Die Reihe „Landtag im Dialog“ machte am 6. Juni 2019 Station im Magdeburger Albert-Einstein-Gymnasium. Unter dem Titel „Beruf: Lehrer/in – Wie gewinnt Sachsen-Anhalt den Wettbewerb um die besten Köpfe?“ diskutierten Abgeordnete aus allen im Landtag vertretenen Fraktionen miteinander, aber auch mit Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften. Zentrale Frage war, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um das Interesse für den Lehrerberuf zu wecken.
Der Diskussion stellten sich auf Einladung von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch Dr. Katja Pähle (SPD), Florian Philipp (CDU), Thomas Lippmann (DIE LINKE), Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD).
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Sie diskutierten mit Schülern und Lehrern (v.l.nr.): Dr. Tino Grosche (Moderation), Olaf Meister (GRÜNE), Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch, Thomas Lippmann (DIE LINKE), Dr. Katja Pähle (SPD), Florian Philipp (CDU) und Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD). Foto: Stefanie Böhme
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Das Publikum aus Lehrern und Schülern nutzte die Chance, bei der Reihe „Landtag im Dialog“ mit den Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Foto: Stefanie Böhme
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Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch und Moderator Tino Grosche hatten Abgeordnete und Publikum immer im Blick. Foto: Stefanie Böhme
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Einige der anwesenden Schüler konnten sich durchaus vorstellen, nach ihrem Abitur Lehrer zu werden, wie Moderator Tino Grosche erfuhr. Foto: Stefanie Böhme
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Bei der Diskussionsrunde „Landtag im Dialog“ ging es im Magdeburger Albert-Einstein-Gymnasium um die Frage, wie junge Menschen für den Lehrerberuf begeistert werden können. Foto: Stefanie Böhme
Erinnerungen an die eigene Schulzeit
Zu Beginn der Diskussion wurden die Abgeordneten gebeten, ein kleines Schulresümee zu ziehen: „Lieblingsfach Biologie, Physik bei der ersten Gelegenheit abgewählt“, konstatierte etwa Katja Pähle. „Geographie top, Russisch Flop“, erinnerte sich Olaf Meister. Thomas Lippmann war/ist Lehrer für Mathematik und Physik, „und die beiden Fächer haben natürlich auch am meisten Spaß gemacht“. Deutsch und Mathe hätten ihm gelegen, auf dem Kriegspfad sei er aber mit dem Fach Biologie gewesen, räumte Hans-Thomas Tillschneider ein. Florian Philipp bezeichnete sich selbst als Störenfried in der Schule, war aber Sportbegeisterter, Musik und Kunst dagegen hätten ihm so gar nicht gefallen.
Quo vadis, Lehrerausbildung?
Es sei ein Fehler gewesen, die Lehrerausbildung in Magdeburg zu schließen, konstatierte Thomas Lippmann. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sei mittlerweile an ihre Leistungsgrenzen gestoßen. Man müsse darüber reden, die Ausbildung auch wieder in Magdeburg anzusiedeln.
Die Kapazitäten seien mittlerweile an beiden Standorten erhöht worden, betonte Katja Pähle. An der Spezialisierung der Ausbildung an zwei Standorten wolle sie aber festhalten.
„Wie kriegt man den Beruf wieder sexy? Vielleicht durch Influencer auf Youtube?“, mutmaßte Florian Philipp.
Die naturwissenschaftliche Tradition der Universität Magdeburg hätte ausschlaggebend für den Verbleib der MINT-Fächer-Ausbildung in Magdeburg sein müssen, erklärte Hans-Thomas Tillschneider. Die Lehrerausbildung müsse grundlegend reformiert werden: Sie müsse entbürokratisiert werden, die solide Fachkenntnis müsse gegen das „pädagogische Beiwerk“ aufgewertet werden.
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Um den Lehrerberuf attraktiver zu machen, brauchen wir mehr akademische Freiheit, weniger ideologische Vorgaben (Inklusion) und weniger Bürokratie. Das fängt schon bei der Ausbildung an: Der Vorbereitungsdienst muss entschlackt, der Seiteneinstieg für qualifizierte Akademiker flexibel gestaltet werden. Die planwirtschaftliche Praxis, nach der das Land den Hochschulen regelmäßig Kontingente für das Lehramtsstudium zuweist, ist zu beenden – die Universitäten brauchen mehr Planungsfreiheit, um das Auf und Ab von Lehrermangel und -schwemme zu unterbinden.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) - Anmerkung:
Lehrerin oder Lehrer zu werden ist für junge Menschen dann attraktiv, wenn sie in ihrer eigenen Schulzeit gute Erfahrungen gemacht haben. Deshalb kommt es darauf an, für gute Bedingungen in den Schulen zu sorgen, Unterrichtsausfall zu vermeiden und die Schule nicht nur zu einem guten Lernort, sondern zum Lebensraum zu machen. Bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte aber vor allem auch mehr Studienangebote nicht nur in Halle, sondern auch in Magdeburg sowie mehr Flexibilität bei den Einstellungen sind entscheidende Voraussetzungen für mehr Nachwuchs im Lehrerzimmer.
Thomas Lippmann (DIE LINKE) - Anmerkung:
Wir müssen dafür sorgen, dass der Lehrerberuf auf allen Ebenen attraktiver wird. Es braucht neben den Kapazitätssteigerungen an den Universitäten flexible Ausschreibungen, die dafür sorgen, dass die ausgebildeten Lehrkräfte auch an den Schulen ankommen. Um auch SeiteneinsteigerInnen langfristig zu motivieren, brauchen sie klare Perspektiven für ihre Aus- und Weiterbildung. Wichtig ist aber nicht zuletzt die Anerkennung und die Bezahlung der Lehrkräfte, die schon lange vor den Klassen stehen: Mehrarbeit muss ordentlich vergütet und Anrechnungsstunden dürfen nicht weiter gekürzt werden.
Dr. Katja Pähle (SPD) - Anmerkung:
Der Fachkräftemangel ist auch bei den Lehrerinnen und Lehrern sichtbar. Wir müssen daher freiwerdende Stellen unverzüglich und flexibel ausschreiben, Quer- und Seiteneinsteigern eine Chance – auch auf gerechte Bezahlung sowie Aufstieg - geben und aufgeweckte Lehrergewinnung betreiben. Der unkomplizierte Zugang in den Schuldienst muss als offene Tür das Gegenteil vom Dschungelweg durch die Vorschriften sein. Auch den aktuell tätigen Pädagoginnen und Pädagogen die Überstunden ordentlich zu bezahlen und nicht nur durch Freizeitausgleich abzugelten, war ein weiterer wichtiger Schritt. Mit den Fragen der guten Besoldung und Ideen von flexiblen Zeitkonten müssen wir uns weiter beschäftigen, um den Lehrerinnen- und Lehrerberuf im Land attraktiv zu gestalten.
Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Anmerkung:
Die Bewerberzahlen zeigen, dass der Lehrerberuf für viele junge Menschen ein attraktiver Beruf ist. Wir sollten uns aber fragen, wie wir die besten Schülerinnen und Schüler motivieren, den Lehrerberuf zu ergreifen. Deswegen dürfen wir die Arbeitsbedingungen mit Bezug auf die Arbeitsbelastung nicht verschlechtern und in einigen Bereichen verbessern. Ein wichtiges Kriterium ist hier auch die Bezahlung. Des Weiteren müssen wir darauf achten, dass die Studienbedingungen und Studieninhalte den Ansprüchen der jungen Generation entsprechen.
Florian Philipp (CDU)
Wortmeldungen aus dem Publikum
„Lebenslanges Lernen zeichnet einen guten Lehrer aus“, erklärte Marga Kempe, stellvertretende Schulleiterin am Albert-Einstein-Gymnasium Magdeburg. „Denn man hat immer wieder neue Schülerinnen und Schüler und Veränderungen in der Gesellschaft vor sich, auf die man sich einstellen muss.“
Fachkompetenz sei eine wichtige Grundlage, aber Lehrerin und Lehrer müssten auch über die Fähigkeit verfügen, auf die Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer einzugehen. Freilich müssten auch die Rahmenbedingungen für die Arbeit stimmen – das betreffe Karrierechancen ebenso wie die personelle und materielle Ausstattung an den Schulen.
Prof. Dr. Stefanie Rach vom Institut für Algebra und Geometrie (Didaktik der Mathematik) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg betonte, es bedürfe fachdidaktischen und pädagogischen Wissens gleichermaßen. Sie setzt sich für die Weiterentwicklung ihres Fachgebiets an der Uni Magdeburg ein. Aktuelle Pläne aus dem Bildungsministerium liefen dem zuwider.
„Die Anzahl der Ausbildungsplätze müssen erhöht werden“, legte sich Michael Nethert, Lehrer für Mathe und Physik am Magdeburger Einstein-Gymnasium, fest. Die Wertschätzung des Lehrers in der Gesellschaft müsse erhöht werden, so könnten junge Menschen stärker animiert werden, selbst Lehrer/in zu werden.
Fachkompetenz allein reiche nicht aus, das vorhandene Wissen müsse auch an die Schüler/innen ermittelt werden können, war der einhellige Tenor unter den Schüler/innen. Der Zugang zum Studium werde manchmal ziemlich erschwert (zum Beispiel zu hoher Numerus Clausus).
„Ist es nicht wichtig, den Schülerinnen und Schülern eine Handlungs- und Urteilskompetenz mit an die Hand zu geben?“, fragte Tobias Michalak, Lehrer für Englisch und Sozialkunde am Einstein-Gymnasium Magdeburg. Das Fach Sozialkunde sollte stundenmäßig ausgeweitet werden.
Den Fächern Geschichte, Ethik und Philosophie sollte ein größerer Stellenwert im Stundenplan eingeräumt werden, um eben die angesprochene Urteilskompetenz erlernen zu können, sagte ein Schüler. Der Sozialkundeunterricht wäre dann – in ausgebauter Form – der zweite Schritt, um sich mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.
„Die einen wollen es besser machen, die anderen wollen es ihren eigenen Lehrern gleichtun“, erklärte Ethik- und Geschichtslehrer Erik Starke vom Einstein-Gymnasium den Wunsch, den Lehrerberuf zu ergreifen. Aber könne er es auch empfehlen? Derzeit eher nicht, räumte er ein. Die Belastung neben dem eigentlichen Unterricht sei sehr hoch, hinzu komme ein Bürokratieberg, der schwer abzuarbeiten und manchmal schlichtweg sinnlos sei.
Kleines Fazit zur Veranstaltung
In Sachsen-Anhalt herrschten vor allem Kapazitätsprobleme bei der Ausbildung an den Universitäten, so das einmütige Resümee der „Landtag im Dialog“-Veranstaltung in Magdeburg. Die Schaffung vieler neuer Studienplätze zöge auch die Notwendigkeit von deren Ausfinanzierung und materieller/personeller Ausstattung nach sich.
Wie es weitergeht
Die nächste „Landtag im Dialog“-Veranstaltung findet bereits am 12. Juni 2019 (19 Uhr) in Dessau-Roßlau statt. Hier wird das Thema „Geht es ohne Auto? Wie fit ist der ÖPNV?“ sein.