Welche Konsequenzen ergeben sich für die Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt aus dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt Ende vergangenen Jahres? Darüber berieten die fünf Fraktionen am Freitag, 3. Februar 2017, in einer Aktuellen Debatte.
„Eine überzeugt demokratische Polizei und Justiz“
Das Thema Sicherheit sei durch die Terroranschläge in Europa in den letzten beiden Jahren ganz nach oben auf die politische Agenda gerutscht, erklärte Rüdiger Erben (SPD). Der Durchschnittsbürger sei auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen, wenn es darum gehe, sein Bürgerrecht auf Sicherheit zu gewährleisten. „Soziale Sicherheit und eine friedliche, freiheitliche und sichere Gesellschaft bedingen einander, die innere Stabilität der Gesellschaft muss gestärkt werden“, sagte Erben.
Die deutschen Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern seien schlagkräftig, so hätten sie bereits zahlreiche terroristische Angriffe abwehren können. Im Grunde bestehe eine gute Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten, aber auch zwischen den Sicherheitsinstitutionen von Bund und Ländern, lobte der SPD-Politiker. Deswegen sei es unangebracht, die deutschen Sicherheitsbehörden in Strukturdebatten zu stürzen. Erben warb für eine Vereinheitlichung der Datensysteme von Bund und Ländern.
Erben betonte, dass es trotz stärkerer Polizeipräsenz nicht zur Entstehung eines Polizeistaats kommen werde. Denn anders als in früheren Zeiten deutscher Staaten gebe es eine funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit, eine überzeugt demokratische Polizei und Justiz.
Wunsch nach Sicherheit und Freiheit
Alle Bürgerinnen und Bürger hätten einen Anspruch darauf, dass der Staat das Erforderliche für die Sicherheit unternehme, sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Sicherheit sei die Grundlage, auf dem sich alles andere aufbaue. Das Gewaltmonopol dürfe jedoch nur beim Staat liegen, so Stahlknecht. Man müsse genau überlegen, welche Instrumente nötig seien, um den Wunsch nach – auch subjektiver – Sicherheit, aber auch nach Freiheit zu erfüllen.
Stahlknecht führte die Videoüberwachung an, die in Kaufhäusern oder an der Tankstelle völlig gang und gäbe seien, im öffentlichen Raum jedoch unverständlicherweise stets zu Kontroversen führe. Das Nischengefühl, dass die Sicherheit in Deutschland nicht gefährdet sei, habe sich in den letzten Jahren verflüchtigt. Es sei angeraten, die deutsche Sicherheitsarchitektur den europäischen Nachbarn anzupassen – ohne einen totalitären Sicherheitsstaat zu konstruieren, so der Innenminister. Es gelte, besonnen und vertrauenswürdig mit den Instrumenten der Sicherheit umzugehen.
„Terroristische Bedrohung durch Grenzöffnung“
Die terroristische Bedrohung habe sich erst seit September 2015 verschärft, als Kanzlerin Merkel im Alleingang die Grenzen geöffnet habe, sagte Mario Lehmann (AfD). Die Sicherheitsbehörden könnten nur so gut sein, wie es der Staat zulasse – dies lasse zu wünschen übrig. Wenn es mit dem wehrhaften Rechtsstaat so weitergehe, sei bald Schluss mit Deutschland, so Lehmann.
Wer die Fußfessel für Terroristen als effektives Mittel des Rechtsstaats sehe, halte auch eine Parkkralle für einen Panzer in der Innenstadt für sinnvoll. Man sei schon jetzt nicht mehr in der Lage, bei einem Überfall zeitnah einen Funkwagen an einen Tatort zu schicken, sagte Lehmann. Es sei ein Zeichen von Unglaubwürdigkeit, dass man zwar keine richtige Grenzsicherung an den deutschen Außengrenzen betreibe, Sicherheit aber durch Betonklötze vor Weihnachtsmärkten schaffen wolle.
„Es wird gelingen, den Terror zu besiegen“
Die Taten des rechten Terrornetzwerks NSU zeigten, dass der Terror uns nicht erst begleite, seit islamistische Täter ihren Wirkungskreis auf Deutschland ausgebreitet hätten, erinnerte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Terror bedrohe das friedliche Zusammenleben in unserem Land, er sei eine reale Gefahr. Es sei jedoch perfide, den Flüchtlingsstatus eines Täters für einen Generalverdacht gegen Flüchtende an sich zu missbrauchen.
Der Rechtsstaat sei ein intelligenter Staat, dem es gelingen werde, den Terror zu besiegen. Aber man stehe zweifellos vor einer massiven sicherheitspolitischen Herausforderung, räumte Striegel ein. Die Grünen blieben jedoch die liberale Stimme für Bürgerrechte, denn es zeige sich, dass die sichersten Staaten diejenigen seien, die ihre rechtsstaatlichen Grundsätze durchsetzten. Striegel wies auf ein Sicherheitspapier der Grünen hin, in dem sie auf die Stärkung der Polizei setzen, auf mehr Prävention, eine genauere Fehleranalyse, die konsequente Nutzung bestehender Instrumente und die Schaffung eines modernen Gefahrenabwehrgesetzes.
„Starken Rechtsstaat nur mit starkem Sozialstaat“
Wenn man sage, unsere Art zu leben, bleibe stabil, wir ließen uns vom Terror nicht einschüchtern, dann sei dies lediglich eine politische Botschaft gegen irrationale Ängste und für Besonnenheit, sagte Matthias Höhne (DIE LINKE). Attentätern sei nicht beizukommen, indem man sie bei ihrer Tat filme. „Wenn Sie den Rechtsstaat wehrhaft haben wollen, dann müssen wir zuerst klären, warum er im Fall Anis Amri nicht wehrhaft war“, erklärte Höhn. Der Ruf nach mehr Kontrolle und mehr Überwachung komme meist in einem Zuge mit dem Wunsch, bei unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bleiben.
Der Westen befinde sich seit 2001 im Krieg gegen den Terror, doch politisch begründete Gewalt sei kein neues Phänomen, RAF und NSU seien nur zwei Beispiele für terroristische Verbrechen in Deutschland. Es reiche längst nicht, nur über islamistische Gefahren zu sprechen, denn auch die sogenannten Reichsbürger zählten zu den Gefährdern. Die Linke setzt auf Gewaltprävention, die beginne, indem man sich über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten politischer Gewalt klar werde. Einen starken Rechtsstaat werde es nur mit einem starken Sozialstaat geben, betonte Höhn abschließend.
„Mit demokratischen Mitteln für Sicherheit sorgen“
„Der internationale Terrorismus bedroht unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“, erklärte Chris Schulenburg (CDU). Terroristische Angriffe habe es in der Vergangenheit zahlreiche gegeben. Die Aufgabe des Staates sei, mit seinen demokratischen Instrumenten für Sicherheit zu sorgen. „Unsere Gesellschaft ist freiheitlich, offen und tolerant“, sagte Schulenburg, diese Werte gelte es zu verteidigen.
Seine Fraktion setze sich für eine bessere Personal- und Sachausstattung der Polizei ein, so der CDU-Politiker. Die Kriminalprävention sei ein wichtiger Baustein bei der Verhinderung weiterer Straftaten. Man setze sich überdies für den optimalen Informationsaustausch zwischen den europäischen und internationalen Sicherheitsbehörden ein. Dem 2004 gebildeten Terrorismusabwehrzentrum komme dabei eine wichtige Filter- und Steuerungsfunktion zu. Die Verfassungsschutzbehörden leisteten einen elementaren Beitrag zur Wahrung der Sicherheit, so Schulenburg abschließend.
Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.