Deutschland soll im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft die während der Corona-Pandemie offengelegten substanziellen Schwächen und Strukturfehler der EU (nationale Abschottung statt europäischer Solidarität) ausräumen, forderte die Fraktion DIE LINKE in einem Antrag. Auf der Agenda solle beispielsweise unbedingt die Bereitstellung finanzieller Mittel für die von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Regionen stehen. Die dafür notwendigen Mittel könnten, so DIE LINKE, sowohl über eine Kreditaufnahme der EU als auch über eigene Einnahmen wie eine Digitalsteuer, eine Finanztransaktionssteuer und eine europaweite Vermögensabgabe finanziert werden.
Versagen der EU bei Pandemie
„Man hätte die Corona-Pandemiebekämpfung als europäisches Projekt begreifen müssen“, doch aus Brüssel sei kein entsprechendes Zeichen gekommen, kritisierte Wulf Gallert (DIE LINKE). Dies sei ein Desaster für die Europäische Union gewesen und hätte deren strukturelle Probleme offenbart. Die Probleme in den Mitgliedstaaten seien dadurch erheblich verschärft worden. Die EU-Ratspräsidentschaft sei auch für das Land Sachsen-Anhalt eine ganz wichtige ökonomische, ökologische und soziale Stellschraube, so Gallert. Insgesamt müsse Deutschland das Vertrauen in die EU wiederaufbauen. Die EU müsse eine soziale Schutzfunktion ausüben, ein Wiederaufbauprogramm für wirtschaftliche Einbußen starten (750-Milliarden-Euro-Aufbaufonds) und für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einstehen, die das Sterben an den Außengrenzen verhinderten.
Erfolgreich durch dezentrales Handeln
„Die EU steht vor großen Herausforderungen“, räumte Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU), ein „Neustart“ sei allerdings nicht notwendig. Einer der Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft müsse sein, die Brücken zwischen Ost und West in Europa zu stabilisieren. Die EU-Skepsis müsse verringert werden. In Deutschland werde die Pandemie so vergleichsweise gut beherrscht, gerade weil regional – in enger Abstimmung mit dem Bund – gehandelt worden sei. Ein zentrales Handeln sei auch auf EU-Ebene nicht möglich gewesen. Robra zeigte sich zuversichtlich, dass der 750-Milliarden-Euro-EU-Aufbaufonds erfolgreich auf den Weg gebracht werde.
Solidarität in der ganzen EU
In sechs Monaten werde man weder die Welt noch die Europäische Union grundlegend verändern können, meinte Holger Hövelmann (SPD). Noch stärker als bisher müsse sich die EU dem Thema soziale Gerechtigkeit widmen, damit jede/r gleiche Chancen und Möglichkeiten habe, das eigene Leben zu leben. Die Solidarität, die in Deutschland funktioniere – Sachsen-Anhalt sei ja auch ein „Nehmerland“–, solle auch europaweit funktionieren. Hövelmann zeigte sich davon überzeugt, dass Deutschland eine gute Ratspräsidentschaft führen werde.
Höhere Belastungen für Deutschland
Die finanziellen Lasten Deutschlands stiegen mit der EU-Ratspräsidentschaft und durch die einzelstaatlichen coronabedingten Kredite und Belastungsrisiken in Milliardenhöhe an, mutmaßte Tobias Rausch (AfD). Sachsen-Anhalt sei kein reiches Land, es könne also bei der Finanzierung der EU-Wirtschaftsstützung nicht helfen. Das sei mit der AfD nicht zu machen, eine europaweite Vermögensabgabe lehne sie ab.
Konsequent in klimaneutrale EU investieren
„Ich erwarte von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Antwort auf die Frage, wie in Zukunft die europäische Solidarität besser gelebt werden kann“, sagte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Wiederaufbaumittel müssten konsequent in ein klimaneutrales Europa investiert werden, es müssten hier verbindliche Vorgaben laut Pariser Klimaabkommen zum Tragen kommen. Auch mehr soziale Gerechtigkeit müsse angestrebt werden. Man müsse endlich ein solidarisches und gemeinschaftliches Asylsystem in der EU auf den Weg bringen, forderte Frederking.
Fluchtursachen wirkungsvoller bekämpfen
Ohne eine funktionierende europäische Union könne keiner der Mitgliedstaaten seinen erworbenen Wohlstand halten oder gar verbessern, sagte Detlef Gürth (CDU). Es müsse weiter um die Stabilisierung der Instrumente für europaweite Arbeits- und Ausbildungsplätze gehen. Eine nachhaltige EU-Migrations- und Außenpolitik sei dringend notwendig, denn die EU könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen. Die Fluchtursachen müssten wirkungsvoller bekämpft werden, zudem bedürfe es einer gerechteren Lastenverteilung in der EU.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zur weiteren Beratung überwiesen.