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Plenarsitzung

Fatale Auswirkungen durch Insektensterben

In Deutschland ist seit 1989 die Zahl der Insekten dramatisch geschrumpft. Es gibt immer weniger Insekten. Die jährliche Gesamtmasse an wirbellosen Tieren habe Forschungen zufolge um rund 76 Prozent abgenommen. Dies wurde nun Thema in einer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN initiierten Aktuellen Debatte.

Einsatz von Giftstoffen oberster Grund

Profi- und Hobbyforscher haben über einen langjährigen Feldversuch nachgewiesen, dass die Zahl der Insekten dramatisch zurückgegangen ist, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Ohne Insekten sei kein gesundes Ökosystem denkbar. Dies hat fatale Folgen nicht nur für die Pflanzenwelt, sondern auch für die Tierwelt, die ihre Nahrungsgrundlage verlieren. „Wir müssen den Insekten mehr Lebensraum bieten und sie weniger bekämpfen“, forderte Lüddemann. Nicht zuletzt gibt es auch wirtschaftliche Folgen: Die Bestäubung der Pflanzen durch Insekten beläuft sich auf einen Geldwert im dreistelligen Milliardenbereich.

Der Einsatz von Giftstoffen in der Landwirtschaft sei als oberste Ursache für das Insektensterben zu nennen. Problematisch seien auch die vielen Lichtquellen, die Insekten in der Dunkelheit anzögen – daran verglühten sie oder flögen sich wortwörtlich zu Tode. Lüddemann schlug Schädlingsbekämpfung mit natürlichen Mitteln vor und warb für die Anlage von Blühstreifen. Auch mehr Ökolandbau könne zur Wiedererhöhung der Insektenzahl beitragen. Pestizide und die Versiegelung der Fläche müssten deutlich eingedämmt beziehungsweise verboten (Glyphosat) werden.

Zentrale Frage der Landwirtschaftspolitik

Das Insektensterben versteht Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) als zentrale Zukunftsfrage der Landwirtschaftspolitik, es handle sich gar um eine Überlebensfrage der Menschheit. Der Negativtrend laufe bisher ungehindert weiter. Man müsse sich die Folgen des Insektensterbens vor Augen führen: Es handle sich um eine Katastrophe für die Artenvielfalt, denn die Tiere seien besonders wichtig für die Ökosysteme. Sie leisteten durch ihre Bestäubungsarbeit einen zentralen Dienst für die Lebensmittelversorgung des Menschen und seien freilich selbst Nahrung für andere Tiere. Die Abnahme von Vogelbrutpaaren in Deutschland sei eines der Resultate des Insektenrückgangs.

Die Intensivierung der monokulturellen Landwirtschaft und der Einsatz chemischer Mittel (Dünge- und Pflanzenschutzmittel) führten dazu, dass die Biodiversität zerstört würde. Einst völlig normale Landschaftsbestandteile würden heute vielerorts fehlen, so beispielsweise Streuobstwiesen und Blühstreifen. Entsprechende Programme stünden zur Verfügung und würden auch abgefragt, lobte die Umweltministerin. „Wir brauchen allerdings die Unterstützung auf Bundes- und Europaebene, die Agrarpolitik und die Fördermittel müssen umgesteuert werden“, warb Dalbert, „die neue Bundesregierung ist hier in der Pflicht.“

Insektenmonitoring für Sachsen-Anhalt

„Ja, das Insektensterben und dessen Auswirkungen sind dramatisch“, erklärte Hannes Loth (AfD). Die AfD empfinde den Antrag zur Aktuellen Debatte jedoch als einen Angriff auf die landwirtschaftlichen Betriebe. Ein Teil des Insektensterbens gehe doch auf die Monokulturen in der Landwirtschaft zurück, die auf Bestreben der Grünen für die nachhaltige Energiegewinnung angelegt würden.

Die AfD fordert ein umfassendes Insektenmonitoring für Sachsen-Anhalt und den Stopp des Ausbaus der Windenergie. Zudem müssten Brachen wieder mehr gefördert werden. Loth forderte außerdem eine verstärkte Kontrolle der Bau- und Fachmärkte, in welchem Umfang Giftstoffe an Privatleute verkauft würden.

Pestizideinsatz einschränken

Es bestehe eine große Abhängigkeit zwischen Pflanzen und Blütenbestäubern, der Mensch habe daher eine große Verantwortung für den Schutz der Biodiversität, sagte Hendrik Lange (DIE LINKE). Mit dem Insektensterben stehe man einer ökologischen Krise ohnegleichen gegenüber. Selbst auf die Populationen in Schutzgebieten habe dies Auswirkungen.

„Wir haben schlichtweg nicht das Recht, so fahrlässig mit der Umwelt umzugehen“, erklärte Lange. Neben dem Klimawandel sei auch die intensive Landwirtschaft für das Insektensterben verantwortlich. Sie führe einerseits zum Verlust von Lebensraum für Insekten, andererseits zum Fraßtod durch den Einsatz von Pestiziden.

„Der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft darf sich künftig nur noch auf größte Notfälle beschränken.“ Neuer Lebensraum für Insekten könne beispielsweise mit Blühstreifenprogrammen geschaffen werden. Die Landesregierung solle alle Expertenerkenntnisse – auch aus Sachsen-Anhalt – bündeln und die Politik dazu bringen, zügig wissenschaftlich fundierte Entscheidungen zu treffen.

Viele Ursachen für das Artensterben

Die Ministerin habe viel Richtiges gesagt, aber auch sehr einseitig böse auf die Landwirtschaft gezeigt, beklagte Guido Heuer (CDU). Die Landwirte seien ja selbst von den Leistungen der Insekten abhängig. Heuer forderte, ergebnisoffen über die Gründe für das Artensterben zu diskutieren. Für die rasante Abnahme der Vogelarten sei nämlich nicht allein die Landwirtschaft verantwortlich, sondern auch der Klimawandel und invasive Arten wie der Waschbär.

„Bei aller Dringlichkeit geht die Qualität für Lösungen vor Quantität“, betonte Heuer. Gesellschaftlicher Konsens solle auch aus Sicht der Verbraucher hergestellt werden. So solle beispielsweise für Produkte aus dem Ökoanbau geworben werden, um deren Nachfrage zu steigern. Erst dann solle der Ökoanbau auch intensiviert werden.

Zwingender Forschungs- und Handlungsbedarf

Die Einbußen bei den Insektenzahlen seien deutlich nachgewiesen, es bestehe nun zwingender Forschungs- und Handlungsbedarf, erklärte Jürgen Barth (SPD). Allein 80 Prozent der Wildpflanzen seien von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Zudem seien die Insekten Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl anderer Tiere.

Die Anlage von Blühstreifen und anderen landschaftlichen Strukturelementen könne zur Abhilfe beitragen. Der Einsatz von Insektiziden müsse besser durchdacht werden: Rechtfertigt der Ertrag den Einsatz oder könnte eine Ersatzleistung ihn unnötig machen, mutmaßte Barth? Er warb dafür, sich dem Thema in den Ausschüssen per Selbstbefassung noch einmal intensiv zu widmen.

Am Ende der Aussprache der Aktuellen Debatte wurden keine Beschlüsse gefasst.