Der Ausschuss für Umwelt und Energie hat sich am Mittwoch, 22. Mai 2019, in einer öffentlichen Anhörung in Steckby mit dem Naturschutzgroßprojekt „Mittlere Elbe" beschäftigt. Konkret ging es um die Ausweisung des Naturschutzgebiets „Mittelelbe zwischen Mulde und Saale". Parallel dazu wurde auch über eine Petition zum Thema beraten.
Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert hielt es für eine gute Idee, die Sitzung vor Ort abzuhalten. In den vergangenen Jahren habe das Thema die Bevölkerung immer wieder bewegt und das Ausweisungsverbot habe viele Fragen bei den Bürgern aufgerufen. Man habe sich bemüht, diese und andere Fragen in der Vergangenheit auf unterschiedlichen Informationsveranstaltungen zu beantworten. Auch das Ausweisungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden und habe für alle eine öffentliche Beteiligung sichergestellt, erklärte die Umweltministerin. Dalbert erläuterte weiter, dass sowohl das Verfahren als auch die Auswirkungen erklärt worden seien.
Ministerin: Verordnung ist guter Kompromiss
An einigen Stellen sei im Sinne der Bürger auch erheblich nachbessert worden, insbesondere bezüglich der „Betretungsverbote“. Im Rahmen des Verordnungsverfahrens sei jede einzelne der mehr als 1 000 Einwendungen betrachtet worden. Dabei hätte jedes Mal der Schutzzweck mit den Einwänden abgewogen werden müssen. „Ich bin überzeugt, dass mit der Verordnung ein guter Kompromiss gefunden wurde“, so Dalbert.
Die Verordnung sollte so praxisnah wie möglich ausgestaltet werden, erklärte Jürgen König vom Ortschaftsrat Großkühnau. Dabei ginge es beispielsweise um Fragen wie: „Wo kann man sich wie bewegen? Welche Flächen kann man wie benutzen?“ Die Wahl des Verfahrens habe, seiner Meinung nach, nicht dazu beigetragen, den Bürgern ein besseres Verständnis für die Landtagsarbeit zu vermitteln. Der reine Verwaltungsakt sei nur schwer verständlich, so König.
Einzelne Regelungen sollten überarbeitet werden
Die Verordnung habe beispielsweise unheimlich viele neue Schilder produziert. Er bat darum zu prüfen, welche praktischen Auswirkungen die Verordnung für die unteren Naturschutzbehörden habe (zum Beispiel mehr Personal). Grundsätzlich begrüßte er die Sitzung vor Ort und wünschte sich, dass die Landtagsabgeordneten noch öfter vor Ort wären.
Wolfgang Platte, von der Bürgerinitiative „offener Brief“ für den Bereich Steutz und Steckby, hätte sich gewünscht, dass man den betroffenen Bürgern ein bisschen eher zugehört hätte. Nun gebe es die Verordnung [Red.: seit 1. Januar 2019 in Kraft] allerdings und man müsse erstmal damit klarkommen. Er kritisierte, dass die Eigentümer die Nutzungsänderung der ausgewiesenen Flächen am Ende im Sinne des Naturschutzes einfach akzeptieren müssten. Unklar bliebe weiter, wie mögliche Ausgleichsmaßnahmen geregelt werden. Platte fragte, wenn beim Grünen Band ausgleichende Regelungen für Eigentümer gefunden werden sollen, warum dann nicht auch beim Naturschutzgebiet Steckby?
Schere zwischen Ökologie und Ökonomie
Peter Gottschalk aus Lindau, selbst Grundeigentümer und Betroffener in dem Gebiet, forderte eine echte Evaluation vom Landesverwaltungsamt. „Nach wie vor sehen wir die Verbote sehr kritisch, da sie keinerlei Wirkung haben werden.“ Als Beispiele nannte er das Betretungsverbot oder die Stickstoffobergrenzen in der Landwirtschaft. Gottschalk sprach sich daher für „Feldversuche“ aus, die er als eine Art „Wiedergutmachung“ bezeichnete, sonst fürchtet er, würde die Schere zwischen Ökologie und Sozioökonomie zu weit auseinander gehen. Er bemängelte zudem, dass die Förderung von Ökolandbau in Naturschutzgebieten nicht mehr möglich sei, dies müsste dringend überarbeitet werden. Die Unsicherheit sei bei allen Beteiligten groß, so hätten Angler beispielsweise Angst, dass es keine Verlängerung der Pachtverträge gebe.
Evaluierung bis Mitte 2020 geplant
Bevor die Verordnung erarbeitet wurde, sah der Entwurf zur Ausweisung des Naturschutzgebietes ganz anders aus, betonte Gert Zender, Leiter der Abteilung Landwirtschaft und Umwelt des Landesverwaltungsamtes (LVWA). Die jetzige Ausweisung sei natürlich auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgt. Seine Behörde habe immer ein Eigeninteresse ihre Arbeit zu evaluieren, denn es mache keinen Sinn, eine Verordnung zu beschließen, die nicht funktioniere. Die Evaluierung muss laut Kabinettsbeschluss bis Mitte 2020 durchgeführt worden sein, berichtete Zender. Falls es danach Änderungsbedarf geben sollte, müsste dieser in ein Veränderungsverfahren eingebracht werden.
Zur Problematik Pachtverträge für Angler erklärten Gerd Zender und sein Kollege aus dem LVWA, dass die bestehende Verordnung es durchaus ermöglicht, Pachtverträge zu verlängern. „Dort, wo jetzt bereits geangelt wird, kann es problemlos weitergehen.“ An anderen Stellen, gebe es ein entsprechendes Prüfverfahren. Grundsätzlich kämen die Angler auch weiterhin an die Elbe, nur an manchen sensiblen Bereichen sie das Betreten während der Brutzeiten verboten. Alle Informationen zu der Verordnung finden sich zudem Online.
Bürger bezweifeln Sinn von Betretungsverboten
Reinhard Markmann, ein Jäger aus der Region, kritisierte, dass es viel zu spät die Möglichkeit gab, sich ins Verfahren einzubringen. Auch nach intensiven Gesprächen mit dem Landesverwaltungsamt seien noch immer viele Dinge in der Verordnung enthalten, die für viel Bürger vor Ort nicht nachvollziehbar sind und „dem Naturschutz einen Bärendienst erweisen“. Markmann verwies beispielsweise auf das Betretungsverbot der Auen: Schon jetzt würden sich die meisten Menschen nur auf den ausgeschriebenen Wegen bewegen. Das Argument dadurch würden die Bodenbrüter besser geschützt, stimme somit also nicht. Diese würden viel stärker von der steigenden Zahl an Waschbären gestört oder getötet.
Gerhard Kitzing, Ortsbürgermeister in Großkühnau, beschrieb die aufgeheizte Stimmung im Ort wegen der Verordnung und die Unsicherheit bei allen Betroffenen (Jäger, Angler, Wasserwehr, Reiter, Pensionen, Tourismusverbände). Das große Ziel, den Großkühnauer See [Red.: Herzstück des Ortes] aus dem Betretungsverbot herauszunehmen und eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, sei bisher nicht gelungen. Momentan fehle es auch noch an der entsprechenden Beschilderung und es fehlten Handlungsrichtlinien „Wer was umsetzen darf?“ Daher würde er sich als Ortsbürgermeister wünschen, dass Informationen schnell weitergegeben werden, dass sie auch für „Nicht-Verwaltungsexperten“ zu verstehen sind.
Naturschutz braucht Akzeptanz
Ronald Doege, Stadtplaner in Aken, verwies vor allem auf den Verlust von erlebbarer Natur und Landschaft durch die Ausweisung des Naturschutzgebiets. Zwar gebe es Ausnahmen durch geführte und geplante Wanderungen, ein ungeplantes Betreten der Natur ist jedoch nicht mehr überall möglich. Das „zarte Pflänzchen Tourismus“ gedeihen zu lassen, werde dadurch nicht leichter.
Außerdem sieht Doege den Brandschutz und Rettungsdienst entlang der Elbe gefährdet, da zukünftig eventuell manche Wege nicht mehr genutzt werden können. Doege sagte: „Naturschutz in dieser Region braucht Akzeptanz“, ob diese Verordnung dazu beitrage, daran habe die Stadt Aken erhebliche Zweifel. Es sei wichtig, dass die Menschen die Verordnungen nicht als Hindernis empfinden, sondern es weiterhin ein Miteinander zwischen Mensch und Natur gibt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Energie, Jürgen Barth, dankte allen Bürgern für ihr Kommen, die Hinweise und Diskussionsbereitschaft. Er versicherte, der Ausschuss werde das Thema weiter im Blick behalten und die Bürger könnten sich jederzeit mit Problemen an den Ausschuss wenden. Beschlüsse wurden am Ende der öffentlichen Anhörung nicht gefasst.