Die Fraktion DIE LINKE brachte einen Gesetzentwurf ein, der zur Änderung der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt sowie des Volksabstimmungsgesetzes führen soll. Er soll der weiteren Stärkung und damit der Erleichterung direktdemokratischer Elemente Rechnung tragen. „Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid müssen deshalb erleichtert sowie durch das Einführen der direktdemokratischen Elemente der Einwohnerinitiative sowie des Verfassungsreferendums erweitert werden“, so der Wortlaut der Begründung.
Ins bürgerfreundliche Drittel aufrücken
Um die breitere direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in der Politik zu ermöglichen, müsse auch die Verfassung des Landes geändert werden, erklärte Thomas Lippmann (DIE LINKE). Abwägungsprozesse mit den parlamentarischen Kollegen zum vorgelegten Gesetzentwurf hätten deshalb bereits großen Raum eingenommen. Lippmann warb um einen fraktionsübergreifenden Arbeitsprozess. Es werde sich noch um einen längeren Arbeitsprozess handeln, prognostizierte er. Vor einem Jahr schon sei eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung des Gesetzentwurfs gegründet worden.
Im bundesweiten Vergleich befinde sich Sachsen-Anhalt im hinteren Drittel, was die Beteiligungsgesetze anbetrifft, so Lippmann: „Aus dem bürgerunfreundlichen Drittel wollen wir in den vorderen Bereich vordringen.“ Unter anderem soll das Instrumentarium der Volksabstimmung geändert werden; sie sollen niederschwelliger und mit stark gesenkten Quoren ausgestattet werden.
Nicht automatisch richtige Entscheidungen
Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) erkennt im Gesetzentwurf der Linken eine „Schwächung der repräsentativen Demokratie“. Er bedeute eine Verlagerung der Legislative in eine dauerhafte Volksbeteiligung. Diese sei laut Landesverfassung allerdings nur anlassbezogen und temporär vorgesehen. Dem Vorhaben, alle Verfassungsänderungen nur noch mit Volksbeteiligung möglich zu machen, erteilte der Innenminister eine Absage.
Dem Parlament obliege die haushaltspolitische Gesamtverantwortung für das Land. Es gelte das Mehrheitsprinzip, das heißt, dass Partikularinteressen nicht über das Gemeinwohl gestellt werden dürften. Eine „Volksgesetzgebung“ sorge nicht per se für richtigere oder gerechtere Entscheidungen – das Ringen um Entscheidungen in vielfältigen Debatten und Beratungen habe sich bewährt, so Stahlknecht. Die direkte Beteiligung könne eine Ergänzung sein, aber ihr könne weder qualitativ noch quantitativ der gleiche Stellenwert eingeräumt werden.
Eigener Gesetzentwurf der Koalition
Silke Schindler (SPD) konnte nicht verneinen, dass sie „teilweise Sympathien für den vorgelegten Gesetzentwurf“ hege. Auch die SPD wolle die repräsentative Demokratie bereichern und sinnvoll ergänzen. Aber dies dürfe nicht beliebig auf Basis von Trends und Tagesaktualität geschehen. Das Parlament müsse und dürfe in seinen Entscheidungen in Teilen auch unbeliebt sein, wenn es um Entscheidungen für die Zukunft gehe. Die Koalition werde einen eigenen Gesetzentwurf voranbringen, dies sei auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Linken seien aufgerufen, ihre Gesetzesvorschläge in die Beratungen einzubringen, so Schindler.
„Nur ein scheinheiliger Antrag“
Die Inhalte des Gesetzentwurfs der Linken seien von der AfD abgeschrieben und neu eingereicht, meinte Mario Lehmann (AfD). Insgesamt handle es sich aber um einen „scheinheiligen Antrag“. An der Einwohnerinitiative sollen sich laut Entwurf alle beteiligen dürfen, die mindestens drei Monate im Ort leben. „Das werden wir von der AfD nicht zulassen.“
Koalitionsinterne Diskussion beschleunigt
Die Grünen fänden sich in einigen Punkten wieder, räumte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein. Sie träten für eine Herabsetzung der Hürden zur Mitbestimmung ein. Denn die Mitwirkung könne sehr zielführend sein, wie die aktuelle Volksinitiative gezeigt habe. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sei zumindest schon einmal erreicht worden, dass der koalitionsinterne Diskussionsprozess beschleunigt worden sei.
Demokratie lebt von Mehrheiten
Wenn der Wille vorhanden sei, könnten die geforderten Quoren auch erreicht werden. Die Demokratie lebe schließlich von Mehrheitsentscheidungen, betonte Carsten Borchert (CDU). Das Volk habe zwar die Staatsgewalt inne, aber es soll sie nicht unmittelbar ausüben, sondern durch gewählte Vertreter. Diese seien jederzeit für alle Bürgerinnen und Bürger Ansprechpartner, dieses System habe sich bewährt.
Alles keine Neuheiten in Deutschland
Der Blick auf den vorgelegten Gesetzentwurf sei seitens des Innenministers „unglaublich unreflektiert“, kritisierte Thomas Lippmann (DIE LINKE). Fast alles, was im Gesetzentwurf angesprochen werde, gebe es an der einen oder anderen Stelle in Deutschland schon. „Es geht uns selbstverständlich nicht darum, die parlamentarische Demokratie auszuhebeln.“ Man könne sich nicht zurücklehnen und behaupten, es gebe keinen Handlungsbedarf.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in keinen Ausschuss überwiesen.