Sachsen-Anhalts Minister für Inneres und Sport, Holger Stahlknecht, hat sich in der August-Sitzungsperiode mit einer Regierungserklärung zum Thema „Sachsen-Anhalt: unsere Heimat, starker Staat, gelebter Zusammenhalt“ an die Abgeordneten und Bürger/innen gewandt. Im Anschluss nutzten die Vertreter/innen der Fraktionen die Möglichkeit, zur Rede Stellung zu beziehen und eigene Aspekte in die Debatte einzubringen.
„Brauchen den Rechtsstaat, keinen Rechtsruck“
Das Land brauche einen starken Staat mit einer starken Polizei und Justiz, die so ausgestattet seien, dass Verfahren zügig ausgeführt werden könnten und für die Bürger/innen umgesetztes Recht erlebbar werde, erklärte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). „Aber wir brauchen – mit Blick auf Chemnitz – auch eine starke Gesellschaft, wir brauchen in Deutschland aber keine Selbstjustiz und keine Pogromstimmung. Wir brauchen keinen Rassismus und keine Intoleranz.“ Stahlknecht forderte einen Ruck durch die schweigende Menge, der zu Anstand und Toleranz führe und durch den das Land in Freiheit weiter gestaltet werden könne: „Wir brauchen den Rechtsstaat, aber keinen Rechtsruck im Land.“
Es müsse weiter daran gearbeitet werden, die Kommunen des Landes auszuformen. Der Ausbau der Schulen, Infrastruktur, Internet-Breitband und ärztliche Versorgung stünden auf dem Aufgabenzettel. Es gelte, den Menschen die Chance zu geben, politisch am Geschehen teilzuhaben, denn jede/r trage einen kleinen Teil der Verantwortung für die Gestaltung des Landes. Der Innenminister lobte in diesem Zusammenhang das ehrenamtliche Engagement vieler Tausender beispielsweise in den Feuerwehren, Sportvereinen und Heimatvereinen. Die Arbeitsbedingungen müssten hier verbessert werden.
Gefühlte und tatsächliche Sicherheit
Die Rede des Innenministers habe lediglich reine Absichtserklärungen enthalten, kritisierte Oliver Kirchner (AfD). Er selbst hingegen könne keinen starken Staat und keinen Zusammenhalt in Sachsen-Anhalt erkennen. Kirchner kritisierte den kommunalen Zuschnitt und die seiner Ansicht nach fehlgeschlagene Gebietsreform. Die Sicherheit der Bevölkerung sei Aufgabe des Staates – eine Polizeistreife mehr sei da nicht ausreichend: Die Bürger fühlten sich einfach nicht sicher. Die gefühlte Sicherheit müsse mit der tatsächlichen Sicherheit gleichziehen. „Wir lehnen Gewalt gegen Polizisten aber, aber wir verstehen auch die Bürger, die in Chemnitz friedlich auf die Straße gehen, um ihren Unmut zu äußern“, sagte Kirchner.
Der Begriff der Heimat sei kein Fangnetz für Wählerstimmen, sondern wichtiger Ankerpunkt für die AfD, so Kirchner. „Heimat ist die Liebe des Eigenen und kulturelles Erbe.“ Heimat grenze zwar auch aus, schütze zugleich aber das Gute im Inneren. Asyl stehe in Zusammenhang mit Schutz, wenn der nicht mehr benötigt werde, müssten diese Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren. Das Land stehe nicht vor einem Rechtsruck, sondern höchstens vor einem Ruck zurück zur Mitte, so der AfD-Fraktionsvorsitzende.
Der Anfang demokratischer Politik
Es tobe in Deutschland derzeit eine heftige Auseinandersetzung darüber, was Heimat bedeute: Es sei dort, wo man sich wohlfühle, wo man Freunde und ein Zuhause habe, regte Rüdiger Erben (SPD) an. Gebe es Defizite, müssten diese abgestellt werden. Dies geschehe auch vor Ort: durch bürgerschaftliches Engagement, dies sei der Anfang von demokratischer Politik. Daher sei der Heimatbegriff auch ein zutiefst (sozial-)demokratischer Begriff, so Erben. Man könne Patriot sein, ohne Nationalist zu sein. Der Heimatbegriff dürfe nicht den rechten Kräften im Land überlassen werden.
Obwohl die Kriminalitätsstatistik eine Abnahme an Straftaten und eine höhere Aufklärungsrate belegten, nehme die gefühlte Sicherheit in der Bevölkerung zu. Diesem Missverhältnis müsse begegnet werden. Ähnlich sei es beim Gefühl der Arbeitsplatzsicherheit. Der große Umbruch auf dem Arbeitsmarkt führe in einigen Bereichen (zum Beispiel im Braunkohlebergbau) zu großer Unsicherheit.
„Unsere Identität heißt Vielfalt“
Die Diskrepanz zwischen politischen Bekenntnissen und konkretem Handeln sei doch sehr deutlich, kritisierte Henriette Quade (DIE LINKE) den Innenminister. Ihre Fraktion spreche sich auch für einen starken Staat aus. Der würde für soziale Gerechtigkeit sorgen und für Solidarität einstehen, für eine gerechte Vermögensverteilung sorgen und sich gegen Kinder- und Altersarmut einsetzen sowie Menschen faire Chancen bieten.
Das Land fahre die Kommunen seit Jahren auf Verschleiß; Straßen, Brücken und Schulen sowie IT und Polizei würden für die „schwarze Null“ des Haushalts kaputtgespart. Die Landesregierung fülle die Sparbücher des Landes auf Kosten der heute lebenden Bürgerinnen und Bürger. So würden jedoch keine Lebensperspektiven im Land (und insbesondere im ländlichen Raum) geboten werden.
„Wer seine Stärke nur aus der Abgrenzung zu anderen zieht, ist nicht stark, sondern macht andere nur künstlich schwach“, sagte Quade. Eine gemeinsame Identität erwachsene jedoch nicht automatisch aus dem gleichen Geburtsort und dieselbe Sprache. Vielmehr entstünden Identität und Heimatgefühl aus Sozialisierung, Erfahrung und bewusster persönlicher Entscheidungen. „Unsere Identität heißt Vielfalt“, so Quade.
Land gegen Verfassungsfeinde verteidigen
Heimat sei nicht objektivierbar, jeder Mensch verstehe etwas anderes darunter, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). In Zeiten des Wandels werde die Heimatfrage verstärkt gestellt. Heimat lasse sich längst nicht mehr an einer gemeinsamen Blutlinie oder einer Hautfarbe festmachen, sondern an verbindenden wertebasierten Normen wie Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Frieden und Chancengleichheit. Heimat solle nicht abgrenzend definiert werden, sondern als einladend begriffen werden. Mehr Menschen müssten aufstehen, um den Rechtsstaat auch in Sachsen-Anhalt gegen die Verfassungsfeinde von rechts zu verteidigen, zeigte sich Lüddemann kämpferisch.
„Hiesige Werte zu den eigenen machen“
„Heimat ist für die CDU ein zentraler Wert“, sie biete die nötige Orientierung für ein Leben in einem Europa der Nationen, erklärte Chris Schulenburg (CDU). Die Heimat präge die eigene Identität und die eines Landes, sie sei in diesem Sinne auch ein Zukunftskonzept. Auch Menschen, die nach Sachsen-Anhalt kämen, könnten hier eine neue Heimat finden. Dazu sei aber nötig, dass die hiesige Kultur akzeptiert und die Regeln der Gesellschaft angenommen würden. „Wer sich integrieren möchte, muss unsere Werte zu seinen eigenen machen.“
Die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Landes stehe ganz oben auf der Agenda der Landespolitik, so Schulenburg. Die entsprechende Infrastruktur (Verkehr, IT, Bildung, Kultur) müsse im ländlichen wie im urbanen Raum vorgehalten werden. Die Ansiedlung von jungen Familien und die wirtschaftliche Entwicklung inklusive Infrastruktur bedingten einander.
„Nur wo die Bürgerinnen und Bürger sich sicher fühlen, haben sie auch Vertrauen in den Staat“, konstatierte Schulenburg. Die Grundlage für eine langfristig Personalstärke von 7 000 Polizeibeamte im Land sei mit Mehreinstellungen bereits eingeleitet worden. Zudem sollen mehr Richter/innen und Justizpersonal eingestellt werden.
Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.