Wenn es nach Bundesjustizminister Heiko Maas geht, sollen soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter zukünftig verpflichtet werden, Hinweise auf strafbare Inhalte zügig zu bearbeiten und wenn nötig zu löschen. Damit wolle der Staat auf eine „zunehmende Verbreitung von Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten“ reagieren, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf.
Dagegen sieht die AfD-Fraktion mit dem Gesetz die Meinungsfreiheit in Gefahr und wollte per Antrag an die Landesregierung appellieren, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüfen zu lassen. Die Fraktion DIE LINKE brachte einen Alternativantrag ein, durch den sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Rücknahme und grundsätzliche Überarbeitung des Entwurfs für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz einsetzen solle.
„Begriff der Hasskriminalität ist irreführend“
Verschärfte Informationskontrollen würden eigentlich nur Diktaturen zugeschrieben, konstatierte André Poggenburg (AfD); die Zensur unerwünschter Wortmeldungen müsse Grenzen haben. Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz würde diese Grenzen eklatant überschreiten. Der von der Bundesregierung im Gesetz geführte Begriff der Hasskriminalität sei irreführend, denn Hass an sich sei nicht strafbar, wenngleich verachtungswürdig, so Poggenburg. Kriminalität – auch in sozialen Netzwerken – könne jedoch bereits verfolgt werden.
Beim Gesetz des Bundesjustizministers handle es sich um eine verabscheuungswürdige schrittweise Abschaffung der Meinungsfreiheit, zeigte sich Poggenburg überzeugt. Die betroffenen Internetdienste würden einen vorauseilenden Gehorsam leisten müssen, um Bußgelder zu vermeiden. Zwangsläufig werde es zur Löschung von Beiträgen führen, wenn diese grenzwertig, aber nicht strafwürdig seien.
Poggenburg nannte dies eine „virtuelle Entstaatlichung“, denn die staatliche Kontrollmacht würde an private Dienste übergeben Hier zeigten sich „verfassungswidrige Denkmuster unserer Bundesregierung“, so der AfD-Fraktionsvorsitzende: Die heftige Kritik am Gesetzentwurf von mehreren Seiten müsse zu einer Ablehnung des Entwurfs führen.
Mario Lehmann (AfD) bezeichnete den von Bundesjustizminister Heiko Maaß vorgelegten Gesetzentwurf als „Sargnagel für die im Sinkflug befindliche Meinungsfreiheit“. Lehmann verglich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz mit den Arbeitsmethoden der DDR-Staatssicherheit.
Gesetzentwurf wird derzeit erörtert
Es handle sich um einen Gesetzentwurf, der derzeit intensiv erörtert werde; ob und wann und mit welchem Inhalt er tatsächlich vorgelegt werde, sei bislang nicht abzusehen, stellte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) fest. Es sei richtig und wichtig, gegen Hasskriminalität im Netz vorzugehen und unter Strafe zu stellen. Das Internet und die sozialen Netzwerke seien kein rechtsfreier Raum.
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut
Es sei schon verwunderlich, wer sich im Landtag als Hüter der Meinungsfreiheit herausstelle, wunderte sich Holger Hövelmann (SPD) in Richtung AfD gewandt. Man müsse sich der Frage stellen, wie Politik mit der Verrohung der Sprache, mit Fake News und Hassreden im Internet umgehe. Hövelmanns große Befürchtung: dass die Drohungen und das virtuelle Ausleben von Hassphantasien irgendwann den Weg in die Wirklichkeit finden werden.
Wer volksverhetzende Beiträge poste, wer zu Gewalt gegen Flüchtlinge aufrufe oder den Holocaust leugne, der begehe eine Straftat – „Diese Beiträge gehören verboten“, so Hövelmann. Das Recht der Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut. Es gehe nicht um Zensur oder die Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern um die Durchsetzung geltenden Rechts.
Gegen Hasskommentare vorgehen
Die Gesellschaft polarisiere sich immer weiter, kritisierte Wulf Gallert (DIE LINKE) und nannte dies als eine der Ursachen für die Verrohung der Sprache beispielsweise in den sozialen Medien. Gegen Hasskommentare müsse der Staat eingreifen, machte Gallert klar. Aber in der jetzt diskutierten Form sei dies unglücklich geregelt. Die Übergabe von Löschaufgaben an private Anbieter sei nicht hinnehmbar. Aufgabe des Gesetzes müsse es dagegen sein, dass die Anbieter sozialer Mediendienste – unabhängig von Inhaber und Unternehmenssitz – die deutschen Rechtsnormen erfüllten.
Mehr Prävention gegen Hass im Netz
Hasserfüllte Kommentare im Netz seien ein Problem, erklärte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Dass sich ausgerechnet die AfD mit ihrem Antrag als Beschützerin der demokratischen Meinungsfreiheit aufspiele, sei aufgrund der auf dem AfD-Facebook-Profil zu findenden und nicht gelöschten Kommentare mit strafbaren Bedrohungen und Verleumdungen absurd. „Hass und Hetze sind nicht vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt“, betonte Striegel. Die Grünen setzten sich für mehr Prävention gegen Hass im Netz und die Verrohung der Debattenkultur ein, so Striegel, sie forderten eine „klare staatliche Kante“, um bestehende Gesetze besser umzusetzen.
Internet kein rechtsfreier Raum
Der Antrag biete den Anlass, über die vorherrschende Diskussionskultur in Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland zu debattieren, meinte Jens Kolze (CDU). Immer häufiger werde heute in den sozialen Medien gehetzt, und dagegen müsse vorgegangen werden. Die Verpflichtung zur Löschung von rechtswidrigen Äußerungen sei richtig. Der Gesetzentwurf zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, die möglichen Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Rechtsübertragung, also das Löschen von Kommentaren, an private Dritte müssten jedoch noch einmal überprüft werden, forderte Kolze.
Der Antrag der Fraktion der AfD wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE konnte ebenfalls keine Mehrheit finden.