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Plenarsitzung

Familiennachzug weiter auf dem Prüfstand

26. Jan. 2018

Auf Antrag der Fraktion der AfD sollte die Landesregierung aufgefordert werden, sich auf Bundesebene für die Beibehaltung der Aussetzung des Familiennachzugs von subsidiär Schutzberechtigten einzusetzen. Nach Ansicht der AfD setze „der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte den Fehlanreiz, ein Familienmitglied mit Brückenkopffunktion nach Deutschland zu entsenden, um nach der Anerkennung als Schutzberechtigter weitere Familienmitglieder nach Deutschland nachzuholen.“

Die Koalition brachte einen Alternativantrag ein. Darin wird die Landesregierung gebeten, sich auf Bundesebene für eine gesetzliche Neuregelung bis zum 31. Juli 2018 zum Familiennachzug für subsidiär Geschützte einzusetzen.

Die Fraktion DIE LINKE brachte einen Änderungsantrag ein. Damit sollte die Landesregierung gebeten werden, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Warteregelung beim Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte umgehend aufgehoben beziehungsweise nicht über den 17. März 2018 hinaus verlängert wird.

Familiennachzug leicht am Bild erklärt. Foto: BAMF

„Linke Spinnereien“ des Asylrechts

Im September 2017 hätten 127 000 Syrer mit subsidiärem Schutz in Deutschland gelebt, sagte André Poggenburg (AfD). Hunderttausende Verwandte stünden in Syrien und im Irak bereit, um ihren Familienangehörigen nach Deutschland zu folgen. Mit einer neuen Masseneinwanderungswelle sei also zu rechnen, mutmaßte der AfD-Fraktionsvorsitzende.

Das persönliche Wohl in Deutschland zu suchen, sei einfacher als im eigenen Land für bessere Lebensbedingungen zu arbeiten. „Wie sähe Deutschland heute aus, wenn nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutschen das Wohl im paradiesischen Ausland gesucht hätten?“

Die „linken Spinnereien“ des Asylrechts seien lediglich unnütze politische Wohlstandskrankheiten: „Wir haben genug von Ihrem antideutschen Selbsthass.“ Poggenburg sprach von einem „faschistischen linken Spuk in Deutschland“ und einem „schleichenden Bevölkerungsaustausch als Folge des Multikulti-Experiments“. „Die AfD ist auch für Familienzusammenführung – aber in den Heimatländern: Ab nach Hause!“, forderte Poggenburg. Deutschland könne dann Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

„Am Ende reden wir über Menschen“

„Sie mögen die Menschen als ‚ehrlos‘ bezeichnen, aber wehrlos sind sie Gott sei Dank nicht“, betonte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) in Richtung des AfD-Abgeordneten André Poggenburg. Jedem müsse klar sein, dass vor dem Hintergrund solcher Reden die CDU niemals mit der AfD koalieren könne. Stahlknecht rief die AfD-Abgeordneten auf, ihren Sprachgebrauch im Plenum zu ändern.

Die Neuregelung des humanitären Familiennachzugs diene dazu, die Kommunen mit den Ankommenden nicht zu überfordern. Straftäter und Gefährder seien davon ausgeschlossen.

Der Schutzstatus gelte indes nur so lange, bis den Betroffenen in ihrem Heimatland kein ernsthafter Schaden mehr drohe. „Über das Thema sollte mit Anstand und Respekt gesprochen werden, denn am Ende reden wir über Menschen“, schloss der Innenminister seinen Redebeitrag.

Integrieren und nicht dramatisieren

Poggenburgs Rede sei lediglich „zehn Minuten angefüllt mit Hetze“ gewesen, konstatierte Rüdiger Erben (SPD): „Sie sind auch ein Hetzer und Sie spielen ganz bewusst damit, dass man Parallelen mit längst vergangenen Zeiten zieht! Das ist selbst Ihrer eigenen Fraktion peinlich.“

Die Regelungen für den Familiennachzug würden nicht in Sachsen-Anhalt beschlossen. 5 160 subsidiär Schutzbedürftige gebe es in Sachsen-Anhalt, die meisten von ihnen seien mit ihrer Kernfamilie hier. Die auf im Antrag verwiesenen jungen Männer hätten noch gar keine eigene Familie gründen können, so Erben. Man solle integrieren und nicht dramatisieren; der Familiennachzug sei nicht nur nützlich, sondern auch moralisch geboten.

Rückkehr zu alten Regelungen

„Das von der AfD Geforderte soll tief an unseren moralischen Grundwerten rütteln“, stellte Wulf Gallert (DIE LINKE) fest. Die Diskussion sei geprägt von Zynismus und Scheinheiligkeit. Gallert forderte die Rückkehr zu den alten Schutz-Regelungen. Gesetzlich sei nämlich längst geregelt, dass Straftäter und Gefährder keinen subsidiären Schutz erhalten. Maximal 2 000 Menschen kämen aufgrund des Familiennachzugs nach Sachsen-Anhalt, so Gallert.

Eine Frage der Menschlichkeit

Der Familiennachzug habe einen politisch-strategischen Grund, denn er erleichtere das Ankommen und die Integration von Geflüchteten, erklärte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). „Wer sich um seine Liebsten existenzielle Sorgen macht, kann sich kaum integrieren.“ Zum anderen sei der Nachzug eine Frage der Menschlichkeit. „Es ist schlichtweg schäbig, aus nationalistischem Dünkel Familien zu entzweien“, so Striegel.

Voraussetzungen für Nachzug und Rückkehr

„Die AfD versucht, Bundespolitik zu machen, weil ihr offensichtlich die Themen für Sachsen-Anhalt ausgehen“, mutmaßte Chris Schulenburg (CDU). Der Familiennachzug müsse nichtsdestotrotz in eine vernünftige Regelung einfließen. Die gesetzliche Neuregelung soll bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Familiennachzug ermöglicht wird oder nicht erfolgen kann. Es handle sich um einen „Schutz auf Zeit“; besteht keine Gefahr mehr im Heimatland, müssten die Schutzberechtigten auch zurückkehren.

„Ungerechtigkeiten in Deutschland“

Er stehe voll und ganz hinter der Rede seines Fraktionsvorsitzenden, weil es den Ton von Millionen Menschen im Land treffe, versicherte Robert Farle (AfD). „Die Ungerechtigkeit in diesem Land ist so enorm hoch – Messerstechereien, Massenvergewaltigungen, Parallelgesellschaften – und wer hat denn diese Situation herbeigeführt?“, fragte Farle. „Die jungen Männer, die ihre Familien im Stich gelassen haben, werden in Syrien gebraucht.“ Die Abgeordneten der Linken, Grünen und SPD sollten sich schämen, „dass wir für unsere eigenen Rentner das Geld nicht haben, aber eine Million andere durchfüttern“, sagte Farle. Die AfD fühle sich verpflichtet, die „ungeschminkte Wahrheit“ zu sagen.

Im Anschluss an die Debatte wurden der Antrag der AfD-Fraktion und der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE abgelehnt. Der Alternativantrag der Koalition wurde angenommen.