Nur fünf Prozent der Gewässer in Sachsen-Anhalt sind in einem guten ökologischen Zustand. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hervor. Die Ergebnisse der Großen Anfrage wurden im Plenum diskutiert. Die WRRL trat im Jahr 2000 in Kraft, um einen guten ökologischen, chemischen und mengenmäßigen Zustand der Gewässer bis spätestens 2027 zu erreichen oder zu erhalten.
Nur 5 Prozent der Gewässer in gutem Zustand
„Nur 5 % der Gewässer in Sachsen-Anhalt befinden sich in einem guten ökologischen Zustand“ konstatierte Hendrik Lange (DIE LINKE). Mit dieser Bilanz gehöre das Land bundesweit zu den Schlusslichtern. Der Grundwasserkörper in Sachsen-Anhalt sei stark nitratbelastet beziehungsweise auf 53 Prozent der Landesfläche in einem schlechten chemischen Zustand. Diese Werte seien alarmierend, so Lange weiter.
Die Umsetzung der im Jahr 2000 in Kraft getretenen WRRL erfolge in Sachsen-Anhalt offenbar nur halbherzig bis schlecht. Andere Bundesländer seien mit ihren Maßnahmen bereits viel weiter, während in Sachsen-Anhalt die meisten Gewässerentwicklungskonzepte nicht einmal erarbeitet sind. Lediglich von fünf Konzepten wurden bisher Maßnahmen fertig umgesetzt, kritisierte der Linken-Abgeordnete.
Bleibe es bei diesem Bearbeitungstempo, sei es gänzlich unrealistisch bis 2027 einen guten ökologischen Zustand der Gewässer zu erreichen. Insbesondere bei den Gewässern 2. Ordnung sei der Bearbeitungsstand katastrophal. Die meisten Unterhaltungsverbände (UHV) würden gerade erst mit der Vorplanung oder bestenfalls Planung beginnen. Zudem unterstütze das Land die Forschung auf dem Gebiet der WRRL nicht.
Praxis der Düngemittelimporte prüfen
Lange zeigte sich überzeugt, dass für den Erfolg von Maßnahmen der WRRL vor allem die Landnutzung im Umfeld der Gewässer entscheidend sei. Denn Feinsedimente, Pestizide und Düngemittel seien heutzutage zumeist die wichtigsten Stressoren für die Gewässerökologie. Dafür lasse die Antwort der Landesregierung wenig Sensibilität erkennen. Gleichzeitig stehe dem schlechten Zustand des Grundwasserkörpers in Sachsen-Anhalt eine verfünffachte Importmenge an Wirtschaftsdüngern (Gülle, Geflügelmist, Gärreste) gegenüber (in den letzten sechs Jahren).
Unter diesen Vorzeichen sieht die Fraktion DIE LINKE dringenden Handlungsbedarf. „Das Wasser ist zu wichtig, um einfach so weiterzumachen wie bisher“, betonte Lange. Die Landesregierung müsse daher Konsequenzen aus der Großen Anfrage ziehen und die Basis für eine zielführende Strategie zur Verbesserung der Grundwasserkörper und der Wasserqualität in Sachsen-Anhalt schaffen. So gehöre beispielsweise die Praxis der Düngemittelimporte umgehend auf den Prüfstand.
Zeitraum bis 2027 vermutlich zu knapp bemessen
Prof. Dr. Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, räumte ein, dass es bis 2027 vermutlich nicht klappen wird, die Ziele der WRRL umzusetzen. Da dies vielen europäischen Ländern so gehe, denke die EU über eine Fristverlängerung nach, informierte die Ministerin. Dass Thema werde damit aber nicht ad acta gelegt, sondern sei im Koalitionsvertrag fixiert und solle langfristig umgesetzt werden.
Die Gewässerentwicklungskonzepte betrachten verschiedene Aspekte des Gewässerzustandes und sollen Grundlage für die Umsetzung der WRRL sein. Die letzte Zustandsbewertung erfolgte 2012, die nächste steht für 2018/19 an, erläuterte die Umweltministerin. Erst danach könne eine realistische Einschätzung erfolgen. Außerdem verwies sie auf bereits jetzt erkennbare erste Erfolge, wie beispielsweise die Entschlammung einzelner Elbabschnitte. Ein wichtiges Handlungsfeld sieht sie im Abbau von Barrieren für die Fischdurchlässigkeit.
Die Umsetzung der WRRL werde zukünftig weiter intensiv betrieben und die Defizite der Gewässer sollen abgebaut werden. Ein Schwerpunkt liege dabei auf der Reduzierung der stofflichen Belastung der Gewässer und der Verbesserung der Gewässerrandstreifen. Dafür sollen in den nächsten Jahren 33 Milliarden Euro an europäischen Fördermitteln eingesetzt werden.
Umsetzung der WRRL ist große Herausforderung
„Die Umsetzung der WRRL ist eine große Herausforderung für unser Land“, sagte Jürgen Barth (SPD). Sachsen-Anhalt habe dabei besonders viel Arbeit zu leisten, wenn man allein an die Altlasten aus den Chemiestandorten denke. Aus seiner Erfahrung könne er feststellen, dass das Land bei der Zielerfüllung durchaus vorangekommen sei. Der ursprüngliche Zeitplan der WRRL sei von Anfang an sehr sportlich gewesen.
Zum Thema Gülle sagte Barth, dass 200 000 Tonnen auf die Fläche des Landes gerechnet, ein Klacks wären, es komme jedoch auf eine vernünftige Verteilung an. Für die Zukunft wünschte er sich eine bessere Zusammenarbeit zwischen Unterhaltungsverbänden und Landwirten.
Große Anfrage ohne wirklich neue Erkenntnisse
Lydia Funke (AfD) kritisierte, die Versäumnisse der letzten Jahre und die Veränderungen von Jahrhunderten könnten jetzt nicht in einer „Hau-Ruck-Aktion“ rückgängig gemacht werden. Für sie hätte die Große Anfrage keine wirklich neuen Erkenntnisse gebracht, was teilweise an der unzureichenden Fragestellung gelegen habe. Wenn man ernsthaft nach den Gründen für die lahmende Umsetzung der WRRL suche, müsste man auf die nicht genutzten Fördergelder vom Bund und der EU schauen.
Trotz der Aneinanderreihung verschiedener Themen, zeige die Große Anfrage, dass es enorme Erkenntnisdefizite zu den Maßnahmen und Erfolgen der einzelnen Projekte gebe. Die AfD-Fraktion fordere daher, dass die Ministerin im Ausschuss für Umwelt und Energie regelmäßig über den aktuellen Stand bei der Umsetzung der WRRL informiert.
CDU nimmt Landwirte in Schutz
„Die Ressource Wasser ist für die gesamte Menschheit lebenswichtig“, erinnerte Detlef Radke (CDU). Er verwies auf erste Erfolge bei der Umsetzung der WRRL. Zudem habe die Akzeptanz für de WRRL zugenommen, unter anderem dank Workshops, Broschüren und Internetseiten, die über das Thema informierten. Ein Blick in andere Bundesländer zeige jedoch, dass es noch viel zu tun gebe. Seiner Ansicht nach sollte das Land seine Beratungsangebote weiter ausbauen, auch ein langfristiger Arbeitsplan zur Sicherung von Gewässerrandstreifen könnte helfen, ebenso eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten.
Die oft gescholtenen Landwirte nahm Radke in Schutz, sie seien sich ihrer Verantwortung für die Natur bewusst und würden mit modernster Technik arbeiten. Zur Umsetzung der WRRL bedürfe es keiner Schuldzuweisung, sondern konkreter Maßnahmen.
Umweltsofortprogramm birgt Chancen
Die Große Anfrage zeige ohne Zweifel die Baustellen bei der Umsetzung der WRRL auf, räumte Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein. Daher sei er froh, dass es den Grünen gelungen sei, dass Umweltsofortprogramm in den Koalitionsverhandlungen im März 2016 durchzusetzen. Damit könnten viele hilfreiche Maßnahmen zügig auf den Weg gebracht werden. Außerdem beweise es, dass die Umweltministerin die Aufgaben erkannt hätte und sie zielführend und konsequent angegangen werden.
Am Ende der Debatte zur Großen Anfrage wurden keine Beschlüsse gefasst.