Nur zehn Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer im Alter bis zu 40 Jahren sind der Meinung, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland vollumfänglich realisiert ist. Das geht aus der Studie „Was junge Frauen wollen“ (Friedrich-Ebert-Stiftung, 2016) hervor. An dieser Stelle setzte die Fraktion DIE LINKE mit ihrer Großen Anfrage an. Ziel war es, eine dezidierte Analyse der Lebenswirklichkeit von Frauen und Mädchen in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Aus den Ergebnissen sollen konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, „damit dem Prozess der Gleichstellung nicht auf halber Strecke die Luft ausgeht“, so DIE LINKE in ihrer Begründung.
Nur knapp 20 Prozent weibliche Abgeordnete
„Rund 51 Prozent der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt sind weiblich, allein dieser Fakt zeigt, wie wichtig die Gleichstellung von Mann und Frau ist“, erklärte Eva von Angern (DIE LINKE). Der Frauenanteil des Landtags von Sachsen-Anhalt liege derzeit jedoch bei lediglich knapp 20 Prozent. Die Auswirkungen lägen auf der Hand, das zeige beispielsweise die Veränderung der Debattenkultur im Plenum – zum Schlechteren.
Die Linken-Abgeordnete warnte: „Es besteht die Gefahr, dass wir uns in puncto Gleichberechtigung in einer Rückwärtsspirale befinden“, das bewiesen nicht zuletzt Äußerungen von AfD-Politikern zur Thematik. Dieser Tendenz müsse entschieden entgegengewirkt werden, sagte von Angern. Sie hofft, dass die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau nicht ebenfalls 100 Jahre dauern werde.
Parité-Gesetz ist notwendig
Für ihre Fraktion bedeute die Gleichstellung von Mann und Frau auch die paritätische Besetzung von Gebietskörperschaften. Mit dieser Forderung stünden sie nicht allein, da jüngst die Bundesjustizministerin ebenfalls ein Parité-Gesetz gefordert hätte. Mädchen und Frauen könnten in unserer Gesellschaft viel erreichen, wenn sie nicht durch eine „künstliche gläserne Decken daran gehindert“ werden, betonte von Angern.
So würden zwar jährlich deutlich mehr Frauen als Männer ein Hochschulstudium abschließen, aber mehr als doppelt so viele Männer würden an Sachsen-Anhalts Hochschulen zu einer Professur berufen. Auch bei der Unternehmensnachfolge gebe es ein deutliches Übergewicht zugunsten der Männer.
Lebenssituation macht sich nicht nur an Statistik fest
Die Ministerin für Justiz- und Gleichstellung, Anne-Marie Keding (CDU) erklärte, die Zahlen allein könnten keine endgültige Aussage über die Lebenssituation von Frauen und Männern geben. Als Beispiele nannte sie die Fragenkomplexe Ehrenamt, Straftatbestände oder künstlerische Berufe. Sie wehrte sich dagegen, von einem „völligen Stillstand“ zu sprechen, es gebe trotz vorhandener Probleme auch gleichstellungspolitische Erfolge.
Darüber hinaus kritisierte sie, dass manche Aspekte der Großen Anfrage nicht wirklich neue Erkenntnisse gebracht hätten, so sei die Diskrepanz zwischen Karrierewegen und der Führungskräftebesetzung seit Längerem bekannt. Außerdem erfolge eine differenzierte und systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Gleichstellung nicht mit teilweise stereotypen Fragen oder einem undifferenzierten Nebeneinander von großen und kleinen Themen.
Teilzeitarbeitsquote von Frauen deutlich höher
Die Ergebnisse der Großen Anfrage würden deutlich erkennen lassen, dass es trotz des Landesprogramms für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren kaum positive Veränderungen gegeben habe, konstatierte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Als Beispiele führte sie an, dass Frauen zwischen 17 und 29 Jahren eine viermal geringere Arbeitsquote hätten als Männer. Zudem sei bei Frauen die Teilzeitarbeitsquote grundsätzlich wesentlich höher.
Ebenfalls bedenklich sei, dass von den Alleinerziehenden in Sachsen-Anhalt trotz Sozialcoachings im bundesweiten Vergleich die meisten Elternteile auf Hilfen aus dem SGB II angewiesen sind. Kolb-Jansen betonte: „Eine tatsächliche Gleichstellung haben wir noch lange nicht erreicht!“ Sie hofft jedoch, dass die Debatte neuen Schwung in das Handeln der Landesregierung bringen werde.
Große Anfrage war „Zeit- und Steuerverschwendung“
Gerade die Fraktion DIE LINKE werbe für die Zuwanderung von Männern aus Kulturkreisen, welche die Rechte der Frauen nicht kennen und achten würden, kritisierte Lydia Funke (AfD). Viele Fragen der Großen Anfrage hätten sich ihr überhaupt nicht erschlossen, zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis von Frauen und Männern im Ehrenamt. Man müsste doch froh sein, wenn sich überhaupt jemand ehrenamtlich engagiere, so Funke.
Die AfD-Abgeordnete bezeichnete die Große Anfrage als „Zeit- und Steuerverschwendung“ sowie als „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ für die Landesregierung, mit der die Lebenszeit eines Referenten verschwendet worden sei. Ihrer Ansicht nach könne es nicht darum gehen, die Lebenswirklichkeit von Frauen und Mädchen abzubilden, sondern ihre Lebensqualität wirklich zu verbessern. Diese messe sich unter anderem an einer anständigen Bezahlung, guter Bildung und bezahlbarem Strom.
„Kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“
Cornelia Lüddemann (Grüne) erklärte: „Wir haben in Sachsen-Anhalt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Zwar seien die Instrumente zur Verbesserung der Situation bekannt, es fehle jedoch am Willen. Sie forderte für die Frauen im Land: „Die Hälfte der Macht, die Hälfte von allem!“ Zwar gebe es verbal eine Aufgeschlossenheit gegenüber dieser und anderer Forderungen, gleichzeitig jedoch eine weitgehende Verhaltensstarre. Ein wichtiger Schritt wären mehr Frauen im Parlament, dann würde nämlich auch eine frauenfreundlichere Politik gemacht.
Gleichstellung auch bei Bezahlung erreichen
„An der Gleichstellung von Männern und Frauen muss kontinuierlich gearbeitet werden“, betonte Jens Kolze (CDU). Über die geforderten Mittel könne man jedoch streiten. Er selbst sei kein großer Fan der Quote. Auch Kolze hatte mit der Sinnhaftigkeit mancher Fragen Probleme, beispielsweise mit dem Rauchverhalten von Frauen und Männern.
Seiner Ansicht nach müssten Frauen und Männer auf ihrem gesamten Lebensweg die gleichen Chancen erhalten und diesbezüglich hätte sich schon einiges getan. Gleichzeitig räumte der CDU-Abgeordnete ein, dass es noch genug zu tun gebe, beispielsweise beim Thema „gender-pay-gap“. Denn obwohl Frauen deutlich besser qualifiziert seien als Männer, stünde auf dem Lohnzettel oftmals weniger Geld, das sei natürlich nicht fair, so Kolze. Sein Fazit: Insgesamt sei man in Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg, der aber weitergegangen werden müsse
Am Ende der Großen Anfrage wurden keine Beschlüsse gefasst.