Unter dem Motto „Sachsen-Anhalt atmet auf – Nichtraucherschutz und Prävention verstärken“ soll die Landesstelle für Suchtfragen auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Konzept für ein Anreiz-, Interventions- und Begleitsystem zum Nichtraucherschutz und zur Prävention für Kinder und Jugendliche entwickeln. Dabei sei darauf zu achten, dass zuständige Akteure der Zielgruppe identifiziert und vorhandene Strukturen genutzt werden.
„Arsen wie im Rattengift“
„Rauchen schadet Ihrer Gesundheit“ – trotz dieses Slogans rauche ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland, sagte Dr. Katja Pähle (SPD). Dabei nähmen Raucher Arsen auf wie im Rattengift, Polonium, ein radioaktives Element, und Formaldehyd wie in Desinfektionsmitteln. Dadurch könne jedes menschliche Organ geschädigt werden. Die Kosten für das Gesundheitssystem seien enorm: indirekte und direkte Kosten lägen bei rund 80 Milliarden Euro pro Jahr.
34 Prozent der Männer und 22,6 Prozent der Frauen gehörten in Sachsen-Anhalt zu den Rauchern, das Land liege damit im Spitzenfeld im bundesweiten Vergleich. Bei über 17-Jährigen sind es schon 30 Prozent in Sachsen-Anhalt. Besorgniserregend sei auch der steigende Anteil rauchender Schwangerer; mit 16,6 Prozent liege Sachsen-Anhalt hier über dem Bundesdurchschnitt.
Studien belegten, dass je mehr Tabakwerbung gesehen werde, umso mehr auch geraucht werde. Es erschließe sich daher überhaupt nicht, dass Tabakwerbung noch immer möglich sei, kritisierte Pähle. Man brauche Hilfe, um aufzuhören oder gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen, Prävention müsse bereits in der Schule beginnen. Ziel des Antrags der Koalition sei, Sachsen-Anhalt von den Spitzenpositionen im Raucherranking zu lösen.
Höchste Raucherzahlen im Land
Nichtraucherschutz und Prävention zu verstärken, entspräche sehr den Zielen der Landesregierung, betonte Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration. Die gesundheitlichen Folgeschäden und die Belastungen für das Gesundheitssystem seien hinlänglich bekannt. Sachsen-Anhalt habe mit dem vor zehn Jahren verabschiedeten Nichtraucherschutzgesetz einen ersten wichtigen Schritt getan, um das Rauchverhalten im Land zu verändern. Dennoch habe das Land noch immer eine der höchsten Raucherzahlen in Deutschland.
Die Landesstelle für Suchtfragen arbeite bereits daran, die Zahl der Raucher und Alkoholabhängigen in einem ersten Schritt zumindest auf den Bundesdurchschnitt zu senken. Kinder von Rauchern hätten ein dreimal so hohes Risiko ebenfalls zu rauchen wie Kinder aus Nichtraucherhaushalten. Der wichtigste Ort für die Prävention sei die Schule, erkannte Grimm-Benne. Sie begrüßte in diesem Zusammenhang die im Antrag vorgesehene Konzentration der Prävention auf Kinder und Jugendliche – hier sei noch „viel saubere Luft nach oben“.
Schockbilder allein bringen nichts
Rauchen sei eine Sucht, wer einmal damit angefangen habe, könne sich schwer wieder davon lösen, bestätigte Daniel Rausch (AfD). „Schockbilder bringen nichts“, sei ihm von seinem jungen Sohn gesagt worden, die Fahrt nach Dresden ins Hygienemuseum, wo eine Raucherlunge und deformierte Föten zu sehen seien, habe jedoch etwas bewirkt. Die jungen Leute müssten mental so gefestigt sein, dass sie sich nicht zum Rauchen hinreißen ließen, sagte Rausch. Gleichzeitig müsse der Drogenmissbrauch an sich gebrandmarkt werden. Dies gelte auch für Cannabis – „zur Heilbehandlung zu begrüßen, aber zum Kiffen nicht“, so Rausch.
Rauchen muss uncool werden
Lungen- und Kehlkopfkrebs, Magengeschwüre, Herzerkrankungen – dies seien nur einige der vielen Folgen des Rauchens. Die negativen gesundheitlichen Folgen seien seit Jahrhunderten bekannt, erinnerte Tobias Krull (CDU). Offenbar reichten die Anstrengungen im Bereich der Prävention noch immer nicht aus, um Menschen vom Rauchen abzubringen.
„Schockfotos helfen hier nur bedingt“, aber mit der Landesstelle für Suchtfragen habe man einen kompetenten Partner in Sachen Prävention an der Seite. „Rauchen muss uncool werden“, forderte Krull – und dies nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Vielmehr müssten den jungen Menschen die gesundheitlichen und finanziellen Folgen des Rauchens demonstriert und vorgerechnet werden.
Mehr Mittel für die Landesstelle
„Der Titel des Antrags ist irritierend“, wunderte sich Dagmar Zoschke (DIE LINKE). Es gebe in Sachsen-Anhalt keinen Grund zum Aufatmen. Es gebe nach wie vor zu viele Lungenkrebstote und rauchende Schwangere im Land. Zoschke forderte, dass sich auch die Bildungspolitik explizit mit dem Thema Prävention beschäftige.
Die Landesstelle für Suchtfragen habe eine Reihe qualitativer Aufgaben mit einer einzigen Fachkraft zu bewältigen. Die Linken brachten deswegen einen Änderungsantrag ein, durch den die Landesstelle für ihre Aufgaben entsprechende Personal- und Sachkosten vom Land erhalten soll.
Selbstgefährdung und Fremdgefährdung
Obwohl die Landesstelle für Suchtfragen mit ihren Präventionsprojekten „Sieben Wochen Pause“ und „Be smart, don’t start“ gute Angebote vorhalte, reichten die Resultate aber längst nicht aus, konstatierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Bei Schwangeren handle sich das Rauchen nicht nur um Selbstgefährdung, sondern auch um Fremdgefährdung des noch ungeborenen Kindes. Hier müsse noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Die Grünen werden sich der Notwendigkeit einer allgemeinen Debatte über die Gefahr von Sucht – auch nach „weichen Drogen“ stellen, erklärte Lüddemann. Tabak, Alkohol und Cannabis müssten hier gleichrangig behandelt werden. Die Vision der Grünen-Angeordneten: Alle weichen Drogen, solange sie zugelassen sind, sollten in speziellen Läden verkauft werden, um eine klare Abgrenzung zu anderen Verkaufsgütern und Genussmitteln zu gewährleisten.
Im Anschluss an die Debatte fand der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE keine Mehrheit. Der Antrag der Koalition wurde mit großer Mehrheit angenommen.