Die Geschehnisse um einen Todesfall in Köthen und die dadurch in Gang gesetzten „Trauermärsche“ rückte die Fraktion DIE LINKE in den Fokus ihres Antrags „Angriffe auf Demokratie und Gewaltenteilung abwehren – Rechtsextremer Raumnahme entschieden entgegentreten“. Demnach sollte der Landtag dem Versuch Rechtsextremer widersprechen, Migrantinnen und Migranten pauschal als Tätergruppe zu diffamieren. Die Todesumstände und alle weiteren möglichen Tatumstände in Köthen seien ausschließlich von den zuständigen Behörden zu ermitteln und zu ahnden.
Die Koalition brachte einen Alternativantrag mit einer „Erklärung des Landtags“ ein, durch die der Landtag unter anderem den Versuch verurteilt, „den Tod eines Menschen und die Trauer von Angehörigen sowie Freundinnen und Freunden für rassistische Propaganda zu missbrauchen.“ Dieser Alternativantrag wurde am Ende der Debatte angenommen.
Nicht wegducken, sondern gegen Rechts positionieren
Es herrsche bei der extremen Rechten eine widerliche Lust, aus den Todesfällen in Köthen und Chemnitz politisches Kapital zu schlagen. „Mit Trauer hat das absolut nichts zu tun, es sind rechtsextreme Raumnahmen, um Macht zu demonstrieren“, erklärte Henriette Quade (DIE LINKE). Drohungen, Sprechchöre und Tätlichkeiten (beispielsweise gegen Journalisten) hätten dort nicht lange auf sich warten lassen. Die tatsächlichen oder vermeintlichen Verbrechen würden als Katalysator für rechte Umsturz- und Machtergreifungsphantasien genutzt. Nazis bei den rechten Demonstrationen in Köthen seien nicht allein Störer, sondern gebetene Gäste und Gastgeber gewesen, so Quade. Sie warf der AfD vor, sich mit den rechtsextremen Demonstranten gemeinzumachen.
Das sachsen-anhaltische Innenministerium und die Polizei hätten adäquat auf die rechtsextreme Mobilisierung in Köthen reagiert, lobte die Linken-Abgeordnete. Sie forderte die Zivilbevölkerung auf, sich stärker gegen Rechts zu positionieren, sich mit den Opfern zu solidarisieren und sich nicht wegzuducken. Man dürfe vor Nazi-Aufmärschen nicht die Augen verschließen und die Rollläden herunterlassen. Aus dieser Ignoranz gingen die Nazis erst hervor, sagte Quade: „Wer Ruhe haben will, muss aber zuerst an den richtigen Stellen laut werden.“
„So agieren Verschwörungstheoretiker“
Die beiden Anträge bewiesen einen breiten, parteiübergreifenden Konsenz: Das Bekenntnis zum Rechtsstaat und zur Unabhängigkeit der Justiz, erklärte Dr. Katja Pähle (SPD). Der Tod des jungen Mannes in Köthen sei eine Tragödie, doch die Aufklärung des Falles gehöre ausschließlich in die Hände der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte.
Pähle, warf der AfD vor, den staatlichen Behörden gezielt Rechtsbeugung, Illoyalität und Dienstpflichtverletzung vorzuwerfen – so agierten Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten. „Dies dient ihr allein dazu, das Vertrauen der Menschen in die Demokratie und den Rechtsstaat zu zerstören.“ Hier müsse ein deutliches Halt!-Signal gesetzt werden.
„Jeder Extremist ist einer zu viel“
Oliver Kirchner (AfD) bedankte sich zunächst bei den Teilnehmern in Köthen für das „würdevolle Gedenken“. Angriffe auf die Demokratie müssten abgewehrt werden. Doch der eingebrachten Anträge bedürfe es dafür nicht. Ausländer seien statistisch eher straffällig als die Mehrheitsbevölkerung, erklärte der AfD-Fraktionsvorsitzende auf Basis von Statistiken. „Jeder Extremist auf einer Demonstration ist mir einer zu viel“, betonte Kirchner. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit in der Öffentlichkeit sei aber für niemanden hinzunehmen.
„AfD-Schulterschluss mit Hooligans und Identitären“
Kein Mensch habe es verdient, von völkischen und extremistischen Bewegungen politisch vereinnahmt zu werden, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). „Alle friedlichen und gesetzeskonformen Arten, sich gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft zu wenden, sind willkommen und werden von den Grünen unterstützt“, so Lüddemann.
„Die übergroße Mehrheit der Menschen in diesem Land ist tolerant und offen, sie sind nur leider etwas leise.“ Alle Angriffe gegen die freie humanistische Gesellschaft seien zu kritisieren. Der offene Schulterschluss der AfD in Köthen und Chemnitz mit gewaltbereiten Hooligans, Pegida und der Identitären Bewegung zeige, wes Geistes Kind die AfD sei.
Harte Sanktionen gegen Bedroher des Staates
„Das Innenministerium hatte von der ersten Minute an die Lage in Köthen im Griff und hat ein zweites ‚Chemnitz‘ in unserem Bundesland verhindert“, lobte Siegfried Borgwardt (CDU) die politisch Verantwortlichen. Wer dazu aufrufe, gegen den Staat und die Demokratie zu agieren, müsse hart bestraft werden.
Er riet dazu, die demokratischen Regeln einzuhalten und den Dialog mit den Menschen aufrechtzuerhalten. „Wir müssen lernen, deren Meinung nicht zu stigmatisieren, sondern die Sorgen der Leute ernst zu nehmen.“ Jeder Einzelne sei aber dazu aufgefordert, genau abzuwägen, welchen Kräften er sich bei Demonstrationen anschließe. Borgwardt rief die Zivilbevölkerung dazu auf, kritischer zu agieren.
Rechten nicht die Straße überlassen
Köthen sei durch einen Todesfall und den dadurch ausgelösten rechten und rechtsextremen Protest in die Schlagzeilen geraten, sagte Christina Buchheim (DIE LINKE). Sie stellte in Frage, ob es richtig sei, die Rollläden herunterzulassen und zuhause zu bleiben und dadurch die immer stärker gewaltbereiten Rechten ungehindert durch die Straßen Köthens marschieren zu lassen. Die Demokratie dürfe nicht ausgehöhlt werden, so Buchheim, jeder müsse seine Form des Protests finden – jedoch in den demokratischen Standards.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE abgelehnt. Anschließend wurde der Alternativantrag mit den Stimmen der Koalition und der Linken angenommen, die AfD enthielt sich.