Für die aktuelle Ausgabe der von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch initiierten Veranstaltungsreihe „Landtag im Dialog“ zeichnete der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr verantwortlich. Im Fokus stand die Frage „Geht es ohne Auto? Wie fit ist der ÖPNV?“ Der Diskussion stellten sich am Mittwoch, 12. Juni 2019, in Dessau-Roßlau die Abgeordneten Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Frank Scheurell (CDU), Matthias Büttner (AfD), Guido Henke (DIE LINKE) sowie Dr. Falko Grube (SPD).
Der Weg zur Dialog-Veranstaltung
Cornelia Lüddemann betonte, dass der ÖPNV belastbar, regelmäßig und bezahlbar gestaltet werden müsse, um auch zukunftsfest zu sein. Dass er dies noch nicht ist, bewies die Anreise der Abgeordneten zum Veranstaltungsort in Dessau: Alle Abgeordneten reisten mit dem Auto an. Die Gründe waren vielfältig: das schlechte Wetter etwa (es regnete tatsächlich wie aus Eimern) oder schlechten bzw. gar keinen Anschluss bei der Anreise mit dem Zug, was etwa für Guido Henke, Matthias Büttner und Falko Grube galt. Es sei wenig sinnvoll, mit dem Zug anzureisen und dann für das letzte Teilstück dann doch aufs Taxi umsteigen zu müssen, sagte Frank Scheurell.
Stichworte aus der Diskussionsrunde
Es werde Flexibilität vom Arbeitnehmer erwartet, aber der ÖPNV unterstütze dies nicht, meinte ein Gast der Veranstaltung. Insbesondere für Frauen gestalte sich der abendliche Heimweg (zumindest gefühlt) gefährlich. Gefordert wurde eine flächendeckende Gestaltung des Verkehrsnetzes, also die Einbindung weiterer Ortschaften in den Verkehrsverbund.
Der Verkehr sei noch zu sehr auf das Auto ausgerichtet, es brauche ein Umdenken und Menschen, die dieses auch einforderten, sagte Cornelia Lüddemann – mehr Radwege, Schnellradwege, Fahrradparkplätze usw. Der ÖPNV sei für die Grünen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge; jede/r müsse ihn nutzen können.
Der Verkehrsbereich werde in Sachsen-Anhalt pro Jahr mit einer halben Milliarde Euro unterstützt. „So schlecht ist der ÖPNV gar nicht“, betonte Scheurell: Stündlich oder halbstündlich von Dessau nach Leipzig mit der S-Bahn – „besser kann man nicht fahren“. Cornelia Lüddemann empfindet dagegen das ÖPNV-Gesetz als nicht mehr zeitgemäß: „ÖPNV muss anders und flexibler gedacht werden.“
Der ÖPNV sei bisher nicht wirklich günstiger als die Nutzung des eigenen Pkws, monierte Matthias Büttner. Hinderlich sei auch der „regelrechte Tarifdschungel“ der verschiedenen Anbieter. „Es muss sich spürbar rentieren, mit dem Zug zu fahren und auf das Auto zu verzichten.“
Bis hin zum „fahrscheinlosen ÖPNV“ wird es ein langer und steiniger Weg werden, mutmaßte Guido Henke. In den Städten sei kein Platz mehr für noch mehr ruhenden Verkehr, daher müsse es ein politisches Umdenken geben, den ÖPNV effektiver zu gestalten, also größere Beförderungskapazitäten vorzuhalten. Die Kosten für die Fahrscheine müssten freilich anderswo aufgebracht werden. Bei der CDU stieß er damit jedoch nicht auf Gegenliebe. Der Individualverkehr dürfe nicht zugunsten des ÖPNVs benachteiligt werden, erklärte auch Matthias Büttner von der AfD.
Man müsse insofern mehr Geld in den ÖPNV investieren, dass er zumindest in den größeren Städten flächendeckend funktioniere, betonte Falko Grube. Er sprach sich aber für „lieber eine Angebotsverbesserung statt Ticketfreiheit“ aus. Aber im Flächenland Sachsen-Anhalt werde es wohl ohne das Auto nicht gehen. Denn kürzere Fahrzeiten bedeuteten auch mehr Lebenszeit und mehr Familienzeit.
Der ÖPNV – insbesondere der Busverkehr – sei viel zu lückenhaft, erklärte ein jugendlicher Gast der Diskussionsrunde. Fahrrad und Bahn ließen sich dagegen relativ gut kombinieren.
Es wäre auch touristenfreundlicher, wenn der ÖPNV verbessert würde, meinte ein weiterer Gast. Die Dessauerin dachte dabei vor allem an ihre Stadt im Verbund der Welterbestätten. Dazu passte die Ablehnung des Wirtschaftsverkehrs, der die Straßen übermäßig verstopfe.
Modelle für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in Sachsen-Anhalt, aber auch in Deutschland insgesamt, gibt es viele. Die entscheidenden Fragen werden sein, inwieweit beispielsweise kostenfreie Tickets (für alle) finanzierbar sind und inwieweit ein Verkehrsnetz aufgebaut und unterhalten werden kann, für das es womöglich in Zukunft nicht genügend Kunden geben könnte. Die Antworten auf diese Fragen müssen noch gefunden und/oder umgesetzt werden.