnerte Rüdiger Erben (SPD). Die Verabschiedung der Landesverfassung sei nach zwei Diktaturen eine elementare Zäsur und ein Statement für ein demokratisches Miteinander gewesen. Aber das Regelwerk brauche von Zeit zu Zeit ein Update, um an veränderte gesellschaftliche Entwicklungen angepasst zu werden, erklärte Erben. Dazu gehöre unter anderem die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Land. Dass wir der globalen Erwärmung etwas entgegensetzen müssen, sei mittlerweile eine Binsenweisheit, daher die Aufnahme des Klimaschutzes in die Landesverfassung. Besonders erwähnenswert nannte Erben den Schutz vor Diskriminierung sowie die eindeutige Positionierung in der Landesverfassung gegen nationalsozialistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut. Das Verfahren zur Wahl der Landesbeauftragten werde umgestellt, denn momentan sei es sogar leichter Ministerpräsident zu werden, scherzte Erben.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Ältestenrat überwiesen.