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Plenarsitzung

Regierungserklärung „Klimaschutz konkret!“

19. Jun. 2019

„Um die menschengemachte globale Erwärmung aufhalten zu können, müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen ab sofort deutlich vermindert und langfristig völlig vermieden werden“, erklärte Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Prof. Dr.  Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eingangs ihrer Regierungserklärung. Denn die Auswirkungen der Klimakrise seien auch in Deutschland bereits deutlich spürbar. 

In Sachsen-Anhalt wurde 2018 ein neuer Allzeitnegativrekord mit nur 360 Millimetern Jahresniederschlag gemessen. Das waren nur zwei Drittel des langjährigen Mittels von circa 550 Millimetern. In der Forstwirtschaft wird mit einem Ausfall der Aufforstungen auf circa 1 800 Hektar gerechnet. In der Landwirtschaft gab es laut dem Statistischen Landesamt 2018 Ernteeinbußen bei Getreide von 26,7 Prozent und bei Winterraps von 29,6 Prozent. Bei Roggen betrug der Rückgang sogar 50 Prozent, erläutert die Ministerin. Für Dürrehilfen seien allein in Sachsen-Anhalt 60 Millionen Euro bereitgestellt worden.

In ihrer Regierungserklärung erläuterte Prof. Dr. Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, wie die Klimaschutzziele erreicht werden können. Parallel dazu wurde ein Antrag der Fraktion DIE LINKE beraten. Foto: fotolia.com

Kohleausstieg bietet Chance für Sachsen-Anhalt

Die Umweltministerin führte weiter aus: „Das Verfehlen der Klimaziele durch die Bundesregierung wird sich zukünftig auch finanziell schmerzlich bemerkbar machen.“ Die Nichteinhaltung der nationalen Verpflichtungen auf EU-Ebene werde den Zukauf von Emissionsrechten von anderen EU-Mitgliedsstaaten erforderlich machen. Die daraus resultierenden Kosten beliefen sich für den Bundeshaushalt im nächsten Jahrzehnt auf schätzungsweise 30 bis 60 Milliarden Euro.

Der Ausstieg aus der Kohle biete gerade für den Süden Sachsen-Anhalts eine einmalige Gelegenheit, die Region aufgrund der vorhandenen Infrastruktur und Industrie in eine zukunftsfähige Energielandschaft zu transformieren. Kein anderes Bundesland habe bereits heute eine höhere Beschäftigungsintensität (fast 25 000 Arbeitsplätze) im Bereich der erneuerbaren Energien erreicht. Das Potenzial sei noch lange nicht ausgeschöpft, so die Ministerin.

„KEK“ muss nun zügig umgesetzt werden

Als Beispiele nannte sie die Stromspeicherfabrik in Wittenberg und die von Farasis Energy angekündigte Großinvestition in Bitterfeld mit 600 neuen Arbeitsplätzen. Im Strombereich habe Sachsen-Anhalt bereits im Jahr 2017 einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung von mehr als 53 Prozent erreicht. Der Anteil am Bruttostromverbrauch liege bei fast 62 Prozent. Dalbert erinnerte daran, dass die Landesregierung im Februar 2019 im Kabinett das Klima- und Energiekonzept verabschiedet habe (kurz: KEK). Das Konzept sei ein Meilenstein zur Erreichung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimaschutzzieles von 31,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente für das Jahr 2020.

Das KEK umfasse 21 Strategien und 72 Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern (Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie und Wirtschaft sowie Land- und Forstwirtschaft/Landnutzung/Ernährung). Die konkreten Maßnahmen verdeutlichten, dass die Einsparungspläne „keine Utopie“, sondern machbar seien. Fazit der Ministerin: „Auch wenn es einige hier immer noch nicht glauben wollen: Wir sind die erste Generation, die die Klimakrise richtig spürt, und die letzte, die sie noch verhindern kann!“

Linke: Umweltschädliche Subventionen abschaffen

Kerstin Eisenreich (DIE LINKE) sagte, mittlerweile sei der Klimawandel überall auf der Erde deutlich spür- und sichtbar. Wenn dem nicht endlich entgegensteuert werde, würden weltweit immer mehr Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Es sei absurd, dass Deutschland Milliarden für den Umweltschutz ausgebe und gleichzeitig die OECD festgestellt habe, dass zehn Prozent aller Subventionen in Deutschland umweltschädlich seien (für 2010: 57 Milliarden Euro).

Gemein sei allen diesen Subventionen, dass sie dem Verursacherprinzip zuwiderliefen. Dadurch würden öffentliche Haushalte mehrfach belastet und niemanden scheine es zu stören, monierte die Linken-Abgeordnete. Subventionen müssten endlich systematisch daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen sie auf das Klima hätten und dürften sich nicht allein an Wachstumskriterien orientieren. Zudem forderte der Antrag der Fraktion DIE LINKE die Einführung einer Klimasteuer, die grundlegende Reform der Luftverkehrssteuer und die Einführung einer EU-weiten Kerosinsteuer.

AfD: KEK-Maßnahmen werden keinen Erfolg bringen

Hannes Loth (AfD) bezeichnete das KEK als „teuren Stuhlkreis“, einen messbaren Erfolg werde es nämlich nicht geben. Allein das Konzept habe bereits eine Million Euro gekostet. So würde Sachsen-Anhalt zukünftig beispielsweise teuren Ökostrom herstellen, während andere herkömmlich produzierten. Und wo sollen die größeren Flächen für die Windenergie herkommen?, fragte Loth kritisch. Sein Fazit: Umweltministerin Dalbert schade dem Land, hätte in ihrer Amtszeit keine nennenswerten Erfolge erzielt und sollte ihr Amt zurückgeben.

Sein Fraktionskollege Robert Farle (AfD) führte in seinem Redebeitrag verschiedene Zitate unterschiedlicher Klimaexperten, Wissenschaftler und Politiker sowie vom „Club of Rome“ an. [Redaktion: Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Experten verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern und wurde 1968 gegründet. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein.]

Die verschiedenen Zitate sollten belegen, dass bewusst dramatische Szenarien zum Thema Klimawandel veröffentlicht würden, um Angst unter der Bevölkerung zu schüren und ein Katastrophenszenario heraufzubeschwören, die Wahrheit und Fakten seien dabei nebensächlich. Hauptziel dieser „Ideologie der Klimarettung“ sei die Etablierung eines neuen Wirtschaftssystems, hin zu einer „sozialistischen umverteilenden Gesellschaft“, so Farle.

CDU: Klimawandel muss bezahlbar sein

Andreas Schumann (CDU) schlug vor, von „Klimawandel“ und nicht ständig von „Klimakrise“ zu reden. Regionale oder örtliche Klimaschutzmaßnahmen seien nutzlos, solange sich Schwellenländer wie China oder Indien nicht beteiligten. Bereits heute hätten die erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt einen großen Anteil an der Energieversorgung. 

Seiner Ansicht nach werde dem Klimawandel zum großen Teil von Nord- und Ostdeutschland entgegengetreten. Der CDU-Politiker erteilte weiteren Vorranggebieten allein für das Re-Powering eine klare Absage, da er keine weiteren Flächenoptionen für Windenergie sehe. Schuhmann sagte: „Am Ende wird die Energiewende nur gelingen, wenn Energiesicherheit gegeben ist und der Strom auch bezahlbar bleibt.“ Für eine Übergangszeit hält er konventionelle Kraftwerke für unverzichtbar. Dem Wald als größter CO2-Senker sollte noch mehr Bedeutung beigemessen werden.

Eine CO2-Steuer erscheine zunächst logisch, allerdings würde sie langfristig nicht greifen, ist Schumann überzeugt. Die Kosten würden Endverbraucher in unteren Einkommensschichten überproportional belasten, eine Emissionsbegrenzung geschehe nur indirekt, durch den Anreiz Geld zu sparen, das hätte die Ökosteuer bereits bewiesen. Wenn eine CO2-Steuer, dann sollte sie außerdem international gelten, damit deutsche Wirtschaftsunternehmen keinen Wettbewerbsnachteil hätten. Grundsätzlich bevorzugt Schumann den weltweiten CO2-Emissionshandel.

SPD: Mehrheit für Ausbau erneuerbarer Energien

Wenn Deutschland die verpflichtenden Ziele nicht einhalte, werde es zukünftig teuer, stellte Silke Schindler (SPD) fest. Das „Schwarze-Peter-Spiel“, wer schuld sei und zuerst handeln müsse, interessiere den Klimawandel nicht. Die Mehrheit der Deutschen hält den Klimawandel nicht für Hysterie und sei laut einer emnid-Umfrage für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien.

Die SPD-Abgeordnete unterstrich: „Klimapolitik ist mehr als die klassische Umweltpolitik“, wie das KEK deutlich zeige. Der Maßnahmenkatalog sei ein Mix aus Förder-, Bildungs- und Ordungsmaßnahmen. Aber Klimapolitik müsse auch Wirtschafts- und Sozialpolitik sein, um die betroffenen Regionen zu unterstützen. Zusätzliche Einnahmen aus einer möglichen CO2-Bepreisung sollten unbedingt der Bevölkerung zugutekommen.

Grüne: Endlich handeln!

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erklärte: „Es ist möglich, es ist machbar, wir können es schaffen!“ Klimaschutz müsse endlich auch umgesetzt werden. Allerdings dürfe nicht alles auf dem federführenden Umweltministerium abgelegt werden. So müsste beispielsweise im Verkehrsministerium noch einiges mehr getan werden. Gleichzeitig sollte sich natürlich auch das Handeln in der Bundesregierung ändern. Im Antrag der Fraktion DIE LINKE stünden viele gute Ansätze, wie beispielsweise die Streichung von umweltschädlichen Subventionen.

Nach der Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE in den Ausschuss für Umwelt und Energie (federführend) und in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung (mitberatend) überwiesen.