Einer Studie zufolge können etwa 14 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nicht ausreichend lesen und schreiben. In Sachsen-Anhalt sind das rund 200 000 Menschen. Für die gesellschaftliche Teilhabe sei dies jedoch Voraussetzung, so die Fraktion DIE LINKE. Sie setzt sich per Antrag für ein Landesprogramm zur Alphabetisierung und Grundbildung ein. Es soll von der Landesregierung entwickelt und finanziell ausgestattet werden. Die Koalitionsfraktionen brachten einen Alternativantrag zu dem Thema ein.
Land muss eigenes Geld in die Hand nehmen
Das Land Sachsen-Anhalt sei auf einem guten Weg, erklärte Doreen Hildebrandt (DIE LINKE) und begrüßte die im Herbst geplante Gründung einer Landesinitiative „Alphabetisierung und Grundbildung“ durch das Land. Laut der „Ramboll-Studie“ bedarf es darüber hinaus jedoch eines längerfristigen finanziellen Engagements. Zudem sei eine Verbesserung nur mit ESF-Mitteln auf Dauer nicht möglich, sondern das Land „muss endlich auch eigene Mittel in die Hand“ nehmen. Alle anderen Bundesländer hätten dies bereits getan.
Der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen sei nicht falsch, „aber ich finde es schäbig, nur in der Antragsbegründung [wird nicht mitbeschlossen; die Red.] von einem Landesprogramm zu reden, dass erst 2020 umgesetzt werden soll“, so Hildebrandt.
Ministerium arbeitet bereits an Strategie
Bildungsminister Marco Tullner betonte, man sei grundsätzlich einer Meinung: Die Zahl der funktionalen Analphabeten sollte verringert und ihre Chancen am Arbeitsmarkt und an gesellschaftlicher Teilhabe verbessert werden. Der Minister erhofft sich von der zu gründenden Landesinitiative eine noch stärke Verankerung des Themas in der Gesellschaft. Derzeit werde außerdem eine Strategie im Bildungsministerium entworfen, wie ein eigenes Landesprogramm etabliert werden kann.
Schon im laufenden Haushalt habe der Landtag dafür gesorgt, dass der Koordinierungsstelle mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, erinnerte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Ihrer Ansicht nach müsste verstärkt nach den Ursachen für die hohe Zahl an funktionellen Analphabeten gesucht werden.
Zu viel Fernsehen und Internet, zu wenig Bücher
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) erklärte, „Alphabetisierungskampagnen bekämpfen nur ein Symptom, jedoch nicht die Ursache“. Der Analphabetismus komme auch daher, dass Schüler immer länger vorm Fernseher und Internet säßen, anstatt gute Bücher zu lesen. Mit Texten in „Einfacher Sprache“ würde das Problem nicht gelöst, sondern das Bildungsniveau der Bevölkerung immer weiter abgesenkt.
Ressourcen in Grundschulen verbessern
Wolfgang Aldag (Grüne) meinte, der Antrag der Fraktion DIE LINKE sei etwas vorschnell gewesen. Die Träger würden gerne erst gute Konzepte schreiben, bevor sie Steuergelder ausgäben. Der Grünen-Abgeordnete verwies darauf, dass insbesondere in den Grundschulen genug Ressourcen vorhanden sein müssten, „damit alle Kinder lesen und schreiben lernen“.
Landesinitiative wichtiger Schritt
Noch vor einigen Jahren stieß die Erwachsenenbildung auf großes Unverständnis, nun sei sie immerhin politischer Konsens, freute sich Angela Gorr (CDU). Die Landesinitiative sei ein wichtiger Schritt zur dauerhaften Etablierung des Themas. Man dürfe sich nichts vormachen, denn funktionale Analphabeten wüchsen ständig nach. Die Schuld dafür liege nicht in erster Linie bei den Lehrern, so Gorr.
Nach der Debatte stimmten die Abgeordneten für den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE wurde abgelehnt.