Unter dem Titel „Gute Unterrichtsversorgung als Kern guter Bildungspolitik“ hat Bildungsminister Marco Tullner (CDU) in der ersten Sitzung des Jahres 2017 eine Regierungserklärung abgeben. Im Anschluss hatten die Abgeordneten der fünf Landtagsfraktionen die Möglichkeit, Stellung zu den Aussagen des Ministers zu beziehen und eigene Impulse zur Thematik zu geben.
Tullner: Transparente und verlässliche Bildung gestalten
„Unser Ziel muss es sein, Bildung in Sachsen-Anhalt transparent und verlässlich zu gestalten“, erklärte Bildungsminister Marco Tullner. Für ihn sei es verständlich, dass die Debatte von allen Seiten oft hochemotional geführt werde, es gehe schließlich darum, Kindern mit guter Bildung gute Zukunftschancen zu ermöglichen. Hauptproblem sei oft – aus unterschiedlichsten Gründen – der Unterrichtsausfall. Daher sei es zentrales Ziel, zukünftig einen qualitativ und quantitativ guten Unterricht in jeder Schule abzudecken.
Tullner steht zum im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel einer 103-prozentigen Unterrichtsversorgung, auch wenn die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft mittlerweile von 105 Prozent spricht. Dies zu erreichen sei nicht leicht, denn in wenigen Jahren sei aus einem Lehrerüberhang im Land ein Lehrermangel geworden. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen daher 500 Lehrer mehr eingestellt sein als Ende 2016. Damit hätte sich die Zahl dann auf 14 500 Lehrer-Vollzeitäquivalente erhöht.
Unterrichtsversorgung mit Maßnahmen-Mix sichern
Der Bildungsminister erklärte, dass er bisher nicht untätig gewesen sei, sondern sein Ministerium schon einige wichtige Schritte eingeleitet habe. So sei erfolgreich ein Onlinebewerbungsverfahren eingeführt worden, ein Konzept zur Qualifizierung von Seiten- und Quereinsteigern werde derzeit erarbeitet. Tullner mahnte jedoch: „Es muss dafür gesorgt werden, dass sie [Red: die Quereinsteiger] unseren Ansprüchen von Didaktik und Pädagogik entsprechen.“ Um auch junge Lehrer in die ländlichen Gebiete zu bringen, sollen die Studienseminare zukünftig dezentralisiert werden, um die regionalen Bindungen zu verbessern.
Die Erhöhung der Lehrer-Wochenstunden sei für ihn derzeit nicht das richtige Mittel, um die Unterrichtsversorgung zu sichern, insbesondere mit Blick auf die Altersstruktur der Lehrer. Stattdessen will er prüfen, ob der eine oder andere Lehrer nicht vielleicht raus aus Amtsstuben und zurück ins Klassenzimmer gebracht werden könnte, denn dort würden sie nötiger gebraucht, so der Bildungsminister. Eine weitere Maßnahme könnte sein, dass Referendare früher als bisher eigenständigen Unterricht übernehmen, in anderen Ländern würde dies auch praktiziert. Zudem will Tullner die Lehrer vom „überbordenden Berichtswesen befreien“, sie sollten sich vor allem auf guten Unterricht konzentrieren.
AfD: „Bildungspolitische Wende um 180 Grad“
„Die Unterrichtsversorgung ist nicht Kern, sondern äußerer Rahmen für gute Bildungspolitik“, betonte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD). Kernproblem sei stattdessen, dass die Kinder nicht mehr ausreichend gebildet würden. Der AfD-Abgeordnete sprach von einer „Krise der Mentalität“, Werte wie Pflicht und Disziplin würden in den Schulen nicht mehr vermittelt. Viele Abiturienten seien nicht hochschulreif und Hauptschulabschlüsse seien oft ein „Gnadenakt“. Tillschneider forderte eine „bildungspolitische Wende um 180 Grad“.
Seiner Ansicht nach müssten die Schüler wieder beseelt sein von der Idee des Wettstreits und des Ringens um herausragende Leistungen. Tillschneider plädierte für ein Zurück zum klassischen dreigliedrigen Schulsystem aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Höchstens ein Viertel eines Jahrgangs sollte Abitur machen, denn „Inflation erzeugt nie Werte, Inflation vernichtet Werte.“ Der Akademisierungswahn, „Kuschelpädagogik“ und Infotainment im Klassenzimmer müssten überwunden werden. Die Lehrer sollten wieder zu einer echten Autorität werden.
Ebenfalls kritisch sieht seine Fraktion die Digitalisierung, sie sei ein echter Feind der Bildung, da sie unter anderem das sogenannte „Bulimie-Lernen“ fördere. Der AfD-Abgeordnete sprach sich für mehr Bildungsgut und weniger Informationsflut im Lehrplan aus. Zudem sei Bildung immer auch Nationalbildung. Nur wenn Schüler stolz auf ihr Land sein wollen, träten sie in den angesprochenen Wettstreit ein, denn „Nationalstolz fördert ein gesundes Selbstbewusstsein“.
SPD: „Gute Bildung für alle von Anfang an“
Studien zeigten, je schlechter das Bildungsniveau ist, desto schlechter ist auch das Wirtschaftswachstum. Die Bildungschancen würden somit auch über den gesellschaftlichen Zusammenhalt entscheiden, mahnte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Daher sei es Anspruch der SPD, „gute Bildung für alle von Anfang an“ zu ermöglichen. Noch spiele in Deutschland die soziale Herkunft eine große Rolle beim schulischen Erfolg eines Kindes, dies müsse überwunden werden. Auch für ihre Fraktion bedeute Bildung mehr als „gute Unterrichtsversorgung“.
Die SPD-Abgeordnete sagte weiter, sie sei froh, dass allen Referendaren aus Sachsen-Anhalt ein Angebot gemacht werden soll, dies werde jedoch nicht ausreichen, um den Bedarf an Lehrern zu decken. Man werde schneller als gedacht auf Seiten- und Quereinsteiger zurückzugreifen müssen. Kolb-Janssen appellierte an die Abgeordneten, gemeinsam dafür zu kämpfen, Haushaltsreserven zu finden, um in den nächsten Jahren ausreichend gute Lehrerinnen und Lehrer einstellen zu können.
DIE LINKE: „Besser wird es auf keinen Fall“
Thomas Lippmann (DIE LINKE) sagte, er hoffe für seine Kinder und Enkelkinder, dass die AfD-Fraktion niemals Einfluss auf die Bildungspolitik im Land haben werde. Aber der Bildungsminister hätte sich die Welt in seiner Regierungserklärung schön geredet. Denn in vielen Fällen läge die Unterrichtsversorgung unter 80 Prozent. Der Linken-Politiker kritisierte weiter, Bildung habe für die Landesregierung keinen hohen Stellenwert, denn während das Volumen des Gesamthaushalts um 8 Prozent steige, steige es im Bildungsbereich nur um 0,8 Prozent. Die im Haushaltsentwurf vergessenen Zuschüsse für Klassenfahrten seien da nur das „i-Tüpfelchen“.
Mit der derzeitigen Planung im Haushalt werde es vielleicht „nicht noch schlimmer, aber besser wird es auf keinen Fall“. Stattdessen greife das Ministerium in die mathematische Trickkiste, um den Bedarf an Lehrern künstlich niedrigzurechnen und damit letztendlich die Zahlen bei der Unterrichtsversorgung zu schönen. Der Ausverkauf der Bildung werde damit vorangetrieben, so Lippmann.
Grüne: Minister muss Kommunikation verbessern
Dem Maßnahmenkatalog des Ministers sollte unbedingt noch hinzugefügt werden, dass die Schulleitungen vor Ort mehr Selbstverantwortung erhielten, erklärte Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Grünen seien gewillt, die Ziele des Koalitionsvertrags gemeinsam umzusetzen und gute Bildung für alle zu ermöglichen. Vom Minister erwarte seine Fraktion dafür eine verbesserte Kommunikation, weniger Laissez-faire und einen offenen Dialog.
CDU: Gemeinsam können wir es schaffen
Angela Gorr (CDU) berichtete mit Eindrücken aus ihrem Wahlkreis, dass die Situation nicht so schlecht sei, wie oft geschildert. Im Wesentlichen bekräftigte sie die Strategie des Bildungsministers und zeigte sich überzeugt, nur wenn motivierte Lehrer faszinierenden Unterricht machen würden, könnte es auch gelingen, junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen.
Die CDU-Abgeordnete verwies zudem auf die bereits eingesetzte Expertengruppe für die Ermittlung des langfristigen Lehrerbedarfs. In diesem Gremium würden die kurz- und längerfristigen Kapazitätsentwicklungen an den Hochschulen und der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung in den Blick genommen werden.
Am Ende der Regierungserklärung wurden keine Beschlüsse gefasst.