(27. September 2016) Die Koalition fordert von der Landesregierung ein Konzept zur zukünftigen Gestaltung von Förderschulen. So sei es im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Das Konzept soll unter anderem die Frage nach der möglichen Zusammenlegung von Förderschwerpunkten an einem Standort klären. Es soll zunächst in den Ausschüssen für Bildung und Kultur und für Arbeit, Soziales und Integration bis zum Ende des II. Quartals 2017 vorgelegt und erörtert werden.
Bis die Erarbeitung und Umsetzung abgeschlossen sind, könne im Einzelfall der Vollzug von Maßnahmen der Schulentwicklungsplanung befristet ausgesetzt werden, so der Wortlaut des Antrags.
Kein Verzicht auf Förderschulen
Wir täten den Kindern und Eltern keinen Gefallen, wenn wir in Sachsen-Anhalt gänzlich auf Förderschulen verzichteten, sagte Angela Gorr (CDU), nicht für alle Kinder sei die inklusive Erziehung möglich oder empfehlenswert. Dennoch hätten sich Eltern gerade im Bereich der Förderschwerpunkte Lernen und Sprache in den letzten Jahren zunehmend für die Förderung ihrer Kinder an der allgemeinen Schule entschieden. „Diese Entwicklung wollen wir weiter unterstützen und so dem Elternwahlverhalten Rechnung tragen“, versicherte Gorr.
Es seien allerdings zusätzliche Personal- und Sachmittel nötig, wenn Inklusion an vielen Schulen des Landes geleistet werden soll. Das Konzept soll unter Einbeziehung des Sachverstandes der Schulen, der Schulträger und weiterer landesweiter Gremien (Landeselternrat, Landesschülerrat, Verband der Sonderpädagogik) sowie wissenschaftlicher Unterstützung erarbeitet werden.
Inklusion vom Kind abhängig machen
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) freute sich über den „proaktiven Antrag“ der Regierungskoalition. Man müsse schauen, was unter den fachlichen und sächlichen Voraussetzungen an Inklusion zu leisten sei. Wichtig sei, sich immer zu fragen, was das Beste für das Kind sei, das wir jeweils vor Augen haben, so Tullner. Manches Kind fühle sich im Regelschulunterricht überfordert, manches in der Förderschule unterfordert. Vor diesem Hintergrund sollen die Förderschulen im Land erhalten bleiben, gleichzeitig wolle man aber auch dem Inklusionswunsch der Eltern und Kinder gerecht werden.
AfD: „Von Inklusion profitiert niemand!“
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) kritisierte, dass es sich beim Antrag nicht um ein klares Bekenntnis zu den Förderschulen im Land handele. Durch die Steigerung der Inklusionsquote würden die Förderschulen nämlich an den Rand ihrer Bestandsfähigkeit gebracht. „Und genau diesem Ansinnen erteilen wir eine Absage“, so Tillschneider. Die AfD spreche sich gegen das „Gesellschaftsexperiment Inklusion“ aus. „Förderschulen sind das Beste, was wir für behinderte Kinder tun können“, sagte Tillschneider. „Von Inklusion profitiert niemand“, denn die behinderten Kinder würden den Unterricht im Regelschulbetrieb nur aufhalten.
SPD: Bildung ohne Diskriminierung
Deutschland und Sachsen-Anhalt hätten sich vor vielen Jahren schon dem UN-Übereinkommen der Rechte von Menschen mit Behinderungen verschrieben, das unter anderem auch das Recht auf Bildung ohne Diskriminierung, also integratives Lernen auf allen Ebenen beinhaltet, erinnerte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Menschen sollen demnach aufgrund ihrer Behinderung nicht vom allgemeinen Bildungsweg ausgeschlossen werden. Diesem Grundsatz folge die Koalition entschieden.
Inklusion bedeute den konstruktiven und ausgewogenen Umgang mit Vielfalt und die Möglichkeit einer uneingeschränkten Teilhabe. Das nun von der Landesregierung zu erarbeitende Konzept führe zur Diskussion über eine Neuverteilung der Aufgaben und die Standorte der Förderschulen, so Kolb-Janssen. Zugleich würden auch die Weiterbildung der Lehrkräfte und die Ausstattung mit Fachkräften beraten.
Linke: Vielfältige Lernvoraussetzungen
„Der Antrag der Koalition spiegelt leider nur den kleinsten gemeinsamen Nenner des Regierungsbündnisses hinsichtlich der Inklusion wider“, zeigte sich Birke Bull (DIE LINKE) enttäuscht. Daher brachte ihre Fraktionen einen Änderungsantrag ein, durch den die inklusiven Bildungsangebote noch fokussierter erweitert werden sollten. „Inklusion ist eine großartige Vision“, sagte Bull, sie sei menschenrechtlich und demokratisch. Ohnedies brauche Bildung Vielfalt – und nicht Einfalt. Aber sie sei zweifellos eine große Herausforderung.
„Vielfältige Lebenslagen und Lernvoraussetzungen sind Normalität“, betonte Bull in Hinsicht auf die vielen unterschiedlichen Charaktere in den Schulen. Jeder solle und müsse Wertschätzung und Teilhabe erfahren, das Lernen finde allerorten miteinander und voneinander statt. „Die Zukunft liegt im gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung, unterschiedlicher Religionen und kultureller Hintergründe“, zeigte sich Bull überzeugt. Ohne Inklusion fehlten Schülerinnen und Schülern an Förderschulen kognitive Anreize von nichtbehinderten Kindern, Kindern an den Regelschulen fehlte indes das Wissen um andere Lernstrategien und Lebenssituationen. Es gelte nunmehr, den akuten Personalmangel abzustellen.
„Bringen Förderschulen und Inklusion voran“
Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verspricht sich von der Inklusion ein höchstmögliches Maß an Teilhabe im Bildungsbereich. Die Inklusionsquote solle kontinuierlich erhöht werden. „Die Förderschulen bleiben dennoch ein wichtiger Bestandteil unseres Schulsystems“, versicherte der Grünen-Politiker. Möglichst alle sollten aber die gleichen Bildungschancen haben, dazu trage der gemeinsame Unterricht bei. Das von der Landesregierung zu erstellende Konzept soll im Landtag abgestimmt werden, um einen breiten Konsens zu erarbeiten. „Wir bringen ein Konzept in Gang, das die Entwicklung der Förderschulen und der Inklusion voranbringen wird“, so Aldag abschließend.
Nach der Debatte wurde der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE abgelehnt. Der Ursprungsantrag der Koalition wurde mit deren Mehrheit angenommen, die Linken enthielten sich, die AfD lehnte den Antrag ab.