Vor dem Hintergrund der anstehenden Europawahl am 26. Mai 2019 zog Europaminister Rainer Robra (CDU) in seiner Regierungserklärung Bilanz über die vergangenen fünf Jahre und wagte gleichzeitig einen Blick in die Zukunft.
Ob wir Europa wollen sei nicht die Frage, sondern welches Europa wir brauchen, zeigte sich Robra überzeugt. Der Europaminister resümierte, dass in der laufenden Förderperiode rund 2,9 Milliarden Euro aus EFRE-Fonds genutzt würden, das seien rund 20 Prozent aller Investitionen des Landes, sie spielten daher eine wichtige Rolle für Sachsen-Anhalt.
Minister plädiert für starkes Europa
Mit den Fördergeldern seien zahlreiche Unternehmen unterstützt und Menschen weitergebildet, der Hochwasserschutz vorangebracht und die Land- und Forstwirtschaft unterstützt worden. Daneben gebe es zahlreiche Kooperationen zwischen Städten und Schulen, Universitäten und vieles mehr. Eine hohe Bedeutung habe zudem der europäische Binnenmarkt für Produkte aus Sachsen-Anhalt, 22 Prozent der Exporte würden in zehn europäische Länder gehen.
Es sei unser ureigenes Interesse, uns auch in Zukunft für ein starkes Europa einzusetzen. Dabei sollte man sich auf die gemeinsamen Werte konzentrieren, bereits geschlossene Verträge sollten den Handlungsrahmen vorgeben, so Robra. Gleichzeitig verteidigte er die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. Es sei wichtig, den Dialog über Europa weiterzuführen, wie beispielsweise mit den kürzlich stattgefundenen Bürgerdialogen im Land. Diese hätten gezeigt, dass es überwiegend eine sehr positive Einstellung gegenüber Europa gebe. Daran müsse man zukünftig anknüpfen.
AfD will Europäische Union abschaffen
Die EU und Europa hätten nicht viel miteinander zu tun und müssten in der Debatte unbedingt voneinander getrennt werden, betonte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD). Europa sei eine Kulturtradition, die vor über 2500 Jahren in Griechenland ihren Anfang genommen habe.Die Grundlagen Europas seien Demokratie, Philosophie und Christentum.Das Besondere an der europäischen Tradition sei jedoch, dass sie von den europäischen Völkern unterschiedlich konkretisiert worden sei. Tillschneider sagte: „Die europäischen Völker verbindet viel und ebenso viel unterscheidet sie.“
Die Europäische Union sei dagegen „ein jämmerliches Konstrukt, ein kleingeistiges Technokraten-Machwerk“. Die EU habe keine Ahnung, was Europa bedeute und wozu es uns verpflichte. Dies zeige sich allein daran, dass sie dem Islam die Tür geöffnet habe. Der Mythos der EU sei das Richtlinienwesen, sie [die EU] zwänge den Kontinent in ein Korsett an dem die Völker Europas zugrunde gingen, kritisierte der AfD-Abgeordnete weiter: „Diese Union ist nicht unser Europa!“ Zu den vom Europaminister gelobten Förderprogrammen sagte er: Für jeden Euro, den wir erhalten, müsste Deutschland vorher zwei Euro einzahlen. Unter diesen Umständen könne man nicht davon sprechen, dass Sachsen-Anhalt von der EU profitieren würde.
Die EU treibe ein Vernichtungswerk auf allen Ebenen, beispielsweise durch den Bologna-Prozess an den Universitäten, die Finanzpolitik sowie die nicht gesicherten Außengrenzen. Tillschneider zeigte sich überzeugt, dass es der Europäischen Union nicht um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen gehe. Sie sei eine „Relaisstation der Globalisierung“ und diene dazu, den europäischen Raum für internationale Finanzinvestoren lukrativer zu machen. Sein Fazit: „Die EU ist die Perversion Europas.“ Das EU-Parlament und der Euro gehörten abgeschafft.
SPD: „Kein Auslaufmodell sondern Zukunftsgarant"
Trotz der unübersehbaren Krisen in Europa habe das Europa-Barometer seit 2018 derzeit die höchste Zustimmung für Europa ergeben, erklärte Dr. Katja Pähle (SPD). Natürlich würde nicht alles zum Besten stehen um die Europäische Union, etwa zwei Drittel der Bürger sähen Reformbedarf und das sei auch nicht schlimm, so Pähle. Ihrer Ansicht nach sei Europa vor allem auch ein großes Friedensprojekt. „Wir lassen uns Europa nicht von den Populisten, Nationalisten und Rechtsextremisten kaputt machen“, konstatierte Pähle.
Es sei nicht akzeptabel, dass Europa durch falsche Versprechungen und Fake News schlechtgeredet und gegen Europa Stimmung gemacht werde, wie es beispielsweise vor der Brexit-Abstimmung gewesen sei. Sie wünschte sich vor EU-Wahl, dass die Menschen erkennten, wie wichtig Europa für sie ist: „Europa ist kein Auslaufmodell, sondern Zukunftsgarant.“ Um die Zukunft zu bewältigen, bedürfe es mehr und nicht weniger Europa, konstatierte die SPD-Abgeordnete. Die Bürger erwarteten zu Recht, dass die EU natürlich noch mehr Anstrengungen unternehme, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Linke fordern einheitliche Sozialstandards
Die Zielstellung der AfD sei ganz klar, erst das EU-Parlament abschaffen und danach alle anderen europäischen Organisationen. Seine Fraktion sehe das ganz anders, erklärte Wulf Gallert (DIE LINKE): Eine vernünftige Perspektive für Sachsen-Anhalt gebe es nur mit einer richtig gut entwickelten Europäischen Union und nicht mit einem Agieren gegen sie. Eines der Probleme sei beispielsweise, dass sich die Einzelstaaten der EU oftmals in Konkurrenz miteinander bewegten und dadurch für den eigenen kleinen Vorteil große Verbesserungen auf der Strecke blieben.
Für Gallert ist es unverständlich, dass die Bundesregierung bis heute nicht auf die Vorschläge von Frankreichs Präsident Macron eingegangen sei. Die Perspektive der Linken sei die des dauerhaften Friedens und nicht die, dass man sich als EU darauf einige, welche Rüstungsexporte man in ein Bürgerkriegsland schicken könne. Zudem betonte der Linken-Abgeordnete, dass der Klimaschutz nur in einem gemeinsamen starken Europa mit verbindlichen Richtlinien für alle gelingen könne. Hauptproblem sei, dass es keine gemeinsamen Sozialstandards gebe, wodurch es immer einen Sozialdumping-Wettbewerb geben werde. Wenn es nicht gelinge, einheitliche Sozialstandards zu etablieren, dann werde die EU auseinanderfallen.
Grüne: EU-Wahl = Klimawahl
Die EU-Wahl sei eindeutig eine Klimawahl, betonte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die jungen Menschen von „Fridays for Future“ hätten das erkannt und sie haben Recht. Ihrer Ansicht nach würden europäische Regelungen in vielen Fällen weitergehen als nationale Richtlinien, beispielsweise beim CO2-Ausstoß oder bei der neuen Plastik-Einweg-Richtlinie. Sie lobte die EU-Fördergelder in verschiedensten Bereichen, die unter anderem zur Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft beigetragen und strukturschwachen Regionen eine Chance zur Entwicklung gegeben hätten. Die EU sei die Basis für Frieden und Zukunft in der Region.
CDU: Mehr an Europa nur im Konsens möglich
Markus Kurze (CDU) sprach von einer Klimahysterie, die von den Grünen verbreitet würde. Die Entwicklung Sachsen-Anhalts wäre ohne die finanzielle Hilfe aus Europa nicht möglich gewesen. Die Einbindung des Landes in ein starkes Europa sei die beste Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Der Brexit zeige, dass viele Menschen das Vertrauen in die EU verloren hätten. Nur im Konsens werde ein „Mehr an Europa“ möglich sein, dabei müssten berechtigte nationale Interessen berücksichtigt werden. Es gebe viele Herausforderungen (Bekämpfung des Terrorismus, Klima, globaler Wandel, Digitalisierung, Migration), die nur gemeinsam bewältigt werden könnten. Auf internationaler Ebene bedürfe es mehr und nicht weniger Kooperation, betonte der CDU-Abgeordnete.
Europa müsse ein Europa der Chancen bleiben. Die CDU wolle daher die Jugendarbeitslosigkeit weiter bekämpfen und mehr Mittel für Austauschprogramme wie Erasmus einsetzen sowie die Vollendung des digitalen Binnenmarkts voranbringen. Kurze sagte: „Wir wollen eine Europäische Union, die nach innen erfolgreich ist und sogleich nach außen unsere Interessen wahrt und verfolgt.“ Die Bewahrung der Schöpfung und das Wirtschaftswachstum müssten in Europa zukünftig gemeinsam gelingen. Allerdings müsse die Energie auch zukünftig für jeden Menschen in Sachsen-Anhalt bezahlbar bleiben, forderte der CDU-Abgeordnete.
Am Ende einer Regierungserklärung und der dazugehörigen Debatte werden keine Beschlüsse gefasst.