Der Landtag von Sachsen-Anhalt zeigt bis zum 6. Oktober 2017 die Wanderausstellung „Trans* in der Arbeitswelt“ von Anja Weber. Die Fotografin verarbeitet mittels großformatiger Bilder das Thema Transsexualität. Gezeigt werden zwölf Einzelporträts von transgeschlechtlichen Menschen, die den Mut haben, sich mit ihrem Bild und ihrem Namen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die Fotos zeigen die Personen in unterschiedlichen Berufen und Arbeitsumfeldern. Die Veranstaltung wurde vom Magdeburger Vokalensemble „InTakt“ musikalisch umrahmt.
Lebensrealität vieler Menschen
Die Ausstellung diene dazu, die Anonymität zu überwinden und die „Normalität“ des Einzelnen zu zeigen, erklärte Landtagsvizepräsident Wulf Gallert zur Eröffnung der Ausstellung. Die formelle Einfachheit der Trennung zwischen Mann und Frau sei in den Köpfen und der Sprache verankert, sie entspreche aber nicht der Lebensrealität. „Die geschlechtliche Identität ist zunächst ja reine Privatsache, und dennoch empfinden sie manche Menschen als Bedrohung, wenn sie von der Norm abweicht“, wunderte sich Gallert. Es gelte, weiterhin Aufklärungsarbeit zu leisten und bestehende Vorbehalte – die allesamt substanzlos seien – abzubauen. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem Bereich der Arbeitswelt, Diskriminierung gebe es aber allerorten in der Gesellschaft, mahnte der Landtagsvizepräsident.
Thema in der Mitte der Gesellschaft angelangt
Geschlechterrollen würden immer noch viel zu sehr durch gesellschaftliche Konventionen definiert, sagte Anne-Marie Keding, Sachsen-Anhalts Ministerin für Justiz und Gleichstellung. Es sei gut, das Trans*-Thema so offen zu benennen und zu zeigen. Das Thema rücke durch die Ausstellung und nicht zuletzt durch den Ausstellungsort Landtag in die Mitte der Gesellschaft. Sie zeige die Menschen in ihrer Individualität und ziehe sie aus einem anonymen Bekannten- und Betrachterkreis heraus.
„Die Realität ist aber viel bunter“
Die Gleichstellungsbeauftragte der Otto-von-Guericke-Universität, Dr. Sandra Tiefel, sagte, die Vielfalt der Menschen werde nicht ausreichend wertgeschätzt. Strukturelle und individuelle Diskriminierung seien an der Tagesordnung. Eine der Ursachen dafür sei die Vorstellung von bestimmten Normen, von denen man nicht abweichen wolle. „Die Realität ist aber viel bunter“, ergänzte Tiefel. Sie sieht auch die Bildungseinrichtungen des Landes in einer Bringschuld: „Es reicht nicht, Positionen und Haltungen zu veröffentlichen; die Studieninhalte müssen an die unterschiedlichen Lebensrealitäten angepasst werden.“ Man müsse sensibler gegenüber Begriffen und Handlungen werden, die zur Ausgrenzung beitrügen.
Auftakt zum Kongress in Magdeburg
Alexander Naß und Silvia Rentzsch vom Trans-Inter-Aktiv Mitteldeutschland e. V., der vom 22. bis 24. September 2017 den Kongress „Geschlechtliche Vielfalt (er)leben“ in Magdeburg organisiert, berichteten, dass durch den Verein in den zurückliegenden Jahren bereits eine Vielzahl von Aktionsfeldern mit Leben haben gefüllt werden können. „Viel Vernuetzungsarbeit unter den Selbsthilfegruppen, Ärzten und Aktivisten gehört dazu“, ergänzte Alexander Naß. Schwerpunkt des Kongresses in Magdeburg werde die Beratungs- und Gesundheitsversorgung von Trans*Menschen sein, sagte Silvia Rentzsch. Hier bestehe deutlicher Verbesserungsbedarf.
Gesellschaft offener und toleranter gestalten
„Wir brauchen alles an Wahrnehmbaren, damit die Gesellschaft in Sachsen-Anhalt offener und toleranter wird“, erklärte Lydia Hüskens vom Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe. Insofern sei das Thema auch für ihre Institution wichtig, wenn es darum gehe, auf die Lebensentwürfe von Kindern einzugehen beziehungsweise sie darüber aufzuklären, dass die Lebensgestaltung sehr vielfältig verlaufen könne.
Hintergrund zur Ausstellung
Die Ausstellung wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gemeinsam mit der Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung und dem Verein TiA e. V. ins Leben gerufen und verarbeitet mittels großformatiger Fotos das Thema Transsexualität.
Anja Weber lädt ein, über die Lebensgeschichten, Diskriminierungs- und Erfolgserfahrungen transgeschlechtlicher Menschen nachzudenken – dies aus unterschiedlichsten Blickwinkeln, zum Beispiel als Verwandte, Freunde und insbesondere als Arbeitgebende, um sich „für Trans*Menschen zu öffnen und das Potenzial zu erkennen, das in dieser Öffnung steckt.
Ein Gedanke zum Schluss
Ein wehmütiger Gedanke bleibt nach dem Ansehen der Ausstellung aber: Trans*Menschen, denen man das „Anderssein“ nicht oder kaum anmerkt, werden hier gezeigt. Auch sie müssen sich mit Diskriminierung auseinandersetzen. Wie ungleich schwerer müssen es aber eben jene Trans*Menschen in ihrem Lebensalltag haben, die nicht nur „anders“ sind, sondern auch „anders“ aussehen? Die Frage bleibt für jeden Einzelnen: Passt nicht in das eigene Päckchen Toleranz und Akzeptanz noch ein wenig mehr hinein? „Vielfalt (er)leben“ kann und sollte sich nicht mit Äußerlichkeiten begnügen. Denn am Ende sieht man nur mit dem Herzen gut …
Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr im Landtag zu besuchen. Der Eintritt ist frei.