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Plenarsitzung

DDR-Unrecht darf kein Verfallsdatum haben

Aus Anlass des  25-jährigen Bestehens des SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes (UnBerG) hatte die CDU-Fraktion eine Aktuelle Debatte beantragt und wollte die Gelegenheit nutzen, die Erinnerung an geschehenes Unrecht, politische Verfolgung und Repression in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR aufrecht zu erhalten. Parallel dazu wurde über einen Antrag der Koalitionsfraktionen diskutiert. Darin heißt es: „Die Rehabilitierung politischer Verfolgung darf kein Verfallsdatum haben.“ Mit dem Antrag wird die Landesregierung gebeten, sich auf Bundesebene für eine Novellierung der SED-UnBerG einzusetzen und eine Antragstellung auch nach dem 31.Dezember 2019 zu ermöglichen. Der Antrag wurde vom Landtag einstimmig angenommen.

Im Sommer 2017 präsentierte der Landtag eine Ausstellung von vier Fotokünstlern, die einen großen Teil ihrer Kindheit und Jugend zu Unrecht in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR verbrachten. Die Fotos sind ein wichtiger Teil ihrer Vergangenheitsbewältigung. Foto: Brigitte Matthias

  • Was sind die SED-Unrechtsbereinugungsgesetze?

    Auf Grundlage der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze haben politisch Verfolgte der SBZ/DDR die Möglichkeit, für erlittenes Unrecht rehabilitiert zu werden sowie einen finanziellen Ausgleich beziehungsweise eine Entschädigung zu erhalten. Dafür wurden zu Beginn der 90er Jahre vom Bundestag drei Gesetze erlassen – je nach Repressionsmethode. Die Antragstellung ist jedoch auf den 31. Dezember 2019 befristet. Je nach Definition wird die Zahl der politischen Häftlinge in der DDR auf 180 000 bis 280 000 Menschen geschätzt.

Täter waren Menschen, nicht ein abstraktes System

Florian Philipp (CDU) erklärte, es seien immer Menschen, die anderen Menschen Unrecht antun und nicht abstrakte Regime –  so sei es auch im DDR-Regime gewesen. Natürlich hätte es auch lebenswertes Leben in der DDR gegeben, aber eben auch massenhaft Unrecht, differenzierte der CDU-Abgeordnete. So hätte es beispielsweise Bespitzelungen, Zwangsadoptionen, Studien- und Berufsverbote gegeben.

Mit den SED-UnBerG hätten Menschen seit 25 Jahren eine Möglichkeit, dass das ihnen widerfahrene Unrecht rehabilitiert werde. Die Rehabilitation sei dabei nie nur als monetärer Ausgleich gedacht gewesen, sondern immer auch mit der Frage verbunden, wie die Gesellschaft als Ganzes mit dem erlittenen DDR-Unrecht umgeht.

Mehr als 25 000 Anträge in 25 Jahren

Um die DDR-Opfer zu rehabilitieren, sei jedoch eine saubere und teilweise aufwändige Recherche und Sachbearbeitung nötig, denn „Unrecht ist immer eine Einzelfallbetrachtung“, betonte Holger Stahlknecht, Minister für Inneres und Sport. Seit 1992 hätte es in Sachsen-Anhalt mehr als 25 000 Anträge auf Rehabilitierung gegeben, etwa zwei Drittel davon wurden positiv beschieden.

Die SED-UnBerG seien somit ein wichtiger Bestandteil der Aufarbeitung der DDR-Diktatur. Stahlknecht appellierte: „Wir sollten uns eindeutig zum DDR-Unrecht bekennen, uns deutlich distanzieren und dankbar dafür sein, dass wir in einem Rechtsstaat leben können, wo heute jeder nach seiner Fasson glücklich werden kann.“

DIE LINKE unterstützt den Koalitionsantrag

Eva von Angern (DIE LINKE) sagte, ihre Fraktion teile das Ziel des Koalitionsantrages und werde ihm zustimmen. Es dürfe kein Verfallsdatum für Unrecht geben und bei der Rehabilitierung müsste man immer die Perspektive der Opfer im Blick haben, denn jede andere würde ihnen nicht gerecht werden. Gleichzeitig erinnerte von Angern an einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE 2014 im Bundestag.

Damals wollte sich ihre Fraktion dafür einsetzen, den Empfängerkreis von Ausgleichszahlung für in der DDR erlittenes Unrecht („Opferrente“) ausweiten. Dieser sei von der Mehrheit des Bundestags mit teils absurden Argumenten abgelehnt worden. Sie könne verstehen, dass ihre Partei aus Sicht der Opfer noch heute abgelehnt wird, im parlamentarischen Raum sei eine solche Haltung jedoch nicht angebracht.

Welchen Beitrag hat jeder Einzelne geleistet?

Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erklärte, viele Betroffene würden erst im Rentenalter über ihr widerfahrenes Unrecht nachdenken und sich mit der Aufarbeitung beschäftigen. Daher sei davon auszugehen, dass es auch nach 2019 noch zahlreichen Anträge geben wird. Die Grünen setzten sich deshalb für eine Entfristung des SED-UnBerG ein. „DDR-Unrecht darf nicht verjähren!“

Zudem sollte eine Beweiserleichterung bei Gesundheitsschädigungen erreicht werden. Striegel fügte hinzu, dass sich Sachsen-Anhalt in den nächsten Monaten auf Bundesebene dafür einsetzen werde. „Die Diktatur der DDR war ein Werk der SED, getragen und stabilisiert wurde sie von vielen anderen [Red.: Menschen und Institutionen]“ Jeder müsste sich daher fragen lassen, was sein Beitrag gewesen ist, um die SED-Diktatur zu stabilisieren.

Manchmal steht selbst die Justiz noch am Anfang

Es sei dringend geboten, die Rechte der Opfer staatlichen Unrechts zu wahren und ihnen auch nach 2019 eine Rehabilitierung zu ermöglichen, sagte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Viele Betroffene fühlten sich noch immer nicht in der Lage, sich mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen. In manchen Bereichen, wie beispielsweise beim Missbrauch von Arzneimitteln, stehe selbst die Justiz noch am Beginn der Aufklärung. Unter diesen Umständen könne man nicht von den Opfern verlangen, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu melden.

Fristverlängerung auch für deutsche Zwangsarbeiter

André Poggenburg (AfD) teilte das Anliegen der Aktuellen Debatte, an die DDR-Unrechts-Opfer zu erinnern. Gleichzeitig verwies der darauf, dass die Wiedervereinigung bis heute nicht in aller Konsequenz durchgeführt worden sei. So sei es beispielsweise ein Unrecht, dass es immer noch keine gleichen Renten in Ost und West gebe.

Sein Fraktionskollege Oliver Kirchner (AfD) bezeichnete die Links-Partei als „Erben des DDR-Regimes“ und erinnerte an persönliche Schicksale in seiner Familie. In einem Alternativantrag forderte die AfD-Fraktion, dass sich die Landesregierung auch für eine Entfristung des Antragsverfahrens für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter (ADZ-Anerkennungsrichtlinie) vom 7. Juli 2016 einsetzen soll, zog diesen im Lauf der Debatte allerdings zurück.

Am Ende der Debatte wurde dem Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt.