Mehrgenerationenhäuser, „mobile Praxisassistentinnen“ oder das Programm „Altern mit Biss“ – die konkreten Projekte im Rahmen des seniorenpolitischen Programms des Landes sind äußerst vielfältig. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stellt es seit 2008 einen Teil des Handlungskonzeptes der Landesregierung zur nachhaltigen Bevölkerungspolitik in Sachsen-Anhalt dar. Zwei Jahre bevor das Programm ausläuft, wollte die Fraktion DIE LINKE mit einer Großen Anfrage den aktuellen Stand der Umsetzung erfragen und eine eventuelle Fortsetzung des Programms nach 2020 prüfen. Die Antwort der Landesregierung liegt nun vor und wurde im Plenum diskutiert.
Nur 25 Prozent des Programms sind umgesetzt
Das 76-seitige seniorenpolitische Programm sei nicht viel mehr als ein „Schubladenfüller“, denn lediglich 25 Prozent der beschlossenen Punkte seien umgesetzt worden, monierte Katja Bahlmann (DIE LINKE). Unverständlich sei insbesondere, dass den für viele Seniorinnen und Senioren so essentiell wichtigen Themen wie Gewalt gegen alte Menschen/Gewalt in Pflegebeziehungen, die Geriatrische Versorgung, Seniorenticket im ÖPNV, Verbraucherschutz und Altersarmut sowie dem demographischen Wandel keine Bedeutung beigemessen worden sei. Daraus lasse sich recht klar die Bedeutung der größten Bevölkerungsgruppe für die Landesregierung messen.
Außerdem konnte aus der Antwort der Landesregierung entnommen werden, dass keine Maßnahmen eingeleitet wurden, um für Gewalt und Stalking gegen ältere Menschen in der Öffentlichkeit zu sensibilisieren, obwohl die häusliche Gewalt gegen ältere Menschen seit 2014 um 83 Prozent zugenommen habe, konstatierte die Linken-Abgeordnete. Besonders betroffen mache Bahlmann außerdem die Aussage der Landesregierung zum Punkt Altersarmut in Sachsen-Anhalt. Die Aussage, das Land betreibe keine Einkommenspolitik für Ältere, lasse tief blicken. Gleichzeitig würden jegliche Anträge der Linken für diesen Bereich im Landtag abgelehnt oder verzögert.
Linke kündigen eigenen Maßnahmeplan an
Bahlmanns Fazit: „Die Landesregierung Sachsen-Anhalts betreibt eine unzureichende Politik für Seniorinnen und Senioren.“ Um dies zu ändern, werde DIE LINKE demnächst einen seniorenpolitischen Maßnahmenplan in den Landtag einbringen. Man sollte den positiven Beispielen aus anderen Bundesländern folgen, „um der älteren Generation die Wertschätzung entgegenzubringen, die es braucht, um die Lebensleistung dieser Menschen zu honorieren und ein würdevolles Leben im Alter inmitten unserer Gesellschaft zu garantieren.“
Ministerin wehrt sich und verweist auf Erfolge
Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erwiderte, das Programm sei kein Maßnahmenkatalog, sondern formuliere lediglich Leitlinien für die Seniorenpolitik, denn diese liege in der Verantwortung vieler Akteure, vornehmlich in der kommunalen Zuständigkeit. Bei der Seniorenpolitik gehe es im Wesentlichen darum, ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben im Alter hinzubekommen.
Die Ministerin verwies zudem auf die zahlreichen Dialoge am Runden Tisch, den ihr Haus mit Seniorinnen geführt habe. Außerdem sei es gelungen, das ehrenamtliche Engagement von Senioren und ihre Netzwerke zu stärken. Die Kritik beim Thema „Verbraucherschutz“ wollte Grimm-Benne nicht auf sich sitzen lassen und erklärte, dass sich alle Beratungsstellen in den letzten Jahren verstärkt dem Thema Verbraucherschutz für Senioren widmeten.
Zudem verwies sie darauf, dass das Land seit einigen Jahren den altersgerechten Umbau von Wohnungen fördere. Es gebe auch zwei Bürgerbusprojekte zur Verbesserung der Mobilität von Senioren, die gerade modellhaft in Osterburg und Möser mit Unterstützung der Landesregierung realisiert würden.
CDU: Gesamte Gesellschaft profitiert
Tobias Krull (CDU) stellte fest, etwa 34 Prozent der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt seien 60 Jahre und älter. Das Thema habe daher eine enorme Bedeutung. Allerdings würden viele politische Maßnahmen nicht nur Senioren helfen, sondern die gesamte Gesellschaft würde davon profitieren (Aufzüge, Internet, Ärzte usw.). Vor diesem Hintergrund fand 2017 auch das erste Forum der Generationen im Landtag statt.
Für noch mehr Beteiligung von Senioren in der Politik hätte das neue Kommunalverfassungsgesetz den Weg frei gemacht, so der CDU-Abgeordnete. Das ehrenamtliche gesellschaftliche Engagement von Senioren sei ein wichtiger Beitrag für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Seine Fraktion erwarte, dass zum Thema Altersarmut auf Bundesebene eine gute Lösung gefunden werde.
AfD will Familien stärken
Das seniorenpolitische Programm zeige auf, dass es unzähliger Maßnahmen bedürfe, um älteren Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Allerdings würde man auch mit diesen Maßnahmen nur die Symptome behandeln, betonte Ulrich Siegmund (AfD). Früher hätten funktionierende Familienstrukturen diese Aufgaben übernommen, dies sei heutzutage aus unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht mehr möglich.
Seine Fraktion fordert daher unter anderem, wer 30 oder 40 Jahre gearbeitet habe, müsse eine auskömmliche Rente erhalten, zudem müsste die Familie gestärkt werden. Sachsen-Anhalt bekomme es seiner Ansicht nach jedoch nicht einmal hin, eine kostenfreie Kita-Betreuung einzuführen, stattdessen würden illegale Einwanderer durchgefüttert oder Gender-Programme finanziert, kritisierte der AfD-Abgeordnete. Fazit: Nach den Chancen des demografischen Wandels, habe er in der Großen Anfrage vergeblich gesucht.
Grüne setzen auf Quartiersansatz
Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sagte, ein zentraler Ansatz, um die Teilhabe älterer Menschen zu ermöglichen, sei der Quartiersansatz und genau dieser konnte in Form einer Beratungsstelle gestärkt werden. Außerdem seien ein guter ÖPNV oder autonomes Fahren zentrale Vorhaben, um Senioren möglichst lange Mobilität zu gewährleisten.
SPD: Altersarmut muss bekämpft werden
„Ich glaube, unsere Seniorenpolitik ist nicht so schlecht, wie es Kollegin Bahlmann dargestellt hat“, erklärte Andreas Steppuhn (SPD). Es sei wichtig, das Engagement von Senioren zu unterstützen und zu stärken und gleichzeitig ihre Lebensleistung wertzuschätzen. Deshalb müsse es natürlich Verbesserungen in den Bereichen Gesundheit und Pflege geben, räumte Steppuhn ein.
Daneben habe die Landesregierung bereits viele konkrete seniorenpolitische Forderungen umgesetzt, beispielsweise die Familienpatenschaften und die Stärkung der generationsübergreifenden ehrenamtlichen Arbeit. Dennoch gebe es noch einige Baustellen, an erster Stelle nannte Steppuhn die Bekämpfung der Altersarmut durch die Einführung einer Grundrente.
Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage nicht gefasst.