Das Orkantief „Friederike“ hat im Januar 2018 erhebliche Schäden in Sachsen-Anhalts Wäldern angerichtet, besonders im Harz und in Teilen von Anhalt. Um den Schäden und seinen Folgen für die Waldwirtschaft zu begegnen, hatte der Landtag bereits Ende September ein Sofort-Maßnahmenprogramm für die Wälder Sachsen-Anhalts beschlossen.
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich nun, am 15. November 2018, in einer öffentlichen Anhörung, erneut mit dem Thema beschäftigt. Dabei ging es insbesondere um eine Einschätzung des Ist-Zustandes sowie die Konsequenzen aus der derzeitigen Schadenslage.
Die Meinungen der Experten
Dr. Ralf-Peter Weber, Staatsekretär im Ministerium für Umweltschutz, Landwirtschaft und Energie (MULE), erklärte, dass wirklich belastbare seriöse Zahlen über die Waldschäden erst Mitte nächsten Jahres geliefert werden können. Das Landeszentrum Wald starte im nächsten Frühjahr eine „stichprobenartige Inventur“, erst danach könnten gesicherte Zahlen geliefert werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt gingen die Schätzungen des MULE von etwa 9 Millionen Euro durch Dürreschäden sowie einer Zuwachsminderung von 10 bis 20 Prozent aus. Außerdem erläuterte Staatssekretär Weber, dass das Bundesministerium für Landwirtschaft verschiedene Waldschutzmaßnahmen erarbeitet habe, die finanzielle Förderung ermöglichen.
Orkan, Borkenkäfer und Pilzschäden
Cajus Caesar, Waldbeauftragter des Bundes, erklärte: „Die Schäden können uns nur mit großer Sorge erfüllen, da sie für die Gesellschaft und für die Waldbesitzer von großer Bedeutung sind.“ Denn absterbende Wälder hätten nicht nur wirtschaftliche sondern auch klimatechnische Folgen. Schwere Orkanschäden, die Borkenkäferplage begünstigt durch die enorme Dürre und teils große Pilzschäden bei den Kiefernbeständen belasteten den Waldbestand in Sachsen-Anhalt gleich dreifach.
Die Auswirkungen auf den Holzmarkt seien massiv, die Preise für den Festmeter Holz hätten sich mehr als halbiert. Der Waldbeauftragte plädierte dafür, möglichst unbürokratische Maßnahmen zur Unterstützung der Waldbesitzer zu finden. So würden in Brandenburg Sturmschäden zu 80 Prozent vom Land beglichen. Zudem sollte über die Absenkung von Versicherungen für Waldbesitzer sowie die Gewinnglättung nachgedacht werden.
Holzpreise sind im Keller
Obwohl die Waldbesitzer in diesem Jahr (notgedrungen) viel Holz geschlagen haben und einiges gelagert werde, würden die Erträge in den nächsten Jahren deutlich geringer ausfallen. Außerdem regte Caesar an, zukünftig stärker auf klimaresistente Baumarten zu setzen sowie die Waldböden zu kalken, da dort die Ausfälle geringer gewesen sind. Waldbesitzer müssten seiner Ansicht nach noch besser beraten werden, beispielsweise beim integrativen Naturschutz.
In Sachsen-Anhalt sei ein großer Teil des privaten Waldes in der Hand von Kleinbetrieben, ihnen fehlten die wirtschaftlichen Voraussetzungen, um effektiv und schnell gegen die Dürre- und Borkenkäferschäden anzugehen, erläuterte Prof. Dr. Andreas Bitter, von der TU Dresden. Bei vielen Forstbetrieben gebe es daher derzeit einen akuten Liquiditätsengpass. Prof. Bitter mahnte: „Der Dürresommer 2018 sollte als Schlüsselereignis im Klimawandel angesehen werden.“
Vielfältige Maßnahmen, um Folgen abzumildern
Seinen Schätzungen und Berechnungen zufolge müsse von mehr als 300 Millionen Euro Schaden ausgegangen werden (durch Käfer, Sturm, Dürre und Zuwachsminderung). Eine effektive Nothilfe sollte folgende Maßnahmen einschließen:
- Förderung der Schadholzaufbereitung, des Polterschutzes sowie des Transports und der Lagerung des Schadholzes
- Aussetzen des Frischholzeinschlags im öffentlichen Wald, um weniger Holz auf den Markt zu bringen, das den Preis drücken würde
- Minderung der Steuervorauszahlung
- Anpassung des Fördertatbestandes „Waldumbau außerhalb von Schutzgebieten"
- Erarbeitung eines Fördertatbestandes „Vorbeugung gegen Kalamitäten“
- Förderung von Beratungsdiensten für Waldbesitzer und Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse
Prof. Dr. Hermann Spellman, Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt, erklärte, es sei wichtig, im nächsten Frühjahr genau festzustellen, welche Schäden durch den Sturm und welche durch den Käfer entstanden sind. Ebenso wichtig sei zu wissen, was aus den Kulturen 2018 geworden sei und welche Freiflächen tatsächlich neu bepflanzt werden müssten.
Waldbesitzer besser beraten und finanziell unterstützen
Ein großer Teil des Waldbestandes in Sachsen-Anhalt sei zwischen 60 und 80 Jahre alt, dadurch würde das Sturmschädenrisiko in den nächsten Jahren nicht kleiner werden. Bei der Wiederbewaldung sollten die Waldbesitzer unbedingt systematisch vorgehen und die zu erwartenden Veränderungen durch den Klimawandel (insbesondere trockenere Sommer) für die einzelnen Baumarten berücksichtigen. Details dazu finden Waldbesitzer auf der Internetseite der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt.
Aufgrund der großen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung hielt es Prof. Spellmann durchaus für gerechtfertigt, auch den Waldbesitzer zukünftig finanziell stärker zu unterstützen, ähnlich wie im Bereich der Landwirtschaft. Er zeigte sich fest davon überzeugt, dass es zukünftig irgendeinen Fonds geben müsse, um Waldbesitzer zu unterstützen, da sie die Folgen des Klimawandels nicht allein lösen könnten. „Naturschutz und Forst sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden“, betonte Prof. Spellman abschließend.