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Plenarsitzung

Breite Information als „Werbung“ verboten

Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung führte am Freitag, 22. März 2019, eine öffentliche Anhörung auf Basis eines Antrags der Fraktion DIE LINKE durch. Darin fordert die Fraktion die Streichung des § 219a im Strafgesetzbuch, also das Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Darüber hinaus soll die Landesregierung aufgefordert werden, die bestehende Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen zur Streichung von § 219a StGB zu unterstützen.

Auf Bundesebene war kürzlich Bewegung in eine Neubewertung des entsprechenden Paragraphen gekommen. Auslöser dafür war nicht zuletzt der Prozess gegen eine Gießener Gynäkologin im vergangenen Jahr. Sie hatte auf ihrer Website über legale Abtreibungen informiert und war deshalb wegen des Verstoßes gegen das Werbeverbot nach § 219a zu einer Geldbuße in Höhe von 6 000 Euro verurteilt worden.

Machen Ärztinnen und Ärzte in irgendeiner Form öffentlichkeitswirksam (zum Beispiel auf einer eigenen Internetseite) darauf aufmerksam, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, stehen diese laut Gesetz § 219a als „werbende Handlungen unter Strafe“. Nicht nur bei den betroffenen Medizinern stößt diese gesetzliche Regelung seit langer Zeit auf Widerstand. Von Interessengruppen wird daher die Veränderung oder gar Abschaffung des Paragraphen gefordert.

Die Bundesregierung hatte kürzlich einen Gesetzentwurf zur Abstimmung in den Bundestag eingebracht, die eine – der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung angemessene – Anpassung des § 219a beinhaltet. Demnach dürfen die durchführenden Stellen zwar über die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs informieren, beispielsweise aber nicht über dabei angewandte Methoden. FDP, Die Linke und Die Grünen im Bundestag hatten sich – erfolglos – für eine Streichung des § 219a eingesetzt.

  • Ziel des Bundesgesetzes

    Ziel des Gesetzes ist die Verbesserung der Information von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen sowie Rechtssicherheit für Ärztinnen, Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Gleichzeitig soll das Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch erhalten bleiben, um das Rechtsgut des ungeborenen Lebens zu schützen.

  • Begründung im Bundesgesetz

    Für Frauen, die einen straffreien Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, kann es daher heute problematisch sein, Informationen über Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser und Einrichtungen zu erhalten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die betroffenen Frauen benötigen somit oftmals nach der Beratung noch zusätzliche Zeit, um eine Stelle ausfindig zu machen, wo der Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden kann.

    Neben der Beratung in den Beratungsstellen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz sind heute Informationen und Bewertungen unterschiedlichster Qualität auch über das Internet breit verfügbar. Angesichts der Sensibilität des Themas ist es geboten, dass neutrale, medizinisch und rechtlich qualitätsgesicherte Informationen auch von Seiten staatlicher oder staatlich beauftragter Stellen zur Verfügung stehen.

Stimmen aus der Anhörung

Die von der Koalition auf Bundesebene erzielte Modifizierung des § 219a fehle es an einem nachvollziehbaren Bedürfnis, das sogenannte Werben für Schwangerschaftsabbrüche weiterhin unter Strafe zu stellen, erklärte Richter Dr. Christian Hoppe, Vorsitzender des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt. Seiner Ansicht nach reichten dafür Sanktionen unterhalb einer Straftat (Bußgeld). Eigentlich sei das „Werben“ dem eigentlichen Schwangerschaftsabbruch juristisch nachgeordnet, habe zuletzt aber größere Bedeutung gewonnen – „wer wirbt, macht sich strafbar“, dies gelte lediglich gegenüber „Lieschen Müller“, nicht aber gegenüber ärztlichen Kollegen. Zu einer verantwortungsvollen Information seien die Ärzte (und diese allein!), die den Eingriff auch durchführten, durchaus in der Lage, dafür bedürfe es keiner separaten Aufklärungs- und Beratungsstelle, zeigte sich Hoppe überzeugt. Alles andere führe zu einer unnötigen Hürde für betroffene Frauen und einer unnötigen Kriminalisierung der Ärzteschaft.

Er habe in all seinen Berufsjahren keine einzige Frau getroffen, die sich die Entscheidung eines Schwangerschaftsabbruchs leichtgemacht hätte, betonte Prof. Dr. Serban-Dan Costa, Direktor der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin am Universitätsklinikum Magdeburg. Er habe indes nie verstanden, warum etwas an sich strafbar sei, wenn man einige Bedingungen erfülle, aber nicht mehr. Man müsse bestimmte Gesetze anpassen, weil sich die Informationsmöglichkeiten via Internet verändert hätten, räumte Costa ein. Ihm sei jedoch dennoch nicht klar, warum die Methodik eines Schwangerschaftsabbruchs im Detail auf einer Internetseite aufgeführt werden müsse.

Der dem Gesetz hinzugefügte Absatz behebe die straf- und verfassungsrechtlichen Mängel des § 219a nicht, erklärte Prof. Dr. Reinhard Merkel vom Institut für Kriminalwissenschaften an der Universität Hamburg. Der noch gültige § 219a widerspreche dem verfassungsrechtlichen Verbot von unverhältnismäßiger Strafbedrohung, dies sei befremdlich, so Merkel. Der Verweis (Link auf die Internetseite der Bundesärztekammer) auf eine Information (Operationsmethode) sei demnach straffrei und geradezu vorbildhaft. Aber selbst zu erklären, was die Information, auf die man verweist, bedeute, wäre weiterhin strafbar – „das ist in einem hohen Maße ungereimt“, befand Merkel.

Bisher habe man von einem Ermittlungsverfahren betroffenen Ärzten geraten, entsprechende Angaben auf einer Internetseite zu entfernen, sagte Kathleen Hoffmann, Leiterin der Rechtsabteilung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt. Dies habe aber nicht dazu geführt, dass die Ärzte die Leistung eines Schwangerschaftsabbruchs nicht mehr angeboten hätten.

Welches Leben ist weniger wert?, fragte Dipl.-Med. Dörte Meisel, Berufsverband der Frauenärzte in Sachsen-Anhalt. Sie selbst führe keine Schwangerschaftsabbrüche durch, halte es aber für richtig, dass Kollegen diese Leistung anböten. Sie warb dafür, die Bedingungen für das Austragen einer Schwangerschaft zu verändern. Die Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch werde nicht leichtsinnig getroffen – weder von den Frauen noch von den Ärzten, beschied Meisel. Die Beratung über den Schwangerschaftsabbruch finde durch medizinische Laien (zudem Fremde) statt, sie werde oft als entmündigend und entwürdigend empfunden, erklärte die Frauenärztin. „Wir Frauenärzte haben niemals für eine Abtreibung im wörtlichen Sinne geworben, sondern über die Art und Weise und die Folgen informiert“, betonte Meisel.

„Wir halten das Gesetz zur Neufassung des § 219a für eine akzeptable Kompromissformel“, sagte Dr. Reinhard Grütz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Netzwerk Leben (Initiative der katholischen Kirche). Das „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche solle aufrechterhalten bleiben, es gebe immerhin 1 600 anerkannte Beratungsstellen. Es handle sich beim Abbruch nicht um eine medizinische Leistung wie jede andere, deswegen sollten die, die sie ausführten, auch nicht (allein) darüber informieren dürfen, so Grütz. Die Beratungsstellen würden noch auf andere Alternativen aufmerksam machen.

Die an der Stellungnahme beteiligten Vereine, die unter dem Dach des Landesfrauenrats gemeinsam agierten, hätten sich ausdrücklich und einheitlich für die Streichung des § 219a ausgesprochen, sagte Daniela Suchantke vom Landesfrauenrat. Frauen bräuchten einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen zu einem möglichen Schwangerschaftsabbruch. Es sei daher unverständlich, warum eine Frau entsprechende Informationen von einer dritten, öffentlichen Stelle einholen müsse. Die Stigmatisierung von Frauenärztinnen und -ärzten sowie Frauen werde mit der jetzigen Novellierung des Paragraphen nicht ausgeräumt. Eine Aufhebung des §219a würde nicht zu einer Aufweichung des Schutzes von ungeborenem Leben führen, so Suchantke.

Die Defizite in der Informationslage zum Schwangerschaftsabbruch seien von der Bundesregierung zwar erkannt worden, erklärte Oliver Wolf von pro familia, die gesetzliche Änderung habe allerdings nicht zu einer befriedigenden Veränderung geführt. Pro familia setze sich für die komplette Abschaffung des § 219a und für die Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel durch die Krankenkassen (unabhängig vom Alter der Anwender/innen) ein, sagte Wolf. Er forderte ein klares Statement zur Normalisierung von Informationswegen bei Schwangerschaftsabbrüchen. Staatlich geführte Listen seien dagegen das falsche Signal.

Die Evangelische Frauen in Mitteldeutschland arbeiteten eng mit den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen zusammen, erklärte Carola Ritter. Die Stellen werden in ihrer beratenden Funktion durchaus als hilfreich angesehen. Die Novellierung des § 219a – also der erzielte Kompromiss – werde begrüßt und als Schritt in die richtige Richtung gewertet, denn sie führe zu mehr Information und Rechtssicherheit. Langfristig spreche man sich aber für die Streichung des § 219a aus.

Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung wird sich in seinen weiteren Sitzungen erneut mit dem Sachverhalt beschäftigen.