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Plenarsitzung

Bravo BRAFO – Zur richtigen Berufswahl

Im Januar 2018 fasste der Landtag einen Beschluss, durch den er das Programm „Berufswahl Richtig Angehen – Frühzeitig Orientieren“ (BRAFO) als Erfolgsmodell herausstellte. Es helfe Schülerinnen und Schülern, berufsbezogene Interessen zu erforschen, sich in unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten zu erproben und dabei ihre Stärken und Talente kennenzulernen.

Daher soll das Programm auch nach dem Auslaufen der EU-Förderperiode 2020 fortgesetzt und langfristig gesichert werden. Die Landesregierung wurde aufgefordert, alle dafür erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und in den Ausschüssen des Landtags über den Stand des Projekts zu berichten. Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration führte zum Beschluss am Mittwoch, 15. August 2018, eine öffentliche Beratung durch, zu der am Projekt beteiligte Institutionen eingeladen waren.

So funktioniert das Projekt zur Berufsorientierung. Graphik: BRAFO

Bei der Fortführung soll insbesondere berücksichtigt werden, dass ab dem 7. Schuljahrgang für alle Schülerinnen und Schüler an der Sekundarstufe I (Sekundarschulen, integrierte und kooperative Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen und Förderschulen für Lernbehinderte) sowie auch für Sinnesgeschädigte und Körperbehinderte sowie geistig Behinderte (Werkstufe 10 bis 12) berufsorientierende Angebote vorgehalten werden sollen. Diese umfassen das Kennenlernen unterschiedlicher Berufsbilder, das Erkunden der eigenen Interessen und die Ausbildung berufspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten durch regelmäßige Praxistage.

Website und kontinuierliche Begleitung

Mit der Neustrukturierung von BRAFO im Jahr 2013 habe man die Umstellung auf den Lebensfeld- und Tätigkeitsfeldansatz mit den Partnern umgesetzt, erinnerte Prof. Dr. Lothar Abicht vom isw (Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung). Dazu habe es eine Testphase mit mehreren Hundert Schülern gegeben sowie eine intensive Abstimmung mit dem Datenschutz.

Eine Website sei entwickelt worden, die eine kontinuierliche Begleitung der Schüler/innen des Projekts möglich machte. „BRAFO-ke.de“ biete seitdem netzbasierte Tests zur Kompetenzerkundung. Abicht wies auf die Notwendigkeit von Nachqualifizierungen für neue Mitarbeiter hin und empfahl, die seinerzeit eingerichtete Hotline weiter bereitzuhalten.

Berufswahlentscheidungen besser absichern

BRAFO solle in ein Regelmodell überführt werden, empfahl Kay Senius, Leiter der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. Die aufgebaute Beratungsstruktur zur Berufsorientierung müsse verstetigt und weiterentwickelt werden. BRAFO sei systemisch konzipiert, die unterschiedlichen Module bauten aufeinander auf. Das Programm setze sich spezifisch mit den Bedarfen im Land auseinander, eine Weiterentwicklung mit Blick auf den aktuellen Ausbildungsmarkt sei erforderlich, denn viele Ausbildungsplätze blieben wieder unbesetzt.

Berufswahlentscheidungen müssten nach wie vor besser abgesichert werden, so Senius, denn zu oft noch gebe es einen Wechsel des Berufswunsches oder des Ausbilders oder sogar einen Ausbildungsabbruch. Es gelte, eine Kompetenzfeststellung in den Schulen einzuführen und die Förderschulen stärker als bisher in die Berufsorientierung einzubeziehen. Auch die Berufsorientierung in den Gymnasien müsse effektiver gestaltet werden, so Senius.

Schlüssige Potenzialanalysen am Projektende

Im Altmarkkreis Salzwedel beteiligen sich alle Schulen bis auf eine an BRAFO, rekapitulierte Jutta Morr von der Stabsstelle Kultur/Koordinierungsstelle RÜMSA (Regionales Übergangsmanagement in Sachsen-Anhalt). Die Rückmeldung aus den Schulen sei sehr gut, eine Fortführung des Projekts über 2020 hinaus sei wünschenswert. Kritisch betrachtet würden die Dokumentation im Berufswahlpass, die nicht hinreichend genutzt werde, und der hohe bürokratische Aufwand bei der Durchführung des Projekts.

Die Schulen fühlten sich bisweilen überfordert von der Fülle der Maßnahmen, so Morr. Sie regte zudem die kontinuierliche Weiterbildung der entsprechenden Lehrer für Berufsorientierung an. Die Qualität der Betriebspraktika müsse verbessert werden. Am Ende des Projekts müsste eine Potenzialanalyse stehen, die sich aus einem verbindlichen, aufeinander aufbauenden Verfahren für alle Schülerinnen und Schüler ergebe.

Anschlussmaßnahmen besser koordinieren

Sabine Helling, Geschäftsführerin vom Bildungszentrum für Beruf und Wirtschaft e. V. Wittenberg, erklärte, dass ihr Zentrum bereits seit zehn Jahren dabei sei. Pro Jahr würden circa 500 Schüler/innen partizipieren, alle Schulen des Landkreises würden sich beteiligen. Das Bildungszentrum ermögliche mit BRAFO oftmals den ersten Einblick für Schülerinnen und Schüler in einen Betrieb. Die an BRAFO sich anschließenden Maßnahmen sollten besser koordiniert werden, so Helling.

Enge Zusammenarbeit aller Partner

Die Euro-Schulen Haldensleben nehmen seit 2011 an BRAFO teil, sagte Silvia Pape. Es gelinge damit, die Jugendlichen mit ihrer Lebenswelterfahrung abzuholen und dazu zu bringen, eine Vorstellung vom Leben nach der Schule zu gewinnen. Es werde das Verständnis vermittelt, welche Kompetenzen für die unterschiedlichen Berufe erforderlich seien. Eltern, Schulen und Unternehmen sollten im Projekt eng zusammenarbeiten.

Wichtig sei nicht nur, alle Schülerinnen und Schüler an sich hinsichtlich der Berufsorientierung rechtzeitig zu erreichen, auch die Bedingungen müssten stimmig sein, als Stichwort nannte Pape hier einen funktionierenden Schülertransport zu den unterschiedlichen Angeboten.

Lebensweltansatz in den Fokus rücken

Das Teutloff-Bildungszentrum Wernigerode habe BRAFO im Jahr 2007 aufgegriffen, erklärte Bernhard Duve. Sachsen-Anhalt sei hier ein Vorreiter bei der Berufsorientierung gewesen. Es gelte, die Werte, Normen und Regeln des Berufseintritts zu vermitteln. „Kinder und Jugendliche ticken heute ganz anders als noch vor zehn Jahren“, so Duve, es sei also sehr sinnvoll, jetzt den Lebensweltansatz in den Mittelpunkt des Projekts zu schieben. Gleiches gelte übrigens auch für die Eltern, die den Berufseinstieg ihrer Kinder begleiten.

BRAFO als Erfolgsmodell müsse unbedingt weiterentwickelt werden, erklärte Regina Lippoldt (Teutloff). Im Wernigeröder Bildungszentrum sei ein Modellprojekt gestartet worden, durch das Lücken im Projekt geschlossen würden. Denn es habe sich gezeigt, dass die Auswahl der Tätigkeitsfelder noch sehr geschlechterspezifisch ausfalle und der Kompetenzerkundungstest zu Beginn des Projekts noch nicht wirklich repräsentativ sei, weil die eigentliche praktische Erfahrung des Schülers noch fehle.

Eine Kompetenzfeststellung sei zum Abschluss von BRAFO unbedingt wichtig, um die Auswahl des Betriebspraktikums in Klasse 8 spezifischer zu gestalten. BRAFO müsse dringend auch in Gymnasium eingeführt werden, so Lippoldt, denn es zeige sich an Gymnasium-Abbrechern, dass sie oft keinerlei praktische Erfahrung bei der Berufsauswahl vorweisen könnten.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration wird sich in seinen kommenden Sitzungen weiter mit dem Beschluss des Landtags und den aus dem Fachgespräch gewonnenen Erkenntnissen beschäftigen und die Fortführung des BRAFO-Projekts weiterbegleiten.