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Plenarsitzung

Zur aktuellen Lage der Berufe in der Pflege

Die Enquete-Kommission „Die Gesundheitsversorgung und Pflege in Sachsen-Anhalt konsequent und nachhaltig absichern!“ hat ihre Anhörung in öffentlicher Sitzung vom März 2019 fortgesetzt und sich erneut mit der „Aktuellen Lage, der Weiterentwicklung inkl. Ausbildung und Stärkung der Gesundheitsberufe“ beschäftigt. Eingeladen waren wiederum Institutionen, die unmittelbar für die Ausbildung von medizinischen Fachkräften verantwortlich zeichnen.

Die Zahl der zu pflegenden Menschen in Sachsen-Anhalt wird deutlich zunehmen, die Zahl der Pflegenden (nach jetzigem Stand) wird dagegen abnehmen. Nun muss gegengesteuert werden. Foto: fotolia.com

Aus den Wortmeldungen in der Anhörung

In den letzten Jahren seien starke Aufwüchse im pflegerischen Arbeitsbereich zu verzeichnen, sagte Kay Senius, Geschäftsführer der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. In der Kranken- und insbesondere in der Altenpflege sei der Stand freier Stellen sehr hoch. Die Besetzbarkeit der Stellen sei in Sachsen-Anhalt mit anderen Ländern und dem Bund insgesamt vergleichbar ungenügend. Dabei sei die Relation zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen so, dass freie Stellen häufig nicht besetzt werden könnten. Die Beschäftigung von Ausländern in der Pflege sei in Sachsen-Anhalt mit nur etwas über einem Prozent sehr gering. In der Folge des demographischen Wandels steige zwar der Pflegebedarf, die Bedarfsdeckung sinke jedoch. „Ein Fachkräftemangel im Altenpflegebereich ist erkennbar und ohne Zuwanderung von außen sehe ich keine Option, diesen Fachkräftebedarf zu decken“, betonte Senius. Problematisch erachte er die erkennbar unterschiedliche Vergütung in der Krankenpflege auf der einen und in der Altenpflege auf der anderen Seite. „Diese Themen müssen auf den Tisch und systematisch abgearbeitet werden.“

Auszubildende sollen laut Pflegeberufegesetz später Menschen aller Altersgruppen in allen Lebensbereichen pflegen können, erinnerte Ines Schiller, erfahrene Ausbilderin und Leiterin des Kooperativen Bildungszentrums für Gesundheitsberufe am Basedow-Klinikum. Nach der Gesetzesnovelle sollen zu den 2 100 Stunden Theorie in der Ausbildung weitere 200 Stunden allgemeinbildender Unterricht hinzukommen, das werde abgelehnt, so Schiller: Zum einen fehlten die Lehrer für diesen Unterricht, zum anderen fehlten den Schülern 200 Stunden in der praktischen Ausbildung. Es zeichne sich ein Run auf die Ausbildung zum Anästhesie- und Operationstechnischen Assistenten ab; hierfür sollten rechtzeitig entsprechende Investitionsmittel bereitgestellt werden. Mehr Zeit sollte für die Curriculumsentwicklung (Theorie/Praxis) vorgesehen werden. Der Bedarf am Studienangebot Pflegepädagogik (Bachelor/Master) sei sehr hoch, hier müsse man dringend für mehr Studienplätze und Interessenten sorgen.

Gesundheit und Soziales seien als Schwerpunkte der Ausbildung zu nennen, resümierte Heidrun Russek, Leiterin der Berufsbildenden Schule „Dr. Otto Schlein“ Magdeburg. Circa 1 400 Schüler/innen pro Jahr würden in der Schule in annähernd 70 Klassen von rund 80 Lehrkräften unterrichtet. Als Leiterin einer staatlichen Schule sehe sie kein Problem in den geplanten zusätzlichen 200 Stunden allgemeinbildenden Unterrichts, „anders als die freien Träger befürworten wir dieses Ansinnen“, so Russek. Die Zeit könne genutzt werden, um fachbezogene Inhalte zu vermitteln. Die Absicherung des Theorieunterrichts sei an den staatlichen Schulen kein Problem, erklärte Russek, anders sehe es mit dem Praxisunterricht aus. Sie empfahl die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, in der Praxiseinrichtungen Hilfe beim Einsatz vom Schüler im Praktikum erfahren. Sie regte zudem eine allgemein zweijährige Ausbildung zum Pflegehelfer an, die auch Perspektiven für eine schulische bzw. berufliche Weiterentwicklung biete.

Es herrsche anhaltend hoher Fachkräftebedarf im Pflegebedarf, resümierte Manuela Schaar, Gewerkschaftssekretärin (Altenpflege) bei ver.di/Landesbezirk Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen. Bis 2030 werde dieser um über 30 Prozent ansteigen, gleichzeitig sinke jedoch die Zahl der Arbeitnehmer/innen (bzw. möglicher Auszubildender). Um die Besetzung der Stellen dennoch sicherzustellen, gelte es, verbindliche Vorgaben für eine angemessene Personalausstattung in den verantwortlichen Institutionen zu schaffen. Eine auskömmliche Vergütung, schon in der Ausbildung, sei die Grundlage für berufliche Perspektiven im Pflegeberuf. Nur so könnte zunächst die Absenkung der Ausbildungszahlen gestoppt werden. Es dürfe in der Altenpflege nicht zu einer Absenkung des Niveaus der Ausbildungs- und Prüfungsordnung kommen, dies führte zu einem starken Imageverlust des Berufszweigs, der doch so wichtig sei, betonte Schaar. Die ver/di-Vertreterin forderte Schulgeldfreiheit in der Pflege in allen Schulformen, eine angemessene Ausbildungsvergütung, qualifizierte Praxisanleitung und die Aufrechterhaltung der betriebliche Mitbestimmung.

Die Gesundheitsbranche sei in den letzten Jahren ein Jobmotor im Land gewesen, dies ändere sich nun nicht zuletzt aufgrund der demographischen Entwicklung, erklärte Wolfgang Schuth, Geschäftsführer der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt e. V. Es sei schon schwer, das jetzige Niveau zu halten; die Zahl der Pflegebedürftigen wüchse jedoch – im Gegensatz zu den Pflegenden – rasant an. Aufgrund des Fachkräftemangels in allen Branchen werde auch die traditionelle Familienpflege leiden. Die Schulabgänger von heute würden überall in der Wirtschaft benötigt. Schuth warb für eine Nachqualifikation (beispielsweise von Langzeitarbeitslosen) und Maßnahmen (verlässliche Dienststrukturen) zum längeren Aufenthalt im Beruf (der Durchschnitt liege bei nur rund acht Jahren). Das Land brauche Berufswiedereinsteiger (durch Rehabilitation für den Arbeitsmarkt) und dringend den Zuzug von ausländischen Arbeitskräften.

Die Enquete-Kommission wird sich in der noch vor ihr liegenden Arbeit weiter mit dem ihr gestellten Ziel beschäftigen. Weitere aktuelle Informationen und Termine erhalten Sie auf der Internetseite des Landtags.