Der populärste Sportler aus der ehemaligen DDR, Täve Schur, wird nicht in die Hall of Fame – die virtuelle Ruhmeshalle des deutschen Sports – aufgenommen. Das hatte die Deutsche Sporthilfe Ende April bekannt gegeben. Damit ist auch ein Antrag der Fraktion DIE LINKE für das Mai-Plenum überholt, in dem sie dafür eintrat, dass sich der Landtag für eine Aufnahme Schurs in die Hall of Fame einsetzt.
Entsprechend der aktuellen Gegebenheiten hat DIE LINKE einen Änderungsantrag eingebracht. Danach soll der Landtag die Bemühungen der Gremien des Sports um eine kritische Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Geschichte des Sports in beiden ehemaligen Teilen Deutschlands unterstützen. Im Rahmen der Sportministerkonferenz werden entsprechende Impulse der Landesregierung erwartet. Außerdem seien die sportlichen Erfolge Täve Schurs in jedem Fall vom Landtag zu würdigen – unabhängig von seiner Aufnahme in die Hall of Fame.
Was ist die Hall of Fame?
„Die im Jahr 2006 von der Stiftung Deutsche Sporthilfe initiierte Hall of Fame des deutschen Sports ist ein Forum der Erinnerung an Menschen, die durch ihren Erfolg im Wettkampf oder durch ihren Einsatz für Sport und Gesellschaft Geschichte geschrieben haben. Dazu gehören Athleten und Trainer ebenso wie Funktionäre und Gestalter. Die Hall of Fame des deutschen Sports soll dazu beitragen, die mehr als hundertjährige Geschichte des deutschen Sports und seiner Persönlichkeiten im Gedächtnis zu bewahren und Diskussionen darüber anzuregen.“
Quelle: http://www.hall-of-fame-sport.de
Unklare Aufnahmekriterien
Stefan Gebhardt (DIE LINKE) fragte eingangs der Debatte: Kommt man in die Hall of Fame wegen herausragender sportlicher Leistungen oder wegen bestimmter politischer Positionen? Die Antwort des Deutschen Sportbundes interpretierte er so: Eigentlich zählten die sportlichen Leistungen, aber jemand, der wie Täve Schur, nicht bereit sei, seine eigene Vergangenheit zu leugnen, gehöre nicht in die Hall of Fame.
Sämtliche Befragungen und Umfragen hätten gezeigt, so Gebhardt weiter, dass sich Täve Schur immer noch großer Beliebtheit erfreue und eine klare Mehrheit der Sachsen-Anhalter ihn gern in der Hall of Fame gesehen hätte. Der Linken-Abgeordnete verwies darauf, dass es in der Hall of Fame auch Sportler gebe, die NSDAP-Mitglieder gewesen seien, die gedopt hätten oder als Steuerhinterzieher verurteilt worden seien.
Die Entscheidung der Jury sei ein Schlag ins Gesicht jener, die noch heute zu ihrer DDR-Vergangenheit stünden und sie nicht als kriminell bezeichneten. Dass diese Pauschalisierung von Schur nicht mitgemacht werde, verdiene Respekt. Dies bedeute jedoch nicht, dass alle Aussagen von Täve Schur geteilt würden. Bei der Aufnahme in die Hall of Fame werde mit zweierlei Maß gemessen und genau dies mache die Leute wütend und zwar zu Recht.
Diktaturen ge- und missbrauchen Sportler
Spitzensport und Politik haben immer eine Nähe zueinander, konstatierte der Minister des Inneren und Sport, Holger Stahlknecht. Diktaturen würden Sportler jedoch gebrauchen und missbrauchen. Man sollte sich davor hüten, einen Sportler zu verurteilen, der sich von einer Diktatur habe missbrauchen lassen. Am Ende sei es eine ganz individuelle Entscheidung eines Menschen, ob er sich rückblickend von seinem Tun distanziere oder nicht. Nach Auffassung von Stahlknecht wäre es ein gutes Zeichen, wenn sich die Politik vornehm zurückhalten würde, und die Entscheidung des Kuratoriums einfach akzeptierte.
Carsten Borchert (CDU) verwies auf die Argumente von Minister Holger Stahlknecht und ergänzte, Täve Schur habe es nicht verdient, hier im Landtag erneut zwischen die Fronten zu geraten. Mehr wollte er im Namen der CDU-Fraktion nicht zu dem Thema sagen.
Sind Ost-Idole weniger wert?
Dr. Falko Grube gab dem Innenminister Recht: „Politik sollte nicht in die Autonomie des Sports eingreifen.“ Dennoch gehöre Täve Schur aufgrund seiner sportlichen Erfolge zweifellos in die Hall of Fame. Für dessen Verharmlosung des Dopings habe er jedoch kein Verständnis. Ähnlich wie Linken-Abgeordneter Gebhardt kritisierte SPD-Abgeordneter Grube, dass die Deutsche Sporthilfe mit den Biografien anderer Mitglieder in der Hall of Fame anders umgegangen sei.
Beispielhaft verwies er auf den Dressurreiter Josef Neckermann. Dieser habe vom NS-System profitiert und dies im Nachhinein nicht bedauert. Daher bleibe der fade Beigeschmack, dass bei Sportidolen aus Ost und West mit unterschiedlichem Maß gemessen werde und dass Idole aus dem Westen mehr wert seien. Es wäre schön, wenn dieser Beigeschmack verschwinden würde, endete Grube.
Nichtaufnahme war politische Entscheidung
Die Nichtaufnahme von Täve Schur in die Hall of Fame „war mit Sicherheit eine politische und keine sportliche Entscheidung“, zeigte sich Andreas Mrosek (AfD) überzeugt. Selbst ehemals erfolgreicher Leistungssportler im Ringen, zeugte er der sportlichen Leistung des Radfahrers Schur größten Respekt. Auch sein heutiger Einsatz für den Breitensport, im hohen Alter von 85 Jahren, verlange Anerkennung, so Mrosek. Politik und Sport sollten seiner Ansicht nach getrennt werden. Es dürfe keine Gratwanderung zwischen Sportlerherzen und ideologischen Einstellungen geben.
Mit Äußerungen selbst diskreditiert
Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hält es für einen Fehler, wenn sich der Landtag von Sachsen-Anhalt zu einem Richter aufschwingen wolle, wer in die Hall of Fame aufgenommen werde und wer nicht. Es handle sich um eine unabhängige Juryentscheidung, der Landtag sollte dazu keine Beschlüsse fassen. Es sei betrüblich, wenn manche Menschen immer noch ausschließlich den Sportler Täve Schur sähen und darüber seine Rolle im DDR-System verkannten. Schur sei schließlich Volkskammerabgeordneter und somit Stütze des DDR-Systems gewesen. Mit seinen jüngsten Äußerungen zum DDR-Sportsystem hätte sich der ehemalige Radsportler zudem selbst diskreditiert.
Dennoch sei aus dem gescheiterten Antrag zur Aufnahme in die Hall of Fame etwas Gutes erwachsen, so der Grünen-Abgeordnete. Denn die Deutsche Sporthilfe als Träger der Hall of Fame wolle eine Debatte um das gesamtdeutsche Sportsystem anschieben und dabei auch die Aufnahmekriterien hinterfragen. Striegel betonte besonders den gesamtdeutschen Ansatz, da „die Verwertung von Menschen zugunsten Dritter auch im kapitalistischen System nicht aufgehört hat“.
Der geänderte Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde abgelehnt.