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Plenarsitzung

Was Armut für Kinder wirklich bedeutet

Gebrauchte Kleidung, ungesunde Ernährung, schlechte Zähne, kein Besuch im Zoo oder Kino – so geht es mittlerweile jedem vierten Kind und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt. Sie alle sind von Armut betroffen oder armutsgefährdet. Denn Armut das bedeutet heutzutage nicht mehr Verhungern, sondern gesundheitliche Nachteile, weniger soziale Teilhabemöglichkeiten und psychische Probleme.

Das alles ist bereits seit einiger Zeit bekannt, nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE gebe es jedoch noch immer zu wenig sichtbare politische Bemühungen, Kinderarmut als gesellschaftliches Problem anzuerkennen, zu analysieren und zu bekämpfen. Daher stellten sie im März 2017 eine Große Anfrage rund um das Thema, deren Antwort nun vorliegt und im Landtag diskutiert wurde. Ausgehend von den Ergebnissen und Erkenntnissen sollten nach Möglichkeit politische Maßnahmen abgeleitet werden, so das Ziel der Linken.

Der Fragenkatalog für die Große Anfrage nahm unterschiedlichste Aspekte rund um das Thema Kinderarmut unter die Lupe, zum Beispiel die Einkommensverhältnisse der Eltern, die Abhängigkeit von sozialen Leistungen, die Bildungschancen, die Wohnverhältnisse sowie die gesundheitliche Situation von armen und armutsgefährdeten Kindern. Außerdem wurden die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben untersucht. Insgesamt stellte die Fraktion DIE LINKE 157 Einzelfragen, die auf 131 Seiten mit 81 Tabellen und Grafiken beantwortet wurden.

Einige wichtige Erkenntnisse im Überblick: 

  • Kinderarmut ist untrennbar mit der Einkommensarmut der Eltern verbunden.
  • Alleinerziehende und Familien mit zwei und mehr Kindern, Menschen mit Behinderungen sowie Familien mit Migrationshintergrund sind besonders von Armut betroffen.
  • Schuleingangsuntersuchungen belegen, dass Kinder mit niedrigerem Sozialstatus deutlich mehr Defizite aufweisen (Sprache, Motorik, geistige Entwicklung etc.) als Kinder mit hohem Sozialstatus.
  • Arme Kinder haben größere gesundheitliche Probleme, sind beispielsweise öfter adipös, verhaltensauffällig und haben schlechtere Zähne.
  • Armut wird häufig innerhalb der Generationen „weitergegeben“.
  • Auch wenn in den vergangenen Jahren die Zahl der höheren Bildungsabschlüsse gestiegen ist, hat die soziale Herkunft immer noch großen Einfluss auf spätere Studien- und Berufsabschlüsse.
  • Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) werden inzwischen gut angenommen. 

Meinungen der Landtagsabgeordneten

Die Ergebnisse der Großen Anfrage ließen sich wie folgt zusammenfassen, sagte Monika Hohmann (DIE LINKE): „Die Erfahrungen von Armut, schlechter Gesundheit oder schlechten Bildungschancen in der Kindheit haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Erwachsenenalter. Und – Armut wird von Generation zu Generation weitergegeben.“ Ihre Fraktion begrüßte die Entfristung des Unterhaltsvorschusses als wichtigen Schritt zur Entlastung von Alleinerziehenden.

Positiv bewertete Hohmann auch, dass Leistungen aus dem BuT zunehmend genutzt würden (bei der Einführung 2011 lediglich 9 Millionen Euro, 2016 waren es bereits 16,7 Millionen Euro). Ihrer Ansicht nach sei es zukünftig noch wichtiger, ressortübergreifend zu arbeiten, um die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern mit niedrigem Sozialstatus zu verbessern.

Ministerin sieht weiteren Handlungsbedarf

Für Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration, lautete die wichtigste Erkenntnis aus der Großen Anfrage: „Kinderarmut ist Familienarmut.“ Wer den Kindern helfen wolle, der müsse daher die Familien unterstützen. Die Landesregierung bekämpfe sowohl die indirekte (monetäre) als auch die direkte (Teilhabe-)Armut  von Kindern und Jugendlichen, betonte Grimm-Benne weiter.

Gleichzeitig räumte die Ministerin ein, dass es in einigen Punkten weiter Handlungsbedarf gebe, zum Beispiel im Bereich der Bildung: „Ich halte beispielsweise eine Erhöhung der Schulbedarfspauschale auf 150 Euro jährlich für erforderlich, um die steigenden Kosten für den persönlichen Schulbedarf aufzufangen.“ Zudem zeigte sie sich offen, neue konzeptionelle Ansätze zu prüfen, zum Beispiel im Hinblick auf die armutsfeste Kindergrundsicherung.

CDU: Gute Arbeitsmarktpolitik wichtiger Baustein

„Wir finden uns nicht mit Kinderarmut ab. Wir wollen, dass alle unsere Kinder die bestmögliche Erziehung, Bildung und Betreuung erhalten, unabhängig von Herkunft und Lebenssituation der Eltern“, zitierte Tobias Krull (CDU) aus dem Regierungsprogramm 2017 – 2021 der CDU/CSU. Krull erklärte, dass die Lage in Sachsen-Anhalt sehr unterschiedlich sei. So gebe es beispielsweise landesweit einen positiven Trend beim Anteil der armutsgefährdeten Personen unter 18 Jahren. Demnach sei die Armutsgefährdungsquote von 29,6 Prozent (2012) auf 27,2 Prozent (2015) gesunken.

Seiner Ansicht nach führe vor allem eine gute Arbeitsmarktpolitik zu einer Verbesserung der von Armut betroffenen Familien. Der CDU-Abgeordnete begrüßte die Gründung des landesweiten überparteilichen „Netzwerk gegen Kinderarmut“, in dem unterschiedliche Ansätze diskutiert werden können.

AfD: Geld für Flüchtlinge fehlt bei Kindern

Tobias Rausch (AfD) konstatierte, Sachsen-Anhalt sei „reich an armen Kindern und arm an reichen Kindern“. Die deutlich höheren Steuereinnahmen der vergangenen Jahre kämen einfach nicht bei den Familien an. Durch die etablierte Politik habe sich in den vergangenen Jahren rein gar nichts verbessert, kritisierte Rausch. Im Gegenteil, es werde alles schlechter und teurer.

Zwar sei in dieser Legislaturperiode schon zweimal über das Thema Kinderarmut im Plenum debattiert worden, aber konkrete Maßnahmen, um die Situation zu verbessern, hätte es noch keine gegeben. Zudem stellte der  AfD-Abgeordnete die Frage, ob die Gelder für die Asyl- und Integrationspolitik in Höhe von 600 Millionen Euro (für 2017 und 2018) nicht besser in einem Landeselterngeld angelegt wären.

Grüne für Kindergrundsicherung

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verwies darauf, dass sich ihre Partei auf Bundesebene für ein Familienbudget einsetze. Die vielen kleinen bereits gedrehten Stellschrauben seien gut, ein richtig großer Wurf wäre jedoch erst die Schaffung einer Kindergrundsicherung. Außerdem plädierte sie dafür, dort wo die Ungleichheit und Benachteiligung von Kindern am stärksten ist, besondere finanzielle Förderung einzusetzen.

SPD: Bildung und Arbeit beste Rezepte

Neben der finanziellen Grundsicherung von Eltern müssten diese vor allem in Arbeit gebracht werden, erklärte Andreas Steppuhn (SPD). Daneben sei es wichtig, das soziale Umfeld in den Blick zu nehmen, genau an dieser Stelle setze das BuT auch an. Der SPD-Abgeordnete sagte weiter, die Bekämpfung von Kinderarmut müsste eine gesamtgesellschaftliche Zielstellung sein. Die besten Rezepte gegen Kinderarmut seien Bildung und Arbeit. Dabei sei die frühkindliche Bildung besonders wichtig, denn „Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit fangen in der Kita an“.

Linke: Ungleichheit ist Gefahr für Demokratie

„Ungleichheit ist die größte Gefahr für die Demokratie“ hätte bereits Barack Obama gesagt, stellte Eva von Angern (DIE LINKE) fest. Man benötige daher ganz dringend eine Kindergrundsicherung, denn die Erhöhung des Kindergeldes komme nicht bei den Familien an, die es wirklich benötigten. Das dafür nötige Geld würde sie viel lieber für das Wohl der Kinder als beispielsweise für Waffen ausgeben. Es sei ein Armutszeugnis für unser Land, dass Kinderreichtum das höchste Risiko für Kinderarmut berge und der Bildungsabschluss immer noch in großer Abhängigkeit vom sozialen Status eines Kindes stehe.

Am Ende der Debatte über die Große Anfrage wurden keine Beschlüsse gefasst.