„Die beabsichtigte Reform des Urheberrechts im digitalen Zeitalter begründet eine rückwärtsgewandte Urheberrechtsdebatte, unnötige Presseverlegerrechte (Artikel 11), die schon in Deutschland und Spanien in der Praxis versagt haben, und bedroht die Garantie von Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Kunstfreiheit im Internet durch die sogenannten Uploadfilter (Artikel 13)“, befindet die Fraktion DIE LINKE und initiierte für den 1. März 2019 eine Aktuelle Debatte. Die endgültige Abstimmung des Europäischen Parlaments stehe noch aus. Die antragstellende Fraktion hielt es für dringend geboten, auch im Landtag von Sachsen-Anhalt über die Folgen der Reform zu debattieren.
„Uploadfilter führen zur Zensur des Internets“
Seit einigen Jahren tobe europaweit eine intensive Auseinandersetzung um eine EU-Richtlinie zum Urheberrecht, allerdings nicht in Sachsen-Anhalt, wunderte sich Wulf Gallert (DIE LINKE). Politische Akteure entschieden über eine Lebensrealität der jüngeren Generationen, dabei hätten die Entscheider eigentlich keine Ahnung davon. Es gehe um ein großes Stück vom Kuchen der Wertschöpfung, es gehe um viele Milliarden Euro, so Gallert.
Plattformen wie YouTube und andere würden verpflichtet, nur Inhalte anzuzeigen, die nicht gegen Lizenzen und Urheberrecht verstießen – „das geht nicht ohne Uploadfilter“, sagte Gallert: „Aber Uploadfilter führen zur Zensur des Internets! Einmal eingeführt, könnten diese Filter ruckzuck politisch genutzt werden.“ Gallert schlug vor, stattdessen eine lange diskutierte Digitalsteuer einzuführen oder die Werbeeinnahmen der großen Unternehmen real zu besteuern, um Künstler/innen finanziell zu unterstützen.
Schöpferische Leistungen im digitalen Kontext
Die Reform des Urheberrechts sei im Februar im Trilog auf EU-Ebene verabschiedet worden, die endgültige Entscheidung im Parlament und im Ministerrat stünden noch aus, erklärte Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU). Sie soll einen Ausgleich zwischen vielfältigen Interessen darstellen. Unstrittig sei, dass der urheberrechtliche Rechtsrahmen einer Novellierung bedarf. Es gelte, schöpferische Leistungen auch im digitalen Kontext zu schützen.
In der Novelle seien zum einen ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage (§ 11; Regulierung ohne zeitliche Rückwirkung, Begrenzung des Schutzes auf zwei Jahre), zum anderen die Verantwortung von Plattformen (§ 13; grundsätzlich sind sie verpflichtet, eine Lizenz für urheberrechtlich geschützte Inhalte zu erwerben, alles andere soll gelöscht werden). Auf diese Weise sollen die Gewinne zwischen den Plattformbetreibern und den Urheber/innen gleicherweise verteilt werden. Zahlreiche Künstler lehnen diese Regelung allerdings ab, räumte Robra ein.
„Uploadfilter sind Glyphosat für die Internetkultur“
Das Internet stelle die Wahrung des geistigen Eigentums vor eine kaum lösbare Situation, sagte Dr. Falko Grube (SPD). Bisher sei bei einem Plattform-Upload jeder selbstständig zur Wahrung des Urheberrechts verantwortlich, das solle sich mit der Reform allerdings ändern. Es gebe einen klaren Paradigmenwechseln: die Verantwortung der Plattformbetreiber rücke in den Fokus, so Grube. Hier könnten aufgrund der Masse der Uploads nur automatische Filter zum Einsatz kommen.
Der substanzielle Kern der Plattforminhalte (Kritik, Satire, „Memes“) würde automatisch gelöscht, obwohl keine substanzielle Urheberrechtsverletzung vorliege. Diese Regelungen richteten sich gegen die selbstverständliche Lebenswirklichkeit vor allem der jungen Menschen. „Die Uploadfilter sind das Glyphosat für die Internetkultur“, betonte Grube. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene würden Uploadfilter als „unverhältnismäßig abgelehnt“, deswegen sei es für die SPD mehr als fragwürdig, warum es aus Deutschland Zustimmung zu diesen EU-Regelungen gebe. Grube sprach sich für eine Fair-Use-Doktrin auf Plattformen aus, also die konfliktfreie Nutzung von Kunst, wenn sie nicht für kommerzielle Zwecke eingesetzt werde.
„Nein zur Internetzensur“
Er spreche sich grundsätzlich für den Schutz von Urheberrechten aus, allerdings stelle er sich gegen die technische Umsetzung der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie mit Uploadfiltern, erklärte Tobias Rausch (AfD). Die Plattformen müssten jede Datei mit dem Ursprungsmaterial abgleichen, um Verstöße zu erkennen. Dies ginge nicht händisch, sondern nur maschinell.
Aber Filter könnten Satire, Texte mit Zitaten oder Ironie nicht erkennen – und würden diese Inhalte sofort löschen, monierte Rausch. Legale Inhalte und Positionen dürften aber nicht durch einen Filter vorsorglich zensiert werden, die freie Meinungsäußerung werde hier unverhältnismäßig eingeschränkt, betonte der AfD-Abgeordnete: „Wir sagen klar Nein zu Uploadfiltern und Internetzensur.“
Bekanntgewordene Bedenken ernst nehmen
„Die öffentliche Debatte verlief bisher etwas unter dem Radar“, sagte Markus Kurze (CDU). Die Plattformen hätten bisher keine Verantwortung für das Urheberrecht übernehmen müssen, „damit ist jetzt Schluss.“ Nachrichtenagenturen, Künstler und Autoren würden von der Maßnahme profitieren. Die Beschränkung der Inhalte dürfe aber nicht dazu führen, dass bereits lizensiertes Material geblockt würde.
„Wir wollen auch weiterhin eine Freiheit im Internet, Zensur ist ein Relikt aus der Vergangenheit“, versicherte Kurze. „Wenn wir die Novelle so wie geplant umsetzen, haben wir die gesamte junge Generation gegen uns, und das können wir nicht zulassen.“ Die bekanntgewordenen Bedenken sollten ernst genommen und die Novelle nachgebessert werden. Geistige Arbeit müsse fair vergütet werden, insbesondere wenn auch ein Dritter davon profitiere. Aber: „Kommt § 13 wie geplant, verändert sich das Internet – und das wohl nicht zum Besseren“, mutmaßte Kurze.
Keine neuen Hürden aufbauen
Zustimmung zur Urheberrechtsdebatte sei nach der Debatte im Landtag nicht wirklich zu erkennen, stellte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fest. „Ein harmonisierter Rechtsrahmen und eine angemessene Vergütung für kreative Leistungen in digitalen Zeiten war und ist vollkommen gerechtfertigt“, betonte Striegel. Denn Kreative müssten entsprechend beteiligt, die Plattformen demzufolge in die Pflicht genommen werden.
Aber es dürften dadurch keine neuen Hürden für den öffentlichen Meinungsaustusch aufgebaut werden. Die automatisch erstellte Vorschau auf einen Text wäre schon betroffen: „Das Teilen von Nachrichten wäre so nicht mehr möglich“, erklärte Striegel. In digitalen und mobilen Zeiten sei die Urheberrechtsnovelle ein leicht durchschaubarer Versuch, die Digitalisierung rückgängig zu machen. Es drohe eine massive Einschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit, eine Verödung der Inhalte und eine noch größere Marktmacht der großen Plattformanbieter
Am Ende der Aktuellen Debatten wurden keine Beschlüsse gefasst.