Das Rettungsdienstgesetz des Landes soll geändert werden. Dabei geht es in erster Linie um eine Anpassung des Rettungsdienstes an Bundesrecht. Daneben wird die qualifizierte Patientenbeförderung an ein anderes Krankenhaus innerhalb desselben und auch des benachbarten Rettungsdienstbereiches im Gesetz erfasst. Ebenso berücksichtigt wird das neue Berufsbild des Notfallsanitäters, welcher zukünftig den Rettungsassistenten ablösen wird. Darüber hinaus zielt die Gesetzesänderung darauf ab, dass: „Leistungen des Rettungsdienstes grundsätzlich nur noch im Wege eines Auswahlverfahrens zwischen den in Sachsen-Anhalt tätigen fünf Hilfsorganisationen vergeben werden“. Das sind konkret: der Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe und der Malteser Hilfsdienst.
Nachdem der Gesetzentwurf Anfang März 2017 in den Landtag eingebracht wurde, hat sich nun der Ausschuss für Inneres und Sport am 20. April 2017, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema beschäftigt.
Die Meinungen der Anzuhörenden im Einzelnen:
Der Landkreistag Sachsen-Anhalt sowie der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt begrüßten die geplanten Gesetzesänderungen grundsätzlich. Die Änderung bei den Verlegungsfahrten würden jedoch einigen planungstechnischen Voraufwand benötigen, daher sei die Übergangsfrist bis 1. Januar 2019 sinnvoll, sagte Sabine Fiebig, Referentin vom Landkreistag. Ein möglicher entstehender finanzieller Mehraufwand dürfte jedoch nicht auf die Kommunen abgewälzt werden. Bezüglich der Änderung des §13 (Vergabe nur noch an Hilfsorganisationen) sprach sich Fiebig dafür aus, im Gesetzentwurf das Wort „sollen“ durch das Wort „sind“ zu ersetzen. Dadurch bekämen die Kommunen eine noch größere Rechtssicherheit.
Personeller Engpass befürchtet
In Bezug auf das neue Berufsbild des Notfallsanitäters befürworteten Landkreistag und Städte- und Gemeindebund die angedachte Übergangsfrist von zehn Jahren. Dennoch gehen sie davon aus, dass es zukünftig nicht immer möglich sein werde, einen Notfallsanitäter auf einem Rettungswagen einzusetzen. Innerhalb der Übergangsfrist müssten daher auch noch „nur“ Rettungsassistenten (ohne Notfallsanitäter) eingesetzt werden können.
Holger Friedrich, Vorsitzender aller fünf Hilfsorganisationen in Sachsen-Anhalt warnte ebenfalls vor einem personellen Engpass in den nächsten Jahren. Die ersten ausgebildeten Notfallsanitäter würden erst 2018 fertig und dann auf dem Markt sehr gefragt sein. Eine große Herausforderung sehen Friedrich und seine Kollegen darin, möglichst viele der bisherigen Rettungsassistenten zu motivieren, sich weiter zu qualifizieren und die Ergänzungsprüfung zum Notfallsanitäter abzulegen.
Katastrophenschutz und Rettungsdienst untrennbar
Präzisierungsbedarf sah Friedrich in §18 Absatz 2 des Gesetzentwurfs, bei dem es um die zukünftige personelle Besetzung von Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) geht. Zukünftig soll das NEF auch mit einem Notfallsanitäter besetz werden, in Ausnahmefällen dürfte es aber auch medizinisch vertretbar sein, einen Rettungssanitäter zum Einsatz kommen zu lassen, heißt es vom Gesetzgeber. Nach Ansicht der Hilfsorganisationen müsste hier deutlicher geregelt werden, wann es sich um einen „Ausnahmefall“ handle. Die Änderung des §13 wurde von den Hilfsorganisationen ausdrücklich befürwortet. Gerade die Verquickung von Katastrophenschutz und Rettungsdienst sei für die Hilfsorganisationen enorm wichtig, betonte Friedrich. Wenn diese aufgebrochen würde, wäre das gesamte Hilfssystem in Gefahr.
Notfallsanitäter und Notarzt in einem Auto?
Eine gegensätzliche Meinung zur Besetzung der NEF hatte Andreas Lange, stellvertretender Geschäftsführer der DRK Zeitz Rettungsdienst gGmbH. Seiner Ansicht nach handle es sich um Ressourcenverschwendung, wenn man einem ausgebildeten Notarzt auch noch einen Notfallsanitäter mit in den Wagen setze. In vielen Fällen würden im Notfall sowohl NEF als auch Rettungswagen (RTW) vor Ort sein. Demnach reiche es aus, wenn auf dem Rettungswagen ein Notfallsanitäter dabei wäre.
Lange zeigte sich außerdem skeptisch, ob es in der Kürze der Zeit gelingen werde, alle Stellen mit Notfallsanitätern zu besetzen. Seiner Erfahrung nach würden sich Rettungsassistenten mittleren Alters (40 bis 50 Jahre) schwer tun mit der Qualifizierung zur Ergänzungsprüfung. Die Ausbildung laufe berufsbegleitend und die Rettungsstelle müsste die Mitarbeiter zwischen 160 und 300 Stunden vom Dienst freistellen. Gleichzeitig müsste Ersatz gefunden werden, den es derzeit auf dem Arbeitsmarkt nur schwer gebe.
BKK sieht vergaberechtliche Einschränkungen kritisch
Roland Ziemann vom BKK Landesverband Mitte erklärte, mit dem Gesetz sei die Erwartung verbunden, dass zukünftig flächendeckend qualifiziertes Personal eingesetzt werde. Die vorgesehenen Übergangsfristen wurden begrüßt. Da in der Regel bei einem Einsatz immer ein NEF und ein RTW vor Ort sein werden, sei eine Änderung des § 18 aus Sicht der BKK aus Qualitäts- und Ressourcengründen ebenfalls nicht nötig. Die geplanten Änderungen bei den Vergabekriterien zugunsten der Hilfsorganisationen sieht die BKK kritisch. Ihrer Ansicht nach würden die vergaberechtlichen Einschränkungen dauerhaft keinen Bestand haben. Gleichzeitig würden sie die optimale Verzahnung von Rettungsdienst und Katastrophenschutz jedoch nicht in Frage zu stellen.
Private Anbieter sehen Existenz bedroht
Jens Ackermann ist Betreiber der Krankentransport und Rettungsdienst Ackermann GmbH und damit einer von zwei privaten Dienstleistern im Rettungsdienst in Sachsen-Anhalt. Er befürchtet existenzbedrohende Nachteile durch die Gesetzesnovelle. Grund dafür sei vor allem der § 13, wonach Leistungen nur noch an Hilfsorganisationen vergeben werden sollen. Ackermann kritisierte, dass er als privater Rettungsdienstleister damit bei der Vergabe von Konzessionen von Anfang an ausgeschlossen werde.
Die Begründung, die Hilfsorganisationen wirkten im Katastrophenschutz mit und hätten zudem keine Gewinnabsicht könne er als Ausschlusskriterium nicht nachvollziehen. Auch seine Mitarbeiter würden sich privat ehrenamtlich im Katastrophenschutz engagieren und auch er würde keinen „Gewinn machen“, sondern es gebe ein Budget. Aus seiner Sicht seien die Hilfsorganisationen stark genug. Ackermann bat um Fairness und Gleichbehandlung, um auch weiterhin am Markt tätig sein zu können.
Als Rechtsanwältin der privaten Rettungsdienstleister empfahl Martina Kiesgen-Millgramm auf §13 zu verzichten, weil er ihrer Ansicht nach verfassungswidrig sei. Demnach würden private Leistungserbringer in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt. In einem ähnlichen Fall in Sachsen habe das Bundesverfassungsgericht sich bereits mit dem Thema beschäftigt und im Sinne der privaten Leistungserbringer entschieden.
Krankenhäuser müssen Notärzte bereitstellen
Die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. bewertete die Öffnung des Gesetzes für Verlegungsfahrten (Interhospitaltransfers) innerhalb des eigenen und benachbarten Rettungsdienstbereichs als positiv. Geschäftsführer Dr. Gösta Heelemann regte jedoch an, dass die ärztliche Begleitung bei solchen Fahrten durch den Rettungsdienst und nicht nur das Krankenhaus gestellt werden müsste. Dieser bereits mehrfach geäußerte Wunsch würde sich leider nicht im Gesetzentwurf wiederfinden. Seiner Ansicht nach sollte §26 Absatz 2 komplett gestrichen werden, zumal diese Aufgabe in keiner Fallpauschale vorgesehen und der Rücktransport des abzustellenden Arztes nicht geklärt sei.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, dass Krankenhäuser, die keine Ärzte für die Notfallrettung zur Verfügung stellen, zukünftig mit einem Bußgeld in Höhe von 50 000 Euro bestraft werden können. Mit der Auflage Ärzte abstellen zu müssen, würden Krankenhäuser jedoch ungebührlich belastet, argumentierte Dr. Heelemann und sprach sich gegen diesen Passus im Gesetzentwurf aus. Ein Arzt, der für den Notfalleinsatz abgestellt werde, könne in der gesamten Dienstzeit nicht am Patienten im Krankenhaus eingesetzt werden. Volkswirtschaftlich sie dies vollständig widersinnig, kritisierte Heelemann. Falls der Gesetzgeber dennoch an dieser Regelung festhalten wolle, müsste er zumindest ein Widerspruchs- und Befreiungsverfahren regeln.
Am Ende der öffentlichen Anhörung wurden keine Beschlüsse gefasst. Der Ausschuss für Inneres und Sport wird sich in einer seiner nächsten Sitzungen erneut mit dem Gesetzentwurf beschäftigen. Ziel ist der Erarbeitung einer Beschlussempfehlung, über die dann im Landtagsplenum abgestimmt wird.