Die Fraktion DIE LINKE hatte eine Aktuelle Debatte beantragt, in der sie über die Vergesellschaftung des Reichtums in Deutschland reden wollte. Denn die wachsende Armut im Land habe inzwischen Dimensionen erreicht, „die das Wohlstandsversprechen des deutschen Kapitalismusmodells Lügen straft“. Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE müsse die Wirtschaft zukünftig wieder dem Primat der Demokratie untergeordnet werden.
Gürtel enger schnallen geht nicht mehr
„Der Kapitalismus in Deutschland ist aus den Fugen geraten, wenn heute knapp ein Fünftel der Gesellschaft von Armut bedroht ist“, sagte Thomas Lippmann (DIE LINKE). Immer häufiger seien auch Erwerbstätige, Rentner und Auszubildende betroffen. Früher sei das Hauptrisiko für Armut die Arbeitslosigkeit gewesen, heute seien es überhöhte Mieten, steigende Pflegekosten oder niedrige Renten, erklärte Lippmann. „Fette Jahre“ hätte es in Sachsen-Anhalt schon lange nicht mehr gegeben, weder Kommunen noch eine große Anzahl von Privatpersonen verfügten über ein hohes Einkommen. Daher könne auch niemand „den Gürtel enger schnallen“.
Lippmann führte weiter aus: Das Geld komme eben nicht nur aus ungezügeltem Wachstum, das sei die große Lüge der Reichen. Schon lange seien die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft entkoppelt und dadurch die Basis für eine gesunde Wirtschaft zerstört worden. Der Staat müsse regulierend eingreifen und bei der Umverteilung der Gelder die Richtung ändern. Denn wo es hinführe, wenn Gewinne privatisiert und Verluste vergesellschaftet werden, das hätte man bereits erlebt.
Letztendlich würden durch diese Mechanismen auch die demokratischen Grundlagen der Gesellschaft und der soziale Friede massiv gefährdet. Daher sei es notwendig, „dass die Wirtschaft wieder dem Primat der Demokratie untergeordnet wird“. Artikel 15 Grundgesetz eröffne dabei einen Weg, um das Gemeineigentum und die Gemeinwirtschaft zu stärken.
CDU steht für Privateigentum
Ulrich Thomas (CDU) kritisierte, dass die Rede Lippmanns das Land Sachsen-Anhalt in ein Licht gerückt habe, das es einfach nicht verdient hätte. Vor 30 Jahren hätten die Menschen in der DDR dafür gekämpft, die damalige Gesellschaftsform hinter sich zu lassen. „Gott möge uns vor den Leuten bewahren, die uns dieses System wiederbringen wollen!“ Das System von Volkseigentum und Planwirtschaft hätte schon damals nicht funktioniert. Thomas zeigte sich entsetzt von der, seiner Meinung nach, angefachten „Neid“-Debatte.
Wenn die Armut so schlimm wäre, wie von den Linken beschrieben, verstehe er nicht, warum so viele Flüchtlinge insbesondere nach Deutschland auswandern wollten. Die CDU Deutschland stehe für den Schutz des Privateigentums, ohne Wenn und Aber, das müsse auch für den Wohnbereich so bleiben. Stattdessen bedürfe es noch mehr Unterstützung für private Eigentümer.
Falsche politische Prioritäten
DIE LINKE hätte die Komplexität des Wirtschaftssystems noch nicht verstanden, meinte Tobias Rausch (AfD). Es würden nur lebensferne Ideologien verbreitet. Die Linken und die SPD seien nicht mehr die Vertreter der Arbeiterschaft, sondern die von Tunichtguten und Taugenichtsen. Wenn der Arbeiter wolle, dass seine Interessen vertreten werden, dann müsste er zukünftig die AfD wählen.
Grundsätzlich ginge es vielen Menschen in Sachsen-Anhalt heute besser als zu DDR-Zeiten, so der AfD-Abgeordnete weiter. Die dennoch zweifellos existierende Armut lasse sich allerdings nicht durch Kollektivierungen beenden, sondern schuld seien die falschen politischen Prioritäten der letzten Jahre gewesen, verantwortlich dafür seien im Wesentlichen die „Altparteien“. Für echte Veränderungen im Land wären alternative Denkansätze zum Wohle der Bevölkerung notwendig, es müsse ein Umdenken stattfinden unter dem Motto „Arbeit muss sich wieder lohnen!“. Rausch betonte: „Wir stehen für die soziale Marktwirtschaft!“
Umverteilung über Steuern ist möglich
„Unsere Welt ist ungerecht und das müssen wir ändern!“, unterstrich Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Insbesondere die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander. Allerdings zeigte sie sich überzeugt, dass Veränderungen möglich seien, zum Beispiel durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes sowie der Erbschafts- und Vermögenssteuer, auch eine Finanztransaktionssteuer sei denkbar. Lüddemann erläuterte: Wer beispielsweise mehr erbt, wer mehr verdient, müsse mehr für die Gemeinschaft beitragen, und wer mehr Ressourcen verbrauche, sollte auch mehr bezahlen.
Ihrer Ansicht nach sei Ungleichheit nicht gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit. Stattdessen müsste man sich fragen: Ist das unterste Level ausreichend, um gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren? Denn diese mangelnde Teilhabe sei das Problem, nicht unbedingt individueller Reichtum. Als guter Mensch müsse man nicht gegen Reichtum sein, aber zwingend gegen Armut, zitierte die Grünen-Abgeordnete Gregor Gysi.
Staat muss aktiv und korrigierend gestalten
Juso-Chef Kevin Kühnert habe offenbar einen Nerv getroffen, erklärte Dr. Katja Pähle (SPD). Eine Debatte über ungleiche Chancen und die Vergesellschaftung des Reichtums sei gerade zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes genau richtig. Es sei schließlich kein Zufall gewesen, dass Sachsen-Anhalt zu Beginn der Legislaturperiode deutlich mehr Lehrer und Polizisten eingestellt habe. Grundsätzlich müsse der Staat mehr denn je aktiver gestaltend und korrigierend eingreifen.
Es gebe zweifellos Bereiche, in denen der Bürger merke, dass der Markt eben nicht alles reguliert, zum Beispiel in der digitalen Infrastruktur. In diesen Fällen dürfe es kein Tabu sein, auch über Verstaatlichung nachzudenken. Notfalls müsse der Staat in die Wirtschaft eingreifen. Wie sich dieser Staat dann nennt, sei ihr eigentlich egal, viel wichtiger sei es, die notwendigen Veränderungen anzupacken.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden keine Beschlüsse gefasst.