Mit dem im Februar 2020 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verfassungsschutzes und der Sicherheitsüberprüfung im Land Sachsen-Anhalt soll der im Jahr 2012 begonnene Reformprozess im Verfassungsschutz fortgeführt werden. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Reform des Verfassungsschutzes beim Bund und in den Ländern seien unverzichtbar, so die Landesregierung. Der Ausschuss für Inneres und Sport empfahl dem Landtag, den Gesetzentwurf in bearbeiteter Fassung anzunehmen.
Austausch von Informationen möglich
In den Gesetzentwurf der Landesregierung flössen unter anderem die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses ein. Es beinhalte das Trennungsprinzip zwischen Nachrichtendiensten und der Polizei, erklärte Justizministerin Annemarie Keding (CDU). Die Arbeit des Verfassungsschutzes des Landes erhalte neue Rechtssicherheit und führe zu einer Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Unter anderem seien hier öffentliche Sitzungsteile im Parlamentarischen Kontrollgremium (ehemals Kommission) geplant. „Extremismus macht nicht halt an Landesgrenzen“, sagte Keding. Nun bestehe die Möglichkeit, Informationen und Erkenntnisse zu speichern und weiterzugeben, auch über Jugendliche (14–16-Jährige). Die Befugnisse für die Erhebung von Informationen entsprächen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, so Keding.
„Nur ein Herrschaftsschutzsystem“
Es gehe mit dem Gesetz nicht um den Schutz der Verfassung, sondern darum, den Verfassungsschutz zu einem Herrschaftsschutzsystem umzubauen, mutmaßte Thomas Höse (AfD). Er beschütze nicht die Verfassung oder die Bevölkerung, sondern lediglich die jetzt Regierenden. Er kritisierte unterschiedliche Zählweisen und Auslegungen bei Fällen von Links- bzw. Rechtsextremismus durch den Verfassungsschutz.
Transparenz bei parlamentarischer Kontrolle
Wie eine Straftat politisch eingeordnet werde, entscheide die Polizei und nicht der Verfassungsschutz, stellte Rüdiger Erben (SPD), klar. Es sei gut, dass das Land nun endlich gesetzliche Regelungen für verdeckte Mitarbeiter und Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes vorweisen könne. Der sachsen-anhaltische Verfassungsschutz biete äußerste Transparenz hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle, lobte Erben. Nicht nur die Kontrollierten, sondern auch die Kontrolleure könnten sich nun endlich landesgrenzenübergreifend austauschen.
Mehr präventive Ansätze nötig
Rechtsterroristische Taten habe es gegeben, obwohl es den Verfassungsschutz gegeben habe. „Wir brauchen andere präventive Ansätze, um unsere Verfassung zu schützen“, erklärte Eva von Angern (DIE LINKE). Rechtsextreme würden die aktuellen Corona-Demonstrationen nicht dominieren, so Auskünfte aus dem Bundesinnenministerium – das dies nicht der Realität entspreche, habe man bei den Demonstrationen in Berlin und insbesondere am Reichstag deutlich sehen können, so die Linken-Abgeordnete. Die Erweiterung der Speicherung und Weitergabe von Informationen über und von Jugendlichen gehe zu weit, deswegen werde das Gesetz von den Linken abgelehnt, so von Angern.
Gelungene Regelsammlung
„Freiheit braucht Sicherheit“, konstatierte Chris Schulenburg (CDU) und forderte, diejenigen wirksam zu bekämpfen, die die Verfassung bedrohten. Das nun zu beschließende Gesetz hält er für eine gelungene Regelsammlung, mit der die Reform des Verfassungsschutzes fortgesetzt werde. Darin enthalten sei das strikte Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz müsse alle technischen Möglichkeiten nutzen dürfen, um seine Ermittlungen zu führen, sagte Schulenburg, deswegen bedaure er, dass die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) keinen Eingang in das Gesetz gefunden habe.
Strukturen weiter modernisieren
Mit der Verabschiedung des Verfassungsschutzgesetzes komme ein intensiver Verhandlungsprozess zu einem erfolgreichen Abschluss, es sein ein guter Kompromiss geschlossen worden, erklärte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Das Gesetz sorge für mehr Schutz der Bürgerinnen und Bürger und für eine bessere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes. Leider habe es für eine „Whistleblowerlösung“ (wie auf Bundesebene) keine Mehrheit in der Koalition gegeben. Der Austausch von Informationen und die stärkere Vernetzung der Verfassungsschutzorgane und der Kontrollgremien seien enorm wichtig für eine erfolgreiche Arbeit. Striegel strebe allerdings immer noch eine Neugründung des Verfassungsschutzes als Behörde an, die Mittel des Verfassungsschutzes anwende. Es gelte, Leute intensiver in den Blick zu nehmen, die die Demokratie bedrohten. Die bestehenden Strukturen sollten weiter modernisiert werden.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf der Landesregierung mit den Stimmen der Koalition beschlossen.