Die Abberufung des Vorsitzenden der Enquete-Kommission „Linksextremismus“, Daniel Roi (AfD), wurde von Abgeordneten aus den Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (45 im Antrag) beantragt. Als nachgewiesener Teilnehmer eines neonazistischen Aufmarsches im Jahr 2009 in Dresden sei der Abgeordnete Roi als Vorsitzender einer Enquete-Kommission, die der Stärkung des Rechtsstaats dienen soll, nicht länger tragbar, so die Begründung.
Zuletzt sei im Landtag von Sachsen-Anhalt vor 20 Jahren ein Abgeordneter als Vorsitzender eines Ausschusses abberufen worden, erinnerte Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch. Voraussetzung für eine Abberufung ist, dass zwei Drittel der Mitglieder des Landtags diese bei der Abstimmung unterstützen.
Abgeordneter Roi rechtfertigt sich
Ein zehn Jahre altes Bild sei Anlass für dieses Schauspiel, monierte der Abgeordnete Daniel Roi (AfD). Dieses Foto zeigt ihn als Teilnehmer einer Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden. Seit seiner Jugend sei er gesellschaftlich aktiv, an der rechten Demonstration habe er interessehalber im Sinne seines angestrebten Politikstudiums teilgenommen, so Roi, „die AfD hat es damals noch nicht gegeben“. Dafür werde er sich auch nicht entschuldigen.
„Lehnen jede Art von Extremismus ab“
Der Vorsitz eines Ausschusses oder einer Enquete-Kommission sei mit einer gewissen Außenwirkung verbunden, erklärte Andreas Schumann (CDU). Der Abgeordnete Roi erkenne keinen Fehler in seiner damaligen Teilnahme an der Demonstration. „Er reflektiert sein Verhalten überhaupt nicht oder – was noch viel schlimmer wäre – fühlt sich in seinem Gedankengut bestätigt“, kritisierte Schumann: „Wir lehnen jede Art von Extremismus ab. Wer sich nicht distanziert, macht sich auf Dauer unglaubwürdig.“ Schumann empfahl der AfD mehr Sorgfalt bei der Auswahl von Kandidaten.
„Lassen uns nicht alles bieten“
Kurz nachdem der Abgeordnete Roi Demokratiefeinde angeprangert habe, seien Fotos veröffentlicht worden, die zeigten, wo die Feinde der Demokratie eigentlich zu finden seien: Daniel Roi in den ersten Reihen bei „dem“ Nazievent der NPD in Dresden in den 2000er Jahren, rekapitulierte Henriette Quade (DIE LINKE). Roi habe sich in den letzten Tagen noch einmal selbst entlarvt, statt Stellung zu beziehen, er habe lediglich kritisiert, dass er bei der Demonstration fotografiert worden sei. Obwohl in der AfD-Fraktion niemand für die Besetzung einer solchen Stelle geeignet sei, heiße das noch lange nicht, „dass wir uns hier alles bieten lassen müssen“, so Quade.
AfD hat entgrenztes Verständnis von Linksextremismus
Der Naziaufmarsch, an dem Daniel Roi teilgenommen habe, sei nicht irgendein Aufmarsch gewesen, sondern einer der sogenannten Trauermärsche, die lediglich die Manipulation des historischen Bewusstseins zum Inhalt hätten, sie sollen dazu dienen, das Naziregime reinzuwaschen, konstatierte Dr. Katja Pähle (SPD). Täglich zeigten sich die offen verfassungsfeindlichen Verbindungen verschiedener AfD-Politiker. „Wir erwarten nicht, dass wir in der Enquete-Kommission künftig sachlich arbeiten können“, sagte Pähle. Denn es bestehe bei der AfD ein entgrenztes Verständnis von Linksextremismus; es gebe kein einheitliches Grundverständnis, was Linksextremismus überhaupt sei. „Ergebnisse in der Sache sind also nicht zu erwarten.“
Als Vorsitzender fehl am Platz
Die Freien Nationalisten Dessau-Aken-Bitterfeld, mit denen der Abgeordnete Roi seinerzeit marschiert sei, wurden als rechtsextremistisch und gewaltbereit eingeordnet, mit einem freiheitlich-demokratischen Grundverständnis habe das nicht viel zu tun, erklärte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die von Roi vorgebrachte Erklärung sei bizarr. Zudem habe er sich mehrfach gegen gesellschaftliche Strukturen ausgesprochen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten. Damit sei er als Vorsitzender der von ihm bisher geleiteten Enquete-Kommission fehl am Platz. Für die Stelle des Rettungsschwimmers werde ja auch kein Nichtschwimmer eingesetzt, so Meister.
Nach den Redebeiträgen der Abgeordneten wurde die Sitzung für eine Viertelstunde unterbrochen. Ein Abgeordneter der AfD-Fraktion hatte zuvor moniert, dass die Absetzung Rois gegen die Verfassung verstoße. „Wir verfahren nach Recht und Gesetz“, befand Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch nach der Pause und setzte die Sitzung wie geplant – mit einer namentlichen Abstimmung – fort.
Von den 86 abgegebenen Stimmen votierten 63 für die Abberufung Daniel Rois als Vorsitzender der Enquetekommission „Linksextremismus in Sachsen-Anhalt. Analyse, Sensibilisierung und Prävention zur Stärkung und Wahrung des Rechtsstaates in der Auseinandersetzung mit der linken Szene“, 23 votierten dagegen. Damit wurde die erforderliche Mehrheit erzielt.