Mit ihrem gemeinsamen Gesetzentwurf „Grünes Band der Erinnerung Sachsen-Anhalt vom Todesstreifen zur Lebenslinie“, eingebracht in der Ersten Beratung im zweiten Juni-Plenum des Landtags, haben die Landtagsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Aufgabe aus ihrer Koalitionsvereinbarung in Angriff genommen. Bis zum Herbst soll das Gesetz stehen und den Rahmen bilden für die Ausweisung eines Nationalen Naturmonuments.
Was ist ein Nationales Naturmonument?
Nationales Naturmonument ist in Deutschland seit 2010 eine Kategorie für Schutzgebiete in Natur- und Landschaft von nationaler Bedeutung. Dazu gehört das sogenannte Grüne Band, die 1400 Kilometer lange ehemalige innerdeutsche Grenze. Als erstes Bundesland hat Thüringen seinen 763 km langen Abschnitt als Nationales Naturmonument erklärt. Sachsen-Anhalt will seine 343 km bis zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im November 2019 als Nationales Naturmonument „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ ausweisen.
Ziel ist es, das Grüne Band als einzigartiges Biotopverbundsystem zu erhalten und als zeitgeschichtliches Mahnmal zum Ort der Erinnerung zu entwickeln. Es soll ein interdisziplinärer Lernort geschaffen werden, an dem generationsübergreifend ökologische und geschichtliche Zusammenhänge und Hintergründe vermittelt werden können.
Als nationales Naturmonument soll das Grüne Band dauerhaft an eine mit Minen, Stacheldraht und Schießbefehl befestigte Grenze quer durch Deutschland und Europa und gleichzeitig aber auch an das Glücksgefühl einer ganzen Nation erinnern, als sie in der Folge der friedlichen Revolution in der DDR fiel. Der einstige Todesstreifen ist heute Lebensgrundlage für Pflanzen und Tiere und als Erinnerungsort verbindendes Element zwischen den Menschen.
Das abgebildete Logo soll dazu beitragen, dass sich alle Aktivitäten am Grünen Band unter einem Dach wiederfinden können. Symbolisch wird der graue Todesstreifen von der grünen Lebenslinie überlagert.
Das DDR-Grenzregime hat unendliches Leid über die Menschen gebracht und 327 Todesopfer gefordert. An derfrüheren Grenze im heutigen Sachsen-Anhalt waren es mindestens 68 Personen, die aus verschiedenen Gründen (zum Beispiel Fluchtversuch) ums Leben kamen. Die Namen der Opfer vor der Vergessenheit zu bewahren, die Erinnerung an den mörderischen Todesstreifen wach zu halten und dabei den in 40 Jahren DDR im Schutz des Stacheldrahtes entstandenen einzigartigen Biotopverbund mit seltenen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten sind gleichermaßen Auftrag des Gesetzgebers.
Im Gesetzentwurf wird daher die bewusste Auseinandersetzung mit der Geschichte der deutschen Teilung im Grenzgebiet und deren Folgen gefordert. Dazu zählen insbesondere die Vermittlung von Kenntnissen über die Entwicklung der Grenzanlagen sowie des Grenzregimes der DDR und der damit im Zusammenhang stehenden schweren Menschenrechtsverletzungen, das Gedenken und Erinnern an die Opfer sowie der Erhalt und die Markierung zeitgeschichtlich relevanter Orte und der materiellen Zeugnisse der innerdeutschen Grenze.
Das Grüne Band umfasst von der Altmark bis zum Harz eine Fläche von 4 754 Hektar. 77 Prozent der Flächen sind bereits streng geschützt, die anderen sollen bis November 2019 folgen. Seine „nationale Bedeutung“ ist erfüllt, heißt es im Gesetzentwurf, weil es mit seinen 343 Kilometern etwa 25 Prozent des Grünen Bandes Deutschland einnimmt. Dem Nationalen Naturmonument Sachsen-Anhalt kommt damit auch eine gesamtstaatliche Bedeutung zu.
Für das Nationale Naturmonument soll nach dem Willen des Gesetzgebers innerhalb von fünf Jahren ein Pflege-, Entwicklungs- und Informationsplan mit fünf Abschnitten erstellt werden: Bestandssicherung, Ziele, Entwicklungsmöglichkeiten, Umsetzung konkreter Vorhaben und Finanzierung.
Im Zusammenhang mit der Erstellung des Gesetzes zum Grünen Band ist es zu einer Besonderheit gekommen, die ein Novum in der Politik des Landes darstellt. Dabei geht es um ein Kuratorium von ehemaligen Abgeordneten des Landtags, das von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) im September 2018 berufen worden war. Ihm gehören Prof. Dr. Konrad Breitenborn (FDP), Dr. Karl-Heinz Daehre (CDU), Ulrich-Karl Engel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Manfred Püchel (SPD) an.
Das Kuratorium habe sich mit sehr unterschiedlichen parteipolitischen Hintergründen in den Dienst der Sache gestellt, weil es überzeugt ist, dass unter dem Leitgedanken „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ auch in Sachsen-Anhalt ein nachhaltiges Projekt wider das Vergessen entstehen kann, das Generationen verbindet und auch unterschiedliche Koalitionspartner zusammenführen kann, sagt Karl-Heinz Daehre, der Vorsitzende des Kuratoriums. „Wenn unsere Generation der Zeitzeugen das nicht macht, wird es nicht mehr erfolgen.“
Von der Opposition im Landtag wird Zustimmung zu dem Gesetzesvorhaben signalisiert. „Grundsätzlich begrüßt die Fraktion den Gedanken und die Möglichkeiten, die ein solches Naturmonument bietet“, heißt es bei der AfD. Und die Fraktion DIE LINKE befürwortet die Synthese von Naturschutz und Erinnerungskultur am Grünen Band ebenfalls. „Auch heute – 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR – gilt, dass Mauern und Grenzen, an denen Menschen sterben, keine Chance mehr haben dürfen“, so die Fraktion.
Über die Debatte zum Gesetzentwurf im Plenum
Zur Debatte über das Grüne-Band-Gesetz (Link)
Der Gesetzentwurf der Koalition wurde in der zweiten Juni-Sitzungsperiode in den Ausschuss für Umwelt und Energie (federführend) sowie in die Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Bildung und Kultur (mitberatend) zur weiteren Beratung überwiesen und soll nach der Sommerpause in Zweiter Beratung im Landtag behandelt werden.