Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt wiederholt Vorgaben zur Zulässigkeit von medizinischen Zwangsbehandlungen getroffen. Die bisherigen Regelungen in Sachsen-Anhalt entsprechen diesen Vorgaben bisher nur teilweise. Deshalb hatten die Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im September 2019 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Mit dem Gesetz soll unter anderem die Ausgestaltung der Fixierung als besondere Sicherungsmaßnahme neu geregelt werden.
Der Gesetzentwurf (Drs. 7/4953) war federführend in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen worden. Dieser hatte sich auf eine Anhörung in öffentlicher Sitzung zum Gesetzentwurf verständigt, die am Freitag, 8. November 2019, stattfand.
Im Gesetzentwurf heißt es unter anderem, dass die Fixierung einer/eines Gefangenen nur zulässig ist, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist. Eine Fixierung muss vom verantwortlichen Arzt angeordnet werden. Dauert die Fixierung voraussichtlich länger als eine halbe Stunde, bedarf es der Einwilligung des Gerichts (außer bei Gefahr im Verzug).
Aus den Wortmeldungen der Angehörten
Dr. Sarah Teweleit von der Nationalen Stelle für die Verhütung von Folter betonte, dass grausame und erniedrigende Behandlungen generell zu verhindern seien. Zwangsmaßnahmen bei der Gesundheitsvorsorge bedeuteten zunächst auch immer einen Eingriff in das Grundrecht auf Selbstbestimmung. Insofern dürften ärztliche Zwangsbehandlungen und Fixierungen nur die Ultima Ratio sein.
Die Nationale Stelle drängt auf eine ausführliche Dokumentation der Maßnahmen, auch darüber, welche milderen Mittel vorher eingesetzt worden und warum sie gescheitert seien. Die nun zu schaffenden rechtlichen Regelungen sollten Maßnahmen ab der Dreipunktfixierung beinhalten; Einpunkt- oder Zweipunktfixierungen (eine/zwei Gliedmaße/n an der Wand oder an befestigtem Gegenstand) seien zu unterlassen, da sie der Würde der Patienten nicht Genüge leisteten, so Teweleit. Wichtig sei, dass Fixierte ständig durch therapeutisches oder pflegerisches Personal betreut werde. Sichtfenster dürften jedoch nicht für unbeteiligte Dritte einsehbar sein.
Bei der Fixierung seien zur Vorbeugung von Verletzungen nur Bandagen zu verwenden, nicht ausschließlich Metall- oder Plastikmaterialien. Bei Zwangsbehandlungen und Fixierungen müsse ein strikter Verhältnismäßigkeitsmaßstab eingehalten werden, insistierte Teweleit. Absehbare Genehmigungen durch das Gericht dürften nicht dazu führen, dass weniger auf derlei tiefgreifende Behandlungsmethoden verzichtet werde.
Anna Katalin Patz von der Salus gGmbH begrüßte die Schaffung der Rechtsgrundlage, die in Sachsen-Anhalt insbesondere für die Behandlung von psychisch schwer erkrankten Insassen/Patienten im Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie Uchtspringe von Bedeutung sein werde. Hier gebe es derzeit 15 Patienten, bei denen momentan auch medizinisch indizierte Behandlungen gegen den Willen der Patienten nicht möglich seien, so Patz. Verwahrlosungstendenzen und Selbstverletzungen seien hier mitunter die Folgen.
Ohne Medikamente – beispielsweise bei Schizophrenie – könne jedoch keine gesundheitliche Besserung bei den Patienten erreicht werden, sodass diese überhaupt erst in der Lage wären, ihre Gesundheit betreffende Entscheidungen zu treffen. Eine höhere Lebensqualität für die Patienten sei zu erwarten, da diese sich nicht mehr einer Behandlung verweigern könnten, so Patz. Dadurch könnte insgesamt auch die Behandlungszeit verkürzt und die Gefährlichkeit der Patienten verringert werden.
Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung in Sachsen-Anhalt (Landespsychiatrieausschuss) begrüße die Regelungen zu Zwangsbehandlungen und Fixierungen in den im Gesetzentwurf genannten Bereichen, sagte dessen Vertreter Prof. Dr. Gunter Vulturius. Auch er sprach sich dafür aus, dass Fixierungen erst ab der Dreipunktfixierung beginnen sollten. Er begrüßte zudem den Richtervorbehalt für Isolierungen von Patienten von anderen Mitgefangenen, da diese nicht minder schwer als eine Fixierung wirkten.
Durch moderne Psychopharmaka sei es heute möglich, bei schwer erkrankten Patienten die Kontaktfähigkeit, die soziale Teilhabe, das Wiederreichen und der Erhalt emotionaler und kognitiver Kompetenzen zu erwirken. So könne durch eine erzwungene Behandlung Schaden vom Patienten abgewendet werden, der nicht selbst für seine medizinische Behandlung verantwortlich zeichnen könne, so Vulturius.
Wie es mit dem Gesetzentwurf weitergeht
Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung wird sich in seinen kommenden Sitzungen weiter mit dem Gesetzentwurf der Koalition beschäftigen. Unter anderem soll weitere Fachleute gebeten werden, schriftliche Stellungnahmen zum Gesetzentwurf abzugeben. Am Ende soll eine Beschlussempfehlung erarbeitet werden, die dem Landtag zur Abstimmung für den Gesetzentwurf vorgelegt werden soll.