Gleich zwei Anträge und einen Alternativantrag zur Beseitigung der Giftgrube in Brüchau haben die Abgeordneten am Freitag, 12. Juni 2020, im Plenum beraten.
Grüne: Auskofferung einzig sinnvolle Lösung
„Heute ist ein historischer Tag“, sagte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), nach Jahrzehnten gebe es endlich eindeutige Fakten. Der vorliegende Abschlussbericht bestätige das, was viele schon vorher gewusst hätten: „Die Giftgrube in Brüchau ist undicht und das Inventar ist gefährlich für Mensch, Tier, Natur und Grundwasser.“ Die Einlagerung in die Grube erfolgte von 1972 bis 2012. Neben bergbaulichen Abfällen seien in der ehemaligen Tongrube auch Pflanzenschutzreste, Teerreste und Galvanikschlammreste abgekippt worden. Der Abschlussbericht belege eine ganze Reihe chemischer Stoffe.
Die Grube könne zweifelsfrei nicht an Ort und Stelle bleiben und müsse komplett ausgekoffert werden, so Frederking. Nur so könnten die Menschen vor Ort wieder ohne Angst und Sorgen um ihre Gesundheit leben. Der Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und GRÜNEN fordert daher von der Landesregierung, „dass unverzüglich ein genehmigungsfähiger Plan für eine zügige und sichere Beseitigung der gesamten Giftschlammgrube […] erarbeitet wird“. Frederking betonte, dass der Abtransport nicht zu neuen Gefährdungen führen dürfe. Die Kosten würden zu 90 Prozent vom Land übernommen. Sie gehe davon aus, dass der Plan unverzüglich erarbeitet werde.
Linke: Problem jahrelang ignoriert
Andreas Höppner (DIE LINKE) erklärte, seit Jahrzehnten werde das Thema behandelt und bisher wurde die Gefährlichkeit der Grube immer ignoriert und abgewiegelt, man habe auf Zeit gespielt. Jetzt zeige sich, dass sich das Durchhaltevermögen der Westaltmärker gelohnt habe. Erst 30 Jahre nach der Einheit Deutschlands seien nun endlich die Untersuchungen an der Grube durchgeführt worden. Er kritisierte, dass frühere Warnhinweise jahrzehntelang ignoriert worden seien. Höppner geht davon aus: „Man wollte das Ergebnis so nicht haben und sehen“, und Behörden hätten erst reagiert, als der Skandal nicht mehr habe ignoriert werden können.
Das Grundproblem sei die Philosophie, die auch von den zuständigen Wirtschafts- und Umweltministerien gestützt worden sei: „Wirtschaft immer zuerst und erst dann die Umwelt“, diese System müsse sich ändern. Der Linke-Abgeordnete zog beispielsweise Parallelen zum Problem in Teutschenthal. Er forderte, dass sich die Arbeit des Landesamts für Geologie und Bergbau grundsätzlich ändern müsse. Neben dem Umweltschaden gebe es auch einen riesigen gesellschaftlichen Schaden, und die Bürger hätten das Vertrauen in die Politik und in die Betreibergruppen verloren.
Minister: Dissens zwischen LAGB und LAF
Zwar sei in den letzten drei Jahren nicht geschlafen wordem, aber es sei sicher ein Prozess, der insgesamt zu lange gedauert habe, räumte Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) ein. Mit dem Abschlussbericht gebe es nun neue Erkenntnisse, auf deren Grundlage weitergearbeitet werden könne. Niemand spiele auf Zeit, sondern „die Gefährdung von Umwelt und Mensch muss beendet werden“, so Willingmann deutlich. Seiner Ansicht nach gebe es dafür nur eine Möglichkeit: „Die Grube ist vollständig auszukoffern!“ Insofern unterstütze er den Antrag der Regierungskoalition.
Der Wirtschaftsminister verwies zudem auf einen Dissens, der momentan noch zwischen zwei Fachbehörden, dem Landesamt für Altlastenfreistellung (Umweltministerium) um dem Landesamt für Geologie und Bergwesen (Wirtschaftsministerium) bestehe. Erstere favorisiere derzeit noch eine Lösungsvariante zur Stilllegung, die ihn nicht überzeuge. Es sei eine rechtlich schwierige Situation: Unternehmen unterbreiteten Vorschläge, auf der anderen Seite gebe es die Vorschriften des LAGB. Dieser Dissens müsse aufgelöst werden. Würden die Kosten zu groß werden, dann sei es selbstverständlich eine Entscheidung des Haushalts.
Über 200 Millionen Euro seien bereits zur Beseitigung der Bergbaualtlasten zur Verfügung gestellt worden, resümierte Uwe Harms (CDU). Deutschland trage diese Altlasten im weltweiten Vergleich vorbildlich ab, auch wenn es teilweise Jahrzehnte dauere. Die heutigen Standards ließen keinen anderen Schluss mehr zu als die komplette Auskofferung der Grube, stimmte Harms dem Wirtschaftsminister zu. Darum bat der CDU-Abgeordnete um Zustimmung für den vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen.
AfD: Endlich handeln!
Lydia Funke (AfD) sagte, es müsse endlich entschieden werden, was getan werden könne, statt dass wieder nur Konzepte geschrieben würden. Der Antrag der Linken sei eine „lahme Ente“ und in sich widersprüchlich. Sie bezeichnete ihn als eine „Papiermaus“. Ähnlich kritisch sah sie den Antrag der Koalitionsfraktionen. Es könne doch nicht sein, dass Lob verteilt werde für eine Erkenntnis, die bereits vor 20 Jahren hätte kommen müssen.
Nur durch die AfD-Fraktion sei in den letzten Jahren überhaupt Bewegung in die Sache gekommen, meinte Funke. Jeder hätte erwartet, dass der Minister heute bereits Konkretes berichte, aber er müsse ja erstmal klären, wer überhaupt zuständig sei für die Beseitigung der Grube. Funke bat das Plenum darum, dem AfD-Antrag zuzustimmen, da die jeweiligen Anträge von Koalitionsfraktionen und Linken „inhaltsleer“ seien.
SPD: Keine neuen bürokratischen Hürden aufbauen
Es gebe kaum ein Thema mit dem sich die Abgeordneten in den Ausschüssen häufiger beschäftigt hätten, dies zeige die hohe Bedeutung der Giftgrube Brüchau, erklärte Holger Hövelmann (SPD). Es sei sehr positiv, dass seitens der Koalitionsfraktionen nunmehr eine klare und deutliche Position gefunden worden sei. Umso erstaunlicher, dass nun aus dem LAF eine Stellungnahme auftauche, in der nur eine Möglichkeit für die Beseitigung der Grube in Betracht komme, nämlich ihre Abdeckung.
Eine Entscheidung des Landtags habe jedoch bereits festgestellt, wirtschaftliche Aspekte dürften bei der Lösung des Problems keine Rolle spielen, erinnerte Hövelmann. Der SPD-Abgeordnete forderte die Umweltministerin daher auf, diesen Dissens mit dem Wirtschaftsminister aufzulösen. Objektive Probleme könnten die Menschen vor Ort verstehen, für weitere bürokratische Hürden hätten sie jedoch kein Verständnis, so Hövelmann.
Am Ende der Debatte wurde der Antrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen. Der Alternativantrag der AfD-Fraktion hatte sich damit erledigt. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde abgelehnt.